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21.06.08 / Ausgebremst / Wenn Herzmuskelzellen wuchern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-08 vom 21. Juni 2008

Ausgebremst
Wenn Herzmuskelzellen wuchern
von Rosemarie Kappler

Die chronische Herzschwäche ist bei Patienten über 60 Jahren die häufigste Diagnose für Krankenhauseinweisungen. Ursachen gibt es viele. Sie reichen von den Folgen zu hohen Blutdrucks, über eine Mangeldurchblutung der Herzkranzgefäße und auch Virusinfektionen – zum Beispiel infolge einer Grippe – welche die Pumpfunktion des Herzens schwächen. Häufig ist auch eine Verminderung der Leistungsfähigkeit des Herzmuskelgewebes selbst die Ursache. Diese als Kardiomyopathie bezeichnete Herzmuskelerkrankung tritt in zwei Formen auf. Bei der dilatativen Kardiomyopathie dehnen sich die Herzhöhlen auf und werden größer, bei der hypertrophischen Form nimmt die Herzmuskelmasse zu, das Herz vergrößert sich. Warum die Herzmuskelzellen plötzlich unkontrolliert zu wachsen beginnen, darauf haben der Kardiologe Prof. Rainer Dietz und der Neurologe Prof. Matthias Endres an der Berliner Charité möglicherweise eine Antwort gefunden, die vielleicht sogar Wege für neue Behandlungsansätze eröffnen kann.

In ihrer in dem Fachmagazin „Nature Medicine“ veröffentlichten Arbeit weisen beide Forscher nach, daß das Protein 27 (p27) das Wachstum von Muskelzellen des Herzens kontrolliert. Bekannt ist das Protein bisher vor allem aus der Tumorforschung. „p27 wirkt wie eine Bremse auf das Zellwachstum“, erläutert Dietz. „Schaltet man die Bremse aus, wachsen die Zellen unkontrolliert. Es entsteht Krebs.“ Im Tierversuch zeigten die Wissenschaftler nun, daß sich dieser Mechanismus auch auf Herzmuskelzellen übertragen läßt: Schaltet man p27 bei Mäusen aus, kommt es unter Streßbedingungen zu einem krankhaften Wachstum von Herzmuskelzellen. „Gelingt es uns, diesen krankhaften Wachstumsprozeß in die richtigen Bahnen zu lenken, könnte man Herzmuskelzellen regenerieren“, erläutert Endres. „Das wäre ein entscheidender Durchbruch, da diese Zellen, einmal abgestorben, bislang nicht wieder nachwachsen können.“

Für Patienten mit Herzmuskelschwäche könnte das langfristig eine neue Perspektive sein, denn bisher kann man diese Krankheit nur symptomatisch behandeln: „Mit Hilfe verschiedener Medikamente können wir die Arbeit des Herzens erleichtern, jedoch nicht die Heilung des kranken Gewebes anregen“, sagt Dietz. Aber auch Schlaganfallpatienten können hoffen: Da nicht nur Herzmuskelzellen, sondern auch Nervenzellen kein regeneratives Wachstum aufweisen, könnten die neuen Erkenntnisse zu p27 langfristig auch dazu dienen, neue therapeutische Ansätze für den Schlaganfall zu entwickeln.


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