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28.06.08 / Der Name des Wunders / 60 Jahre Deutsche Mark: Mehr als eine Währung – Symbol des Aufschwungs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

Der Name des Wunders
60 Jahre Deutsche Mark: Mehr als eine Währung – Symbol des Aufschwungs
von H.-J. Mahlitz

Was? So teuer? 40 Euro? Das sind doch glatte 80 Mark!“ So rechnen die Deutschen sich die vor sechseinhalb Jahren eingeführte EU-Gemeinschaftswährung zum Teuro um.

Vor 60 Jahren klang das noch ganz anders. Wer damals meinte: „40 D-Mark – das sind doch über 600 Reichsmark!“, wollte damit die soeben neu eingeführte Währung der drei Westzonen keineswegs schlechtreden. Im Gegenteil, in den Jahren der Not und des Hungers nach dem Ende des Krieges hatten die Menschen die bittere Erfahrung machen müssen, daß ihr Geld, ihre Reichsmark, so gut wie gar nichts mehr wert war. In Deutschland blühten Tauschhandel und Schwarzmarkt, für das immer noch reichlich vorhandene amtliche Zahlungsmittel RM konnte man nichts kaufen, die wahre Währung hieß Lucky Strike und war, selbst wenn sie sich letzt­endlich bestimmungsgemäß in blauen Dunst auflöste, allemal stabiler als das Papiergeld. Da freute man sich darauf, endlich wieder „richtiges Geld“ in die Finger zu bekommen.

Jedermann im Lande war klar, daß Deutschland, um wieder Tritt fassen zu können, einen klaren Währungsschnitt brauchte. Erste Pläne dafür gab es schon lange vor Kriegsende. So hatten unabhängig voneinander bereits 1944 die Nationalökonomen Paul Binder, Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack und Adolf Weber sehr konkrete Vorstellungen in der – sorgfältig vor den damaligen Machthabern gehüteten – Schublade.

Einer von ihnen, der spätere Wirtschaftminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard, gilt zu Recht als „Vater des Wirtschaftswunders“. Dieses „Wunder“ hat einen Namen: Deutsche Mark. Die Währungsreform vom 20. Juni 1948 markiert die Wende – von nun an ging’s bergauf.

 Die D-Mark, heute im nostalgischen Rückblick zum nationalen Identitätsträger hochstilisiert, war das Geld der Sieger, vor allem der Amerikaner. In deren Hauptstadt waren schon ein Jahr nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht die Grundsatzentscheidungen gefallen. 1947 hatte man mit dem Druck des neuen Papiergelds begonnen.

Parallel dazu durfte eine deutsche Expertengruppe in der Nähe von Frankfurt a. M. den sogenannten Homburger Plan erarbeiten, von dem die Autoren irrtümlich glaubten, er könne noch wesentliche Impulse zur Neuordnung des deutschen Geldwesens geben.

Das Doppelspiel der Amerikaner erreichte einen grotesken Höhepunkt, als in einer Nacht- und Nebelaktion 25 deutsche Währungsexperten ins Nordhessische verfrachtet und in einer Kaserne in Rothwesten (Fuldatal) bei Kassel interniert wurden. Während sie mit den Amerikanern, allen voran Edward Tenenbaum (s. links) darüber zu streiten wähnten, mit welchem Geld die Deutschen Not und Elend überwinden sollten, transportierten eben diese Amerikaner tonnenweise die längst gedruckten DM-Noten über den Atlantik. Erst am 8. Juni 1948, zwölf Tage vor dem bereits festgelegten „Tag X“, ließ man die deutschen Experten mit leeren Händen nach Hause gehen.

Dann ging alles ganz schnell, ganz so, wie man es in Washington geplant hatte: Am Abend des 18. Juni erfuhren die Deutschen offiziell Einzelheiten der Währungsreform. Zwei Tage später, am Sonntag, 20. Juni, sollte das neue Geld ausgegeben werden. Jeder Deutsche in den drei Westzonen, vom Säugling bis zum Greis, erhielt 60 DM Bargeld – 40 sofort, 20 ein paar Wochen später. Dafür mußten aber pro Kopf 60 Reichsmark abgeliefert werden. Alle darüber hinaus gehenden RM-Bestände wurden nominell im Verhältnis zehn zu eins abgewertet. Da aber zahlreiche Konten  und Sparbücher zunächst gesperrt und später großenteils (ca. 70 Prozent!) ganz gestrichen wurden, ergab sich ein tatsächlicher Umtausch­kurs von 100 zu 6,50.

Trotz strengster Geheimhaltung ahnten die meisten Menschen im Frühsommer 1948, daß eine Währungsreform unmittelbar bevorstand. Die Folge: ein Volk auf der Flucht in die Sachwerte. Jeder versuchte, seine Reichsmark loszuwerden, doch in den Geschäften wurde die Ware für den Tag X gebunkert. So gab es bis zum 20. Juni viel Geld, aber nichts zu kaufen, und am Tag danach plötzlich volle Schaufenster und viel mehr Waren, als man mit 40 Mark Kopfgeld hätte kaufen können.

Nun aber schlug die Stunde des Ludwig Erhard. Gegen den Widerstand der Siegermächte schaffte er es, seine Idee einer freien Marktwirtschaft mit starker sozialer Komponente umzusetzen. Vier Jahre später, im Herbst 1952, erfuhr dieses System mit dem Lastenausgleichsgesetz jene innere Balance, die den starken wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichte. Auf der Basis von Fleiß, staatlich geförderter Leistungsbereitschaft, gerechterer Verteilung von Kriegsfolgelasten und Linderung sozialer Härten wurde Ludwig Erhard so zum Vater der Sozialen Marktwirtschaft. Und der Titel seines Buches steht zugleich für sein Lebenswerk: Wohlstand für alle. Leider ist die Balance inzwischen verlorengegangen – heute haben wir immer mehr „Sozial“ und immer weniger „Markt“. Hildegard Knef hatte wohl doch recht, als sie einst sang: „Von nun an ging’s bergab“.

Mancherlei historische Bezüge drängen sich auf. DM wie Euro bekamen wir nicht aus eigenem Willen eines Volkssouveräns, sondern wurden von außen damit „beglückt“. Im einen Fall von US-Plutokraten, im anderen von Brüsseler Eurokraten.

Beide Währungsreformen hatten auch mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs zu tun. Die Einführung der D-Mark in den drei Westzonen, der die Berlin-Blockade durch die Sowjets folgte, besiegelte die Teilung Deutschlands; der Euro war angeblich der Preis für die Wiedergewinnung der kleindeutschen Einheit.

Für Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ jedenfalls war die Währungsreform vom 20. Juni 1948 – auch wenn er sie sich anders gewünscht hatte – eine unverzichtbare Voraussetzung; die D-Mark steht zu Recht als Symbol dafür. Einen kritischen Nachsatz müssen die DM-Nostalgiker sich allerdings gefallen lassen: Einem Volk, das nationale Identität nur noch aus dem  Namen eines Zahlungsmittels schöpft, droht geistige und moralische Verarmung. Und das wäre im wörtlichen wie im übertragenen Sinne das Gegenteil von „Wohlstand für alle“.

Foto: Letzte Goldprägung der D-Mark: Abschied nach über 53 Jahren im Jahr 2002

 

Zeitzeugen

Ludwig Erhard – Der spätere Wirtschaftsminister und Kanzler Erhard (1897–1977) gilt fälschlich als Vater der D-Mark. Das war er nicht, doch indem er sich als Wirtschaftsdirektor der Trizone über die Anweisungen der Besatzer hinwegsetzte und die Rationierungen parallel zur Währungsreform weitgehend abschaffte, wurde er zum Auslöser des Wirtschaftswunders.

 

Edward A. Tenenbaum – Der vergessene Held: Der damals erst 26jährige US-Leutnant Tenenbaum (1922–1976) konzipierte in Wahrheit die Einführung der neuen Mark im Westen. Über Bedenken deutscher Experten, die die D-Mark-Einführung mit einer langen Reihe weiterer sozialer und wirtschaftspolitscher Maßnahmen befrachten wollten, ging der junge Finanzfachmann hinweg.

 

Lucius D. Clay – US-General Clay (1897–1978) war zum Zeitpunkt der Reform Militärgouverneur der amerikanischen Zone und damit Tenenbaums Chef. Den Deutschen ist er als Initiator der Luftbrücke für das kurz nach der D-Mark-Einführung blockierte Berlin in Erinnerung.

 

Henry Meyer – Die Währungsreform in den Westzonen sorgte über Nacht zu einer „Reichsmark-Schwemme“ gen Sowjetzone, weil dort das alte Geld noch gültig war. Eine immense Inflation drohte die ohnehin schwer angeschlagene Reichsmark vollends zu entwerten. Der Chef der „Deutschen Zentralfinanzverwaltung“ (DZFV) der Sowjetischen Besatzungszone, Henry Meyer (1904–1975), mußte blitzschnell reagieren und die Einführung der Deutschen Mark Ost organisieren. Aus seiner DZFZ ging später die Deutsche Notenbank der DDR hervor.

 

Fritz Schäffer – Hart und verläßlich sollte die neue Währung sein. Daß sie es auch wurde, ist insbesondere Adenauers Bundesfinanzminister von 1949 bis 1957 zu verdanken: Fritz Schäffer (1888–1967). Der CSU-Politiker war als eiserner Sparminister so geachtet (beim Volk) wie gefürchtet (im Kabinett). Statt Schulden zu machen, häufte Schäffer eine stattliche Rücklage an, die im Volksmund – angelehnt an das Berliner Goldreservelager des Kaiserreichs – „Juliusturm“ hieß.


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