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21.06.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-08 vom 21. Juni 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

es sind doch oft die kleinen Dinge, die uns erfreuen. Ein netter Gruß, ein herzliches Dankeschön, ein paar anerkennende Worte, eine liebevolle Erinnerung, mit wenigen Worten geschildert – und schon flutscht alles viel besser. Sie werden oft auch in unserer Ostpreußischen Familie auf die lange Bank geschoben, weil die großen Suchfragen vordringlicher sind. „Bunte Nuschtkes“ pflege ich sie zu nennen, weil das so heimatlich klingt, aber sie sind mehr als das. Sie sind Puzzelteilchen in dem bunten Mosaik unseres Heimatbildes, in dem etwas fehlen würde, wenn es sie nicht gäbe.

Da ist ein Brief von Frau Inke Marie Schmitt aus „dem tiefsten Oberbayern“. Das Hofgut Heigenkam liegt nur sieben Kilometer vom Nordende des Tegernsees entfernt. Und dort steht sie, die ostpreußische Eiche aus Warpuhnen, 1960 gepflanzt, heute ein stattlicher Baum. Wann und wie sie dort Wurzeln schlug, lassen wir die Bayerin selbst erzählen:

„Unser Vater lag zu Beginn des Jahres 1950 im Sterben. Mutti brauchte dringend einen tüchtigen Verwalter für unsern Hof. Auf eine Anzeige meldete sich Herbert Liebelt aus Warpuhnen. „Onkel Herbert“, wie wir ihn später nannten, blieb und fühlte sich bald heimisch, stammten seine Vorfahren doch von den Salzburger Exilanten ab. Der Kreis schloß sich: Nun war der Ostpreuße aus seiner Heimat und von seinem Hof vertrieben und kam wieder zurück in die Nähe des Salzburger Landes. Ein Jahr später heiratete er unsere Mutter, eine Mecklenburgerin aus Grabow. Wie die auf den bayerischen Hof kam, ist eine Geschichte für sich. Herbert Liebelt übernahm den Hof und wurde meiner Schwester und mir ein geliebter Stiefvater. Hier war er hochgeachtet, die einheimischen Bauern akzeptierten den tüchtigen Landwirt als Ihresgleichen. Seine ostpreußische Heimat hat er nie wiedergesehen. Aber sein Schwager, der immer wieder heim fuhr, brachte ihm einmal den Eichenschößling aus dem Liebeltschen Wald in Warpuhnen mit.“ Und dieser Trieb wuchs an, wurde zum großen Baum, knorrig wie der alte Ostpreuße, der 2002 hochbetagt im Alter von 96 Jahren starb. Die letzten fünf Jahre war er krank. „Wir haben ihn zu Hause gepflegt und konnten ihm so die Liebe vergelten, die er uns 52 Jahre lang gegeben hat“, beendet Frau Schmitt ihren Brief. Sie und ihre Schwester sind zweimal in Ostpreußen gewesen und fühlen sich auch als Bayerinnen unserem Land verbunden. Was schon beweist, daß in ihrem Haus das Ostpreußenblatt gelesen wird  – seit 58 Jahren! Dafür und überhaupt ein herzliches Dankeschön, liebe Schwestern Schmitt aus Warngau.

Die Ostpreußen sind „aus zähestem deutschen Holz geschnitzt“ – das könnte auch auf den Landwirt aus Warpuhnen zutreffen, nicht nur im Hinblick auf die Eiche aus dem Wald seiner Väter. Aber ich finde diese Worte in einem Zeitungsausschnitt aus dem Jahr 1928, und sie bezeichnen eine Frau, die sich als „Hanneken“ in die deutsche Literatur eingeschrieben hat: Die Dichterin Johanna Wolff aus Tilsit. Anläßlich ihres 70. Geburtstages schrieb ihr der Literaturkritiker Albert Sexauer eine Laudatio, die in einer Karlsruher Zeitung erschien. Unsere Leserin Ingrid Gerlach fand die vergilbten Ausschnitte in einer Erstausgabe von „Hannekens große Fahrt“ und meinte, sie seien bei uns gut aufgehoben. Vielen Dank, liebe Frau Gerlach, beide Beiträge bereichern unser Archiv, denn sie bieten eine detaillierte Übersicht über das Leben und Schaffen der Dichterin. Schon damals galt Johanna Wolff als zu Unrecht vergessene deutsche Dichterin – das wollte vor allem Sexauer mit seinem Beitrag ändern. Wertvoll sind für uns die biographischen Angaben über Johanna Wolff, ihr „Hanneken“ wird als „echtes deutsches Volksbuch“ bezeichnet – für manche älteren Leserinnen ist es noch immer ihr Lieblingsbuch. Die Lobpreisungen des Verfassers mögen der damals 70jährigen gut getan haben, aber ob sie, die zu einer der frühen Vertreterinnen der ostdeutschen Frauendichtung zählt, sich selber als „tapferes, warmes Ostpreußenmädel“ gesehen hat, ist doch zu bezweifeln.

Diese für unsere Heimat nicht gerade typische Bezeichnung für ein junges feminines Wesen fand ich auch in dem Schreiben von Herrn Martin Koschwitz aus Flensburg, in dem es um ein Gedicht geht, das den Titel „Ostpreußenmädel“ trägt. Nie gehört, denn allgemein wird die junge ostpreußische Weiblichkeit in heimatlichen Poemen als „Marjell“ oder liebevoll „Marjellchen“ besungen, schließlich gibt es diese Spezies nur bei uns und sonst nirgendwo. Aber Ostpreußenmädel? Nun, das Poem hat seine Geschichte, und sie führt in die Nachkriegszeit. Damals war eine junge Ostpreußin in einer Flensburger Wäscherei tätig, Gerda Hermenau aus Praddau. Sie war mit der Köchin des Gutes geflohen, auf dem sie als Hauswirtschaftslehrling tätig war, hatte über See und Land schließlich Flensburg erreicht, wo ihre Schwester wartete. Die anderen Angehörigen der Familie hatten ein schweres Schick­sal zu erleiden, sie blieben im Osten, starben dort, Großvater wie Enkelkind, nur die Mutter und ihre Schwiegertochter kamen erst Anfang der 50er Jahre in den Wes­ten. Gerda Hermann fand 1947 ihren Lebensgefährten – keinen Ostpreußen „aber diesem liebenswerten Land und seinen liebenswerten Bewohnern verbunden“, wie Martin Koschwitz schreibt. Als sie heirateten, schenkten die Kolleginnen in der Wäscherei der jungen Frau als Abschiedsgedicht dieses Poem, das Herr Koschwitz nach dem Tod seiner im vergangenen Jahr verstorbenen Frau noch immer bewahrt. Nun fragt er, ob es allgemein bekannt ist und wenn, wer es verfaßt hätte. Gerda Koschwitz hatte immer behauptet, daß eine damalige Kollegin nur für sie dieses Gedicht geschrieben hätte, und das dürfte auch stimmen, denn es ist paßgenau auf die Empfängerin zugeschnitten und in sehr persönlichem Ton gehalten. Fünf Vierzeilen, deren Quint­essenz immer „Ostpreußenmädel“ lautet. Während der Anfang noch allgemein gehalten ist: „Wie die Sonne auf  reifende Felder lacht, tief wie der heimischen Wälder Nacht, klar wie der Bernstein am Meeresstrand, wie die Birke schlank im Heimatland: Ostpreußenmädel“, so wird im weiteren Verlauf die so Bezeichnete direkt angesprochen: „Stolz bist du, aufrecht und unverzagt, hast keinem Menschen dein Leid geklagt, dein Leben meisternd mit fester Hand...“ Und  der letzte Vers, in dem gewünscht wird, daß ihr die Sonne neu im Heimatland leuchten möge, endet dann mit „Mein Ostpreußenmädel“, womit wohl auf den Ehemann Bezug genommen wird. Dieser möchte nun wissen, ob das Gedicht wirklich seiner Frau gewidmet ist und von welcher Kollegin – vielleicht auch von mehreren – es verfaßt wurde. Er besitzt zwar noch das Original mit den Unterschriften der ehemaligen Mitarbeiterinnen, aber diese sind schwer lesbar. Vielleicht genügen ja auch diese Zeilen, eine der Frauen zu finden, die damals in der Flensburger Wäscherei gearbeitet haben, oder sogar die Verfasserin selber. Herr Koschwitz hofft, daß er klärende Zuschriften bekommt. (Martin Koschwitz, Twedter Markt 93, 24944 Flensburg).

Eure Ruth Geede


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