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21.06.08 / Die Blamage / EU in der Krise – Irland stoppt den Lissabonner Vertrag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-08 vom 21. Juni 2008

Die Blamage
EU in der Krise – Irland stoppt den Lissabonner Vertrag
von Klaus D. Voss

“Ni“ heißt auf Gälisch Nein – und dieses irische Wort hat Folgen. Der Versuch, den EU-Bürgern einen Grundlagenvertrag mit Verfassungsrang unterzuschieben, ist gescheitert. Brüssel ist blamiert.

Eine unerwartet deutliche Mehrheit der Iren von 53 Prozent hat in der einzigen zugelassenen Volksabstimmung den Vertrag von Lissabon verworfen – weil die Iren damit nichts anfangen konnten. Auf der Insel wie auf dem ganzen Kontinent hatte keine Regierung, keine Partei und schon gar nicht eine der hoch besoldeten EU-Institutionen sich die Mühe gemacht, den EU-Bürgern den Vertrag und seine Bedeutung für Europa zu erklären. Was der Lissabon-Vertrag im einzelnen regelt, die Vor- oder Nachteile für die jeweiligen Nationen, das mußte bei dem konspirativen Verhalten der 27 Regierungen im Dunkeln bleiben. Sie vertrauten auf die Gefügigkeit der eigenen Parlamente und die Wirkung ihrer Drohung an Irland, der Vertrag müsse angenommen werden, sonst sei die Reform der EU gescheitert.

Genau da stehen wir nun – auch wenn etliche Politiker glauben, sie könnten sich durch eine Hintertür herausschleichen und weitermachen wie bisher.

Für uns besonders peinlich ist das seltsame Demokratieverständnis des Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD), der sich spontan hinreißen ließ, Irland den Ausschluß anzudrohen. Auch für ihn muß gelten, daß Mehrheitsentscheidungen von allen zu respektieren sind, keinesfalls abgestraft werden dürfen.

Natürlich gibt es Auswege aus der Krise. Zunächst einmal muß die Einsicht geboren werden, daß man eine Verfassung und eine Verfahrensordnung für die Institutionen einer Staatengemeinschaft mit allen Bürgern diskutieren und außerdem die Funktion der Parlamente respektieren muß.

Es wäre auch falsch zu glauben, allein Irland stehe dem Lissabonner Vertrag im Wege. Fairerweise muß man Frankreich und die Niederlande ins Lager der Nein-Sager rechnen, die schon die erste EU-Verfassung verworfen hatten. Großbritannien, Österreich und Dänemark sind nach dem öffentlichen Stimmungsbild gegen die retuschierte Neuauflage des Verfassungsvertrages.

Schwedens Bürger zählen zum Lager der Gegner; sie hatten 2003 bei der einzigen ihnen gestatteten Volksabstimmung aus Unwillen über die EU den Euro gestoppt. In Polen verweigert Staatspräsident Lech Kaczynski nach wie vor die Unterschrift unter die Ratifizierungsurkunde, in Tschechien ist die Zustimmung des Staatspräsidenten Vaclav Klaus völlig offen, auch die Prüfung durch das Verfassungsgericht in Prag.

In Deutschland schließlich würden erst die Verfassungsrichter das Schlußwort sprechen, wenn  das Ratifizierungsverfahren zum Lissabon-Vertrag weiter durchgezogen werden sollte. Einige Bundestagsabgeordnete, unter ihnen Peter Gauweiler (CSU), haben Organklage und Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Und auch die Karlsruher Richter wissen, wie die Stimmung im Lande ist. Es würde kaum jemand die Wette wagen, daß hier bei einer Volksabstimmung die Entscheidung anders ausfiele als in Irland.


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