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21.06.08 / Ehekarussell auf der Insel / Berühmte Liebespaare: Heinrich VIII. und seine sechs Frauen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-08 vom 21. Juni 2008

Ehekarussell auf der Insel
Berühmte Liebespaare: Heinrich VIII. und seine sechs Frauen
von E. Knorr-Anders

Auch die Bundesrepublik Deutschland hat Selbstdarstellungskünstler in Sachen Vielehen aufzuweisen. In England war es Heinrich VIII. Die Lebensgeschichte Heinrichs und seiner sechs Frauen ging als „Chronique scandaleuse“ um die Welt. 1491 geboren, bestieg er mit 18 Jahren den Thron. Der junge Mensch galt viele Jahre als „schönster Fürst Europas“; hochgewachsen, goldblond, mit glänzenden geistigen Gaben ausgestattet. Nichts ließ darauf schließen, daß er einst als feistleibiger Wanst, als „ruchloser Blaubart“ die Geschichte Englands mit unvergänglichem Gesprächsstoff bereichern würde. Jede seiner Frauen hatte ihn freiwillig geheiratet. Schneller als der Wind sich dreht, verdirbt Macht den Charakter; das gilt für Männer und für ruhmsüchtige Frauen.

Die erste Gattin war Katherina von Aragon, jüngstes Kind des spanischen Königspaares Ferdinand und Isabella. Spanien und England waren aus politischen Allianz-Gründen mit einer Heirat einverstanden. So kam es 1501 zur Eheschließung zwischen der 18jährigen Katherina und dem 15jährigen Sohn Heinrichs VII., Kronprinz Arthur, der nach einem Jahr starb. Um die reiche Mitgift Katherinas nicht zurückgeben zu müssen, verlobte man den neuen Kronprinzen Heinrich mit Katherina. Während der vieljährigen Verlobungszeit verliebten sich beide ineinander. Die Ehe wurde im Juni 1509 geschlossen. Ganz London jubelte über die Heirat. Heinrich, der aus einer vorerst nur ihm bekannten Sexualscheu heraus von „Versagungsangst“ heimgesucht wurde, erkannte in der Hochzeitsnacht, daß die Witwe, die er geheiratet hatte, Jungfrau war. Beglückt fühlte er sich; wovor hatte er sich eigentlich gefürchtet?

Als Königin erfüllte Katherina ihre Aufgabe „mit unerschütterlicher Würde“. Fast 22 Jahre währte die Ehe. Erst dann begann sich Heinrichs Heiratskarussell rasant zu drehen. Blindlings hatte er sich in die Hofdame Anne Boleyn verliebt. Um sie heiraten zu können, ließ er seine Ehe mit Katherina, die für ihn plötzlich als „sündhafte Verwandtenehe“ galt, durch den englischen Gerichtshof für ungültig erklären; das zog den Bannfluch des Papstes nach sich. Daraufhin ernannte sich Heinrich zum Oberhaupt der „Anglikanischen Kirche“. Die Katholikin Katherina erkannte die Auflösung ihrer Ehe nicht an. Als Verbannte lebte sie fortan in Kimbolton Castle. Anne Boleyn war am französischen Hof erzogen worden und 1521 nach London zurückgekehrt. Sie war von exotischem Aussehen und ungebärdigem Temperament. Ihr Betragen den vielen Verehrern gegenüber wurde als „sittsam und aufreizend zugleich“ gewertet. Genau diese Mischung nahm Heinrich für sie ein. Das kecke Fräulein vergab sich gegenüber dem König nichts. Sie setzte ihre Keuschheit als Druck-mittel gegen den immer begehrlicher werdenden Heinrich ein.

Im Dezember 1532 wurde die „keusche“ Anne dennoch schwanger; die heimliche Trauung fand im Januar 1533 statt. Unerhört an dieser Eheschließung war, daß Heinrich zu dieser Zeit noch nicht offiziell geschieden war. Bei Hof wurde indessen alles für die Geburt vorbereitet. Am 7. September wurde die zukünftige Königin Elisabeth I. geboren.

Anne, die ihre Zunge nie hatte zügeln können, ließ geschwätzig verlauten, „der König könne keine Frau befriedigen, in dieser Sache bewies er weder Geschick, noch Manneskraft“. Eine verhängnisvolle Äußerung; von Stunde an fühlte sich der dämonengläubige Heinrich von Anne verhext, „verführt und durch Wahrsagerei und Zauberformeln zu dieser zweiten Ehe gezwungen worden“. Annes Schicksal war besiegelt. Die teils auf intrigantes Gemunkel gestützte Anklage führte zur Hinrichtung am Morgen des 18. Mai 1536. Für die Ausführung des Todesurteils war der „Henker von Calais“ engagiert worden, „da er hervorragend das Schwert zu führen wußte“. Heinrichs dritte Ehe konnte in Szene gehen.

Schon längst hatte er ein Auge auf die scheue Edeldame Jane Seymour geworfen, so daß die Trauung – oh merry old England – bereits am Tage nach der Hinrichtung Annes vollzogen werden konnte. Der nun liebeserfahrene, mittlerweile mit beachtlichem Leibesumfang versehene König spürte Janes sexuelle Unschuld, einen Reiz, der ihn immer wieder gefangen nahm. Sie würde keine strapaziösen Ansprüche an ihn stellen und vielleicht konnte er dann problemlos Ehemann sein und Vater werden.

Jane enttäuschte Heinrich nicht. Lief zur Zeit der Eheschließung noch das Gerücht um, des Königs Impotenz sei unheilbar (er hatte sich einer Kur zur Heilung eines Hodentumors unterzogen), so geschah das nun heiß ersehnte Wunder; Sohn Edward wurde geboren, der aber jung verschied.

Zwölf Tage nach der Geburt war Heinrichs „über alles geliebte Ehefrau“ an Kindbettfieber gestorben. Diese Frau hatte Wärme in sein Dasein gebracht – und den Duft frischen Lavendels, den er aus der Kindheit kannte. Herrlich! Zum ersten Mal trauerte er um einen Menschen.

Doch bereits die nächste Königin kündigte sich an. Thomas Cromwell überredete Heinrich zur Ehe mit der deutschen Prinzessin Anna von Kleve. Doch Heinrich störte ihr ernstes Gesicht. Die Hochzeitsnacht geriet zum Desaster. „Ich mag sie nicht“, bekundete Heinrich. Anna konterte: „Und ich ihn auch nicht.“ Das sie keinerlei Schwierigkeiten bei der Scheidung machte, versah Heinrich sie mit hoher Apanage.

Nachfolgerin im Bett und auf dem Thron war die Hofdame Katharine Howard. Aus armer Familie stammend, mußte die junge Frau von der Möglichkeit, als Königin zu leben, überwältigt sein. Die kurze Ehe wurde im Februar 1542 durch Enthauptung Katharines wegen Untreue beendet. Im Gegensatz zu Anne Boleyn war die schon vor ihrer Heirat Liebeleien zugetane Katherine von ehelichen Verfehlungen nicht freizusprechen. Sie hatte sich in einen kompromittierenden Schriftwechsel mit dem Emporkömmling Thomas Culpepper eingelassen.

Heinrich fand eine sechste Frau. Er heiratete die Witwe Chatherine Parr anno 1544. Der stets „freundlichen und huldvollen“ Dreißigerin war es beschieden, Heinrichs Krankenpflegerin zu werden. Am Morgen des 28. Januar 1547 erlosch das Leben des 55jährigen. Er wurde – auf seinen strikten Wunsch – in der Sankt-Georgs-Kapelle zu Windsor neben seiner „wahren und liebenden Ehefrau Jane Seymour“ beigesetzt. Heinrich VIII. hatte seine „Chronique scandaleuse“ beendet. Aber es darf nicht unbeachtet bleiben, daß seine sechs Frauen – in vollem Wissen um die Persönlichkeit Heinrichs – dessen Lebenschronik mitgestaltet haben.


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