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28.06.08 / Angst vor Arbeit? / Berlin bezahlt 5000 Landesbedienstete fürs Nichtstun

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

Angst vor Arbeit?
Berlin bezahlt 5000 Landesbedienstete fürs Nichtstun
von Markus Schleusener

Egal ob in der Kneipe oder in der Pizzeria – es wird immer noch geraucht in Berliner Lokalen. Anders als in Dublin oder in Rom existiert Nichtraucherschutz in der deutschen Hauptstadt nur auf dem Papier. Wer hätte das gedacht, daß Italiener jemals folgsamer seien bei der Umsetzung von Vorschriften als Deutsche?

Der Staat hat das Gesetz erlassen, sorgt aber nicht für seine Umsetzung. Zunächst haben die meisten Gastwirte, nachdem das Verbot im Januar in Kraft trat, peinlich genau auf die Einhaltung geachtet. Doch das änderte sich sehr schnell. Schon Ende Januar stellte Christina B., eine Bedienung in der „Osteria Romana“ in der Uhlandstraße, auf Nachfrage wieder Aschenbecher auf die Tische. „Aber nur, wenn sich die anderen Gäste nicht beschweren“, hieß es erst noch zurückhaltend. Wenige Wochen später war das Qualmen in den meisten Läden wieder möglich.

Der Regelverstoß zieht ohnehin keine Konsequenzen nach sich. Der Senat hatte ursprünglich angekündigt, daß im ersten halben Jahr „ein Auge zugedrückt“ werden solle. Inzwischen wird allerdings klar: Selbst wenn die Ordnungsämter wollten – sie könnten die Anti-Rauch-Gesetze derzeit gar nicht durchsetzen, obwohl der 1. Juli näherrückt und damit das Ende der Schonfrist. Grund für die Machtlosigkeit der Behörden: Berlins Ordnungsämtern fehlt das Personal, um die rund 10000 Gaststätten und Kneipen der Hauptstadt zu kontrollieren.

Eigentlich sollten 88 Mitarbeiter auf Raucherjagd gehen. Sie sollten aus dem sogenannten „Stellenpool“ des Landes Berlin zu den Ordnungsämtern rekrutiert werden. In diesem Stellenpool (im Beamtendeutsch: zentrales Personalüberhangsmanagement, kurz: ZeP) sind alle öffentlich Bediensteten zusammengefaßt, die zwar einen Arbeitsvertrag mit dem Land Berlin haben und ordentlich bezahlt werden, für die es aber keine Aufgabe mehr gab.

Das Heer der weiterbezahlten, aber untätigen Landesbediensteten soll bereits auf etwa 5000 Personen angewachsen sein. Um ihre Vermittlung in neue Tätigkeiten kümmert sich eine eigene Behördenstelle. Die wirbt um die Stillgelegten mit blumigen Versprechen: „Unser qualifiziertes und hochmotiviertes Personal findet auch für Sie die beste Lösung.“

Der Lockruf trifft offenbar auf taube Ohren: Aus dem Stellenpool konnten lediglich 20 Personen gefunden werden, die bereit waren, für die Ordnungsämter die Einhaltung des Rauchverbots zu überwachen. Die anderen hatten kein Interesse an der neuen Aufgabe.

Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Bodo Pfalzgraf sagte dazu: „Das Interesse war sehr gering, da die Dienstzeiten nach 20 Uhr liegen und der Job auch kein ungefährlicher ist. Immer wieder wurden in der Vergangenheit Mitarbeiter des Ordnungsamtes angegriffen.“

Doch für andere Aufgaben geben sich die Kollegen aus dem Stellenpool nur ungern her. Beispiel Jugendschutz: Berlins Bezirke wollen mehr Mitarbeiter für den Kinder- und Jugendschutz. Sie sollten etwa bei Sozialhilfebezieher-Familie klingeln und nach dem Rechten schauen.

Doch auch das behagte den Angehörigen des „Stellenpools“ kaum. Wie vor kurzem bekannt wurde, hat der Senat zehn von 24 neuen Stellen bei den Jugendämtern mit „Einstellungen von außen“ besetzt. Nur 14 „ruhende“ Staatsbedienstete aus dem Stellenpool konnten in die neuen Arbeitsplätze vermittelt werden. Zukünftig soll es für die Berliner Bezirke, zu deren Verantwortungsbereich die Jugendämter gehören, noch schneller auf „Personal von außen“ zugreifen können. Die Bezirke haben dringend darum gebeten. Anscheinend können sie mit dem Personal aus dem stillgelegten Bestand nicht viel anfangen.

Aus den Jugendämtern heißt es zunächst formal, die Stellenpool-Leute hätten nicht die notwendige Ausbildung. Böse Zungen nennen das eine Ausrede. Der „Tagesspiegel“ mutmaßt, es mangele den Staatsangestellten, die ohne zu arbeiten ihre Bezüge bekommen, eher an der Motivation. Angestellte im öffentlichen Dienst, die nicht vermittelt werden wollten, machten „gravierende gesundheitliche Einschränkungen“ geltend, die einen fruchtbaren Einsatz unmöglich erscheinen ließen. Und weiter: „Bei vielen Bewerbern sei eine große Angst vorhanden, der verantwortungsvollen Aufgabe nicht gerecht zu werden.“ Beschäftigte der Privatwirtschaft, die ständig mit „verantwortungsvollen Aufgaben“ betraut sind, werden solche Ausreden wie Hohn empfinden.

Foto: Einfach weitergeraucht: Ein Gesetz wird zur Lachnummer, weil Kontrolleure fehlen.


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