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21.06.08 / Schwerer Schicksalsschlag / Können Eltern sich vor dem plötzlichen Kindstod schützen?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-08 vom 21. Juni 2008

Schwerer Schicksalsschlag
Können Eltern sich vor dem plötzlichen Kindstod schützen?
von C. Taraschewski

Sie sterben vollkommen unerwartet über Nacht in ihren Betten: Der plötzliche Kindstod trifft fast jeden Tag ein Baby in Deutschland. Statistiken zufolge ist dieses Syndrom die häufigste Todesursache im ersten Lebensjahr. In den vergangenen Jahren ging die Sterblichkeit allerdings stark zurück – nicht zuletzt wegen der guten Aufklärungsarbeit über die Risikofaktoren, berichtet der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).

Lange Zeit konnten sich die Forscher einen solchen Tod nicht erklären. Denn die eigentliche Todesursache ließ sich auch durch anatomische Untersuchungen nicht feststellen. Nach mehreren Jahren Forschungsarbeit kristallisierten sich dann aber zunächst die Risikofaktoren heraus: Die meisten gestorbenen Babys schliefen in Bauchlage in ihren Betten, häufig in zu heißen oder zu feuchten Schlafzimmern. Viele der Kinder waren unter zu warmen Decken überhitzt. Waren die Eltern Raucher oder ließen sie ihre Kinder in einem separaten Zimmer schlafen, war die Sterblichkeit ebenfalls höher.

Was die Ursachen des plötzlichen Kindstods betrifft – dazu verfolgen Mediziner viele verschiedene, voneinander unabhängige Ansätze. Eine Theorie geht beispielsweise davon aus, daß abgeknickte Blutgefäße die Versorgung des Gehirns unterbrechen und der Sauerstoffmangel schluß-endlich zum Atemstillstand führt. Das kann schon durch eine falsche Liegeposition ausgelöst werden.

Wieder anderen Studien zufolge funktioniert bei den betroffenen Säuglingen die Notfallatmung nicht mehr richtig. Kinder, deren Atemwege durch das Liegen auf dem Bauch oder durch Gegenstände wie etwa ein Kissen blockiert werden, können demnach nicht mehr nach Luft schnappen und ersticken.

Sich bei der Erforschung des Phänomens allein auf die Ursachen zu beschränken, sei allerdings ein fataler Irrtum, sagt Thomas Erler, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Carl-Thiem-Klinikums in Cottbus. Er hält es für kurzsichtig, wenn nicht sogar gefährlich, die Prävention außer Acht zu lassen, denn die Suche nach Risikofaktoren und deren Vermeidung zeigt schon seit Jahren verläßliche Erfolge.

Für den Alltag ergibt sich aus den bisherigen Erkenntnissen eine ganze Reihe wichtiger Maßnahmen zur Vorbeugung. Dazu zählt, eine neue Matratze zu verwenden, anstatt sie von Kind zu Kind weiterzureichen.

Außerdem sollte darauf geachtet werden, daß das Kind weder in Bauchlage schläft, noch daß es beim Schlafen unter Decken oder Polster geraten kann. Ein Kissen hat im Kinderbett ebenfalls nichts zu suchen, denn das ausgeatmete Kohlendioxid könnte sich dort sammeln und wird dann anschließend wieder eingeatmet. Überhitzung verhindern kann ein Schlafsack, in dem der Säugling nicht verrutschen kann und der das Kind außerdem optimal warm hält.

Während der ersten Zeit, in der das Kind im Schlafzimmer schläft, kann auch auf Anzeichen wie kurzzeitige Aussetzer in der Atmung geachtet werden. Ein kurzes Stocken in der Atmung ist selbst bei Erwachsenen normal. Nur wenn diese sogenannten Apnoephasen länger als 20 Sekunden dauern, besteht Grund zur Sorge.

Andere Auffälligkeiten wie Schwitzen, Blaufärbung der Lippen oder der Schleimhäute, Blässe, schrilles Schreien, wiederholtes Verschlucken und Erbrechen sind Alarmsignale, die sofort mit einem Kinderarzt besprochen werden sollten, empfiehlt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte.

Der plötzliche Tod des Kindes über Nacht läßt bei den betroffenen Eltern ein Gefühl von Hilflosigkeit zurück. Sie werden nach einem solchen Schicksalsschlag oft von starken Schuldgefühlen geplagt. In den meisten Fällen muß bei diesem tragischen Verlust erst von der Polizei ausgeschlossen werden, daß Gewaltanwendung vorgelegen hat.

In dieser seelischen Krise, die auf einen solchen Vorfall folgen kann, können sich die Eltern an Beratungszentren wenden wie etwa die „Elterninitiative plötzlicher Kindstod“.

Eine neue Entwicklung könnte in Zukunft die Alarmsignale des schlafenden Säuglings kontrollieren: Forscher des von Heinrich Planck geleiteten Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik in Denkendorf haben drei Jahre an einem Strampler mit integrierten Sensoren gearbeitet, der permanent Herzschlag, Atmung, Körpertemperatur und Körperfeuchtigkeit des Säuglings überwacht.

Momentan wird das System in weiteren Untersuchungen getestet, um es in ein bis zwei Jahren auf den Markt bringen zu können, sagt der leitende Entwickler Hans-Jürgen Horter. Der Strampler soll die Eltern frühzeitig vor lebensbedrohlichen Situationen bei ihren Kleinen warnen.


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