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28.06.08 / Noch stimmt nicht alles / Das Ende der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft hinterläßt nicht nur »Sonnenschein«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

Noch stimmt nicht alles
Das Ende der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft hinterläßt nicht nur »Sonnenschein«
von Martin Schmidt

Durch den Störfall im Atomkraftwerk Krsko ist Slowenien in die Schlagzeilen der internationalen Medien geraten. Auch die Ende Juni auslaufende Ratspräsidentschaft des kleinen Staates, der als erster ostmitteleuropäischer EU-Neuling diese Aufgabe wahrgenommen hat, wird für Gesprächsstoff sorgen. Denn dann heißt es, die Stärken und Schwächen jenes „Muster-Reformlandes“ ins Bewußtsein zu rücken, das vor seiner Aufnahme in die europäische Staatengemeinschaft die Konvergenzkriterien am besten erfüllte, das eine hohe durchschnittliche Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung aufweist und in dem bereits seit Januar 2007 mit dem Euro gezahlt wird. Zur Kehrseite gehören unter anderem die diplomatischen Unzulänglichkeiten im Fall Krsko, die bloße Marionettenrolle der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft gegenüber den USA in der Kosovo-Frage und die in jüngster Zeit explodierende Inflationsrate (im Mai waren es 6,4 Prozent gegenüber 2,9 Prozent im Mai 2007). 

Jenseits solcher tagespolitischer Vorgänge sollten allerdings auch die großen Entwicklungslinien dieser mitteleuropäisch geprägten Region zwischen Karawanken und Adria Beachtung finden. Die Slowenen gelten zu Recht als fleißiges und sparsames Völkchen. Wer heute aus Deutschland kommend ihren Siedlungsraum bereist, wird von einer modernen Infrastruktur, schmucken Städten und Dörfern und zahlreichen neugebauten noblen Privathäusern überrascht. Die slowenische Exportwirtschaft ist innovativ und erfolgreich. Das Land ist, von einer kleineren Bevölkerungsgruppe an Wendeverlierern und wenigen entlegenen strukturschwachen Gegenden abgesehen, alles andere als ärmlich, hat im großen und ganzen wirtschaftlich zu den EU-Altmitgliedern aufgeschlossen, in mancher Hinsicht selbst Deutschland bereits überholt (beispielsweise in bezug auf die Qualität der Fernstraßen). Die geschichtliche Zugehörigkeit zur österreichisch-ungarischen Donaumonarchie hinterließ nicht nur in der Hauptstadt Laibach (Ljubljana) zahllose Spuren, so daß Slowenien dem deutschen Besucher sehr vertraut erscheint.

Wer länger in Slowenien weilt, sollte sich zumindest für Plecniks Jugendstilglanz in der Hauptstadt Laibach Zeit nehmen oder auch die kulinarischen Verlockungen studieren – von den verschiedenen Weinanbaugebieten bis zum weit verbreiteten Imkerwesen. Letzteres ist aus deutscher Sicht insofern von Interesse, als ein Großteil des Honigs aus der abgelegenen Gottschee im Süden stammt, einer früheren deutschen Sprachinsel. Eingebettet in schwer zugängliche Wälder lebten hier seit dem Mittelalter vor allem aus Thüringen und Südtirol stammende Kolonisten. Im Jahre 1910 waren es rund 14000. Der Großteil der Volksgruppe ist während des Zweiten Weltkrieges auf Weisung Hitlers ins Großdeutsche Reich umgesiedelt worden, während ihre Heimat durch den Partisanenkrieg zerstört und später durch die neuen jugoslawischen Machthaber verfremdet wurde. Heute leben in der Gottschee nur noch etwa 300 Deutsche, die sich in einem „Altsiedlerverein“ zusammengeschlossen haben.

Weitaus deutlicher sind die deutschen Spuren im einstigen Herzogtum Krain im Norden sowie in der Untersteiermark im Osten auszumachen. Als deutscher Reisender sollte man sich den See von Veldes (Bled) mit der  Barockkirche Hl. Maria im See ansehen, desgleichen das pittoreske Städtchen Bischofslack (Skofja Loka), dessen Grundsteine bereits im 10. Jahrhundert von den Freisinger Bischöfen gelegt worden waren, und natürlich die städtebaulichen Perlen Marburg an der Drau (Maribor) und Pettau (Ptuj). An den Landstraßen der Krain stehen „Krompir“ zum Verkauf (Grumbeeren = Kartoffeln) und verweisen auf die starken Einflüsse des Deutschen auf die slowenische Sprache.

Zahlreiche andere kulturelle und historische Gemeinsamkeiten verbinden Deutsche (einschließlich der Österreicher) und Slowenen aufs engste. Dennoch oder wohl gerade deshalb ist das Verhältnis eher problematisch, auch wenn der Verfasser bei einer dreiwöchigen Reise im Sommer 2007 keinerlei Ressentiments zu spüren bekam. Daß die Regierung in Laibach für die bürokratische Herausforderung der EU-Ratspräsidentschaft ganze Heerscharen französischer Berater, jedoch keine deutschen Diplomaten beschäftigte, ist bezeichnend (ebenso, daß die Grande Nation diese Gelegenheit zur eigenen Interessenwahrung mit herbeigeführt hatte).

Ähnlich wie die Tschechen hegen viele Slowenen einen Drang zur Abgrenzung vom großen Nachbarvolk, in das die eigenen Vorfahren beinahe assimiliert worden wären. Insbesondere in der Untersteiermark, also im Raum Marburg und Pettau, haben diese durch den Zweiten Weltkrieg nachhaltig verstärkten Vorbehalte bis heute gravierende politische Folgen. Denn dort liegt das Zentrum der heimatverbliebenen deutschen Minderheit, die als solche durch den slowenischen Staat skandalöserweise noch immer nicht anerkannt wird.


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