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21.06.08 / Merkel-Gegner formieren sich / In der Union rumort es. Muß die Kanzlerin mit einer Revolte rechnen?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-08 vom 21. Juni 2008

Merkel-Gegner formieren sich
In der Union rumort es. Muß die Kanzlerin mit einer Revolte rechnen?
von Hans Heckel

Die Krise der SPD beherrscht die Schlagzeilen, nur selten schweift der Blick ab zum anderen Koalitionspartner. Doch schon die oberflächliche Betrachtung macht sichtbar, daß es auch bei der Union keineswegs zum Besten steht. Die Mitgliederzahl geht zurück, die Anhängerschaft schrumpft. Hinter den Kulissen zeichnet sich eine Orientierungskrise ab, die das Futter liefert für einen handfesten Führungsstreit.

Obwohl der Union keine neue Konkurrenz zusetzt wie die Linkspartei der SPD, schaffen es die Schwarzen nicht, die einst mit Leichtigkeit genommene Marke von 40 Prozent bei den Umfragen hinter sich zu lassen.

 Zur Auszehrung in Mitgliederbasis und Anhängerschaft gesellt sich bei der Union eine von Monat zu Monat deutlicher hervortretende Unsicherheit über den eigenen Kurs.

All dies bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Stellung der Parteivorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel. Galt ihre Führungsrolle noch vor kurzem als nahezu unanfechtbar, so braut sich nun sichtbar Unmut in der Partei gegen sie zusammen.

Anführer der Anti-Merkel-Front ist der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Er hatte, den stärksten CDU-Landesverband im Rücken und einen Sieg im uneinnehmbar geglaubten SPD-Land NRW als dickes Plus auf seinem Konto, schon mit seinen Vorstößen für ein länger ausgezahltes Arbeitslosengeld I quer auf die Kanzlerin geschossen. Mit seiner populistischen Forderung nach höheren Renten für Geringverdiener setzte er später nach. Nun beschloß die NRW-CDU auf ihrem Landesparteitag vergangenen Sonnabend in Dortmund unter Rüttgers‘ Anleitung, das „Schonvermögen“ für die Altersversorgung von Hartz-IV-Empfängern von 250 auf 700 Euro pro Lebensjahr hochzusetzen.

So findet der Rüttgers-Kurs mehr und mehr Anhänger in der verunsicherten Union. Auch die CSU versucht, sich sozialpolitisch mit  der Forderung nach Rückkehr der alten Pendlerpauschale hervorzuheben. Die baden-württembergische CDU hat beschlossen, mit Einnahmen aus einer neuen Flugticketabgabe die Mineralölsteuer zu senken. All dies läuft quer zur Politik und damit zur Person der Kanzlerin.

Noch erscheinen die Merkel-kritischen Vorstöße eher wie Nadelstiche gegen eine nach wie vor übermächtige Parteichefin und Kanzlerin. Nach einer Schlappe der CSU bei der bayerischen Landtagswahl im kommenden September könnte es jedoch zur offenen Revolte kommen.

Angela Merkel selbst gibt noch keine Anzeichen von sich, daß sie ihre Stellung gefährdet sieht. Überschätzt sie sich?

Nicht die inhaltliche Zurückweisung des CSU-Vorschlags zur Pendlerpauschale hat Beobachter überrascht. Es war die schroffe Art: Dem Usus der Gebens und Nehmens in der Politik folgend hätte die Kanzlerin den Bayern eigentlich irgendwas anbieten müssen, das sie anstatt der alten Pendlerpauschale ihren Wählern zuhause als Verhandlungserfolg hätten anbieten können. Doch Merkel ließ CSU-Chef Erwin Huber mit gänzlich leeren Händen heimziehen. Nun poltert Bayerns ebenso düpierter CSU-Ministerpräsident Beckstein im „Focus“, die CSU werde sich „weder der Kanzlerin noch ihrer Partei unterwerfen“.

Becksteins ungewohnt heftige Attacke ist Ausdruck tiefer Sorge, wenn nicht blanker Angst hinsichtlich der Bayernwahl im Herbst, zu der die CSU unbedingt etwas „Soziales“ anbieten will, weil sie unter die Marke von 50 Prozent zu fallen droht.

Das wäre immer noch eine knappe Mehrheit der Mandate.

Ein Wahlschlappe der CSU fiele jedoch unmittelbar auf Merkel zurück, weil sie die Bayern sozialpolitisch im Stich gelassen habe, wie es dann heißen wird. Das würde wie ein Weckruf wirken auf all die CDU-Granden, die unter der rigiden innerparteilichen Machtpolitik von Angela Merkel jahrelang gelitten haben, also die Kochs, die Oettingers, die Müllers etc.

Nun könnten sie ihre Chance zur Rache sehen, da der Kanzlerin offenkundig ein Konzept gegen die Politik der hemmungslosen sozialen Versprechungen fehlt, mit der sich die SPD in der Großen Koalition positioniert hat. Dann dürfte schnell wieder spürbar werden, was lange in den Hintergrund getreten war: Daß Angela Merkel in der CDU jene Hausmacht fehlt, die einen Rüttgers stark macht.  Doch wie in jeder Partei ist es auch in der CDU die Schicht der führenden Funktionäre, die die eigentliche Macht ausübt. Und in der ist Jürgen Rüttgers verwurzelt, der seine Chance reifen sieht.

Sollten die derzeitigen Umfragen das Ergebnis der Bayernwahl schon vorwegnehmen, beginnt für Angela Merkel im September eine schwere Zeit.


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