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21.06.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-08 vom 21. Juni 2008

 Mit Würstchen Warum die Iren das gar nicht durften, wie wir sie trotzdem kriegen, und wie schwer man den Geschmack auf der Zunge wieder loswird
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Das Diktatur-Ambiente muß auf Frank-Walter Steinmeier abgefärbt haben. Als der Außenminister während seiner Kuscheltour durch China vom Iren-Nein zum Lissabon-Vertrag getroffen wurde, drohte er dem unbotsamen Inselvolk sofort mit der Maximalstrafe: Rauswurf aus dem europäischen Integrationszug.

Demokratische Entscheidungsfreiheit? Mumpitz, auf das richtige Ergebnis kommt es an! Ach, wären wir doch in Afrika. Robert Mugabe darf seinen Simbabwern gar mit Krieg drohen, falls sie bei der Stichwahl am 27. Juni nicht für ihn stimmen. So betörend einfach kann die Kommunikation zwischen Politik und Volk laufen. In der EU geht das nicht so leicht. Das wird auch Steinmeier nach seiner Rück­kehr auf den demokratieverseuchten Boden Europas schnell gespürt haben. Hier muß man gerissener vorgehen.

Egal, erst einmal sind wir alle nur gallig auf die Iren. Gerade die! „Ohne die Union wäre Irland heute nicht eines der reichsten Länder Europas, sondern immer noch dessen Armenhaus, wie bei seinem Beitritt 1973“, wütet eine große deutsche Regionalzeitung. Ähnlich äußern sich viele Deutsche, womit wir unser ungebrochenes Verhältnis zur Tradition der „käuflichen Liebe“ bekräftigen: Wir haben euch bezahlt, also tanzt jetzt gefälligst nicht aus unserer Reihe!

Doch die Iren halten sich nicht an die Regeln des europäischen Gewerbes. Ein Grund dafür ist angeblich, daß sie den Lissabon-Vertrag nicht verstanden haben. Na und? Wir ebenso wenig. Niemand weiß, wie die EU eigentlich funktioniert, wer da wo das Sagen hat und mit welchen Recht überhaupt. Allein der Subventions­dschungel mit seinen Förderfonds-Giganten. Wer soll da durchsteigen? Allerdings, wenigstens was die Geldverteilung angeht, könnten ausgerechnet diese wirren Tage etwas Klarheit darüber gebracht haben, wie die EU wirklich funktioniert.

Wir fragen uns schon lange, wieso Deutschland selbst in seinen schlimmsten Krisenjahren Hauptnettozahler geblieben ist, während boomende Nationen wie  eben Irland absahnen durften. Jetzt erst erkennen wir das System dahinter: Länder, in denen das Volk nicht abstimmen darf, müssen zahlen, weil sich deren Steuerzahler gegen die Plünderung ohnehin nicht wehren können. Das viele Geld wird dann an die Staaten überwiesen, in denen Volksabstimmungen möglich sind, um deren Wähler geschmeidig zu schmieren. Böse Stimmen nennen so etwas „Abzocke“ hier und „Bestechung“ dort, sachkundige Europäer sprechen lieber von „Strukturhilfe“ oder „Kohäsionsfonds“ oder so, und natürlich von „europäischer Solidarität“.

Besonnene Beobachter lassen das Schimpfen auf die Iren sein und suchen lieber nach den Ursachen für den Bauchklatscher. Für sie bleibt es dabei: Die Bürger verstehen Europa zu wenig, man muß es ihnen näherbringen, die komplizierten Zusammenhänge und Mechanismen erklären.

Das hört sich recht bürgernah und sympathisch an, weil es so angenehm nach Einsicht klingt. Eigentlich. Indes, kennen wir diese Melodie nicht irgendwoher? Na klar, aus jeder Wahlsendung im deutschen Fernsehen. Dort stimmt sie der jeweils Unterlegene an. Nach dem Eingeständnis der Niederlage drechselt der Verlierer, daß er sein Programm „den Bürgerinnen und Bürgern im Land offenbar nicht hinreichend kommuniziert“ hat. Das Politikerdeutsch und bedeutet entweder „Das Volk ist tatsächlich noch viel blöder, als wir es uns im Wahlkampf ausgemalt hatten!“ oder „Zu dumm aber auch, daß uns die Wähler auf die Schliche gekommen sind mit unseren haltlosen Versprechungen und schwülstigen Phrasen.“

In der Tat haben viele Europäer den Eindruck, die EU sei ein Monstrum, wo auf verborgenen, labyrinthisch verschlungenen Pfaden ständig neue Sachen angeschoben werden, die später auf uns alle niederprasseln. Die Leute fühlen sich verkaspert, ja hintergangen von einem Bürokraten-Hofstaat, der sich ein Europa nach seinen Regeln bastelt, die deshalb so kompliziert gemacht sind, damit Kontrolle unmöglich bleibt.

Die Eurokraten fühlen sich von solchen Verdächtigungen schwer gekränkt. Sie meinten es gut und wollten Europa im Sinne aller Europäer nur voranbringen, entrüsten sie sich.

Und da gibt es jetzt viel zu tun, aber was? Ein neues Referendum, schlagen die einen vor, und die Urnenfolter so oft durchziehen, bis die Iren erschöpft zustimmen. Zu gefährlich, entgegnen die anderen. Sollen ziemlich stur sein, diese Iren. Daher prüfen EU-Rechtsexperten derzeit die Möglichkeit, den Iren ein paar Extra-Würstchen zu braten. Dann könnte man später sagen, daß der nun vorgelegte Vertrag mit Würstchen nicht mehr mit dem abgelehnten Entwurf ohne Beilage gleichzusetzen sei und daher vom irischen Parlament ohne neues Referendum durchgewinkt werden könne.

Raffiniert, was? Wie kunstvoll die Eurokraten auf verborgenen, labyrinthisch verschlungenen Pfaden zu ihrem Ziel kommen und dabei jede demokratische Kontrolle durch Regeln außer Kraft setzen, die sie selbst gebastelt haben und die außer ihnen niemand versteht, weshalb demokratische Kontrolle auch künftig unmöglich bleibt!

Zahlreiche Politiker mahnen denn auch zur Gelassenheit und betonen, daß die europäische Integration trotz aller Unebenheiten weitergehe. Sie haben recht, wie die geschilderten Überlegungen zur Überwindung der Irland-Krise beweisen: Es hat sich tatsächlich nichts geändert in Brüssel, ganz gleich, was Völker beschlossen haben mögen.

Die Lissabon-Würstchen für Dublin werden natürlich etwas kosten. Aber da werden wir uns als überzeugte Europäer nicht lumpen lassen; Geldgeschenke gehen deutschen Politikern „eingedenk unserer besonderen Verantwortung“ leicht von der Hand. Zumal die Überreichung der Präsente die Politiker stets in ein besonders nobles Licht taucht. Frank-Walter Steinmeier aalte sich beim Trip durch die chinesischen Erdbebengebiete sichtlich zufrieden in dem Glanz des Gönners. Etliche Millionen wird Deutschland aufbringen. Für die furchtbar geschlagenen Menschen dort sicher eine Hilfe, für Steinmeier  ein schönes Echo in den deutschen Medien. Nur uns bleibt ein fader Geschmack auf der Zunge.

Wer indes fragt, warum man Millionenhilfe in ein Land schickt, dem die Milliarden eines bewundernswerten Wirtschaftsaufschwungs nur so aus den Ohren quellen, dessen Staatsfonds ihre Heuschreckenglieder in alle Welt strecken, der steht in der Ecke des herzlosen Buhmanns („Haben Sie denn die entsetzlichen Bilder nicht gesehen, Sie ...?“). Also fragen wir: Warum schicken wir Millionen in ein Land, das mit seinen gewaltigen Etatüberschüssen alles allein bewältigen könnte, während wir Schulden machen? Ist das etwa Schutzgeld, um die Manager der chinesischen Milliardenfonds gnädig zu stimmen, damit sie uns verschonen? Oder ist es Ablaß für den Dalai Lama-Besuch? Oder Schmiergeld, um deutschen Firmen den Weg ins Kopisten-Dorado zu ebnen? Wir wissen es nicht, der Geschmack geht nicht weg.

So ein „Pelz auf der Zunge“ ist langlebig, Deutsche und Österreicher zeigen ihn sich gegenseitig bei jeder Gelegenheit, wie jetzt bei der EM. Dabei wissen die meisten gar nicht mehr, warum wir so innig „verfreundet“ sind. Die historischen Druckstellen spürt ja kaum noch einer. Wer „Königgrätz“ sagt, bekommt die Frage zurück, wann der König Grätz denn regiert habe. Und bei „Anschluß“ denken wir nur noch an den Ärger mit der Telekom.

Aber so ist das bei guten Traditionen nunmal: Sie bestehen fort, selbst nachdem ihr Urgrund längst der Vergessenheit anheimgefallen ist. So werden die „Ösis“ weiter voller Wonne in ihrer Giftigkeit auf den großen Bruder („Piefke!“) baden, während der seine zur Schau gestellte Herablassung („Öster ... was?“) genießt wie eine dicke Zigarre.


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