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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008
Diplomatentisch für Sanssouci gerettet Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) konnte den französischen Schreibtisch Friedrichs des Großen für Schloß Sanssouci sichern. Zu Beginn des Jahres 2002 stellte eine Erbengemeinschaft überraschend Antrag auf Restitution des Schreibtischs im Schloß Sanssouci. Der im Ergebnis ausgehandelte Rückkauf stellt einen Glücksfall dar, hätte die Abgabe des Ebenistenmöbels doch einen empfindlichen Verlust für die kostbare Ausstattung des Weinbergschlosses bedeutet. Diese glückliche Lösung eines Restitutionsfalls des NS-bedingt entzogenen Kulturgutes ist der Unterstützung der Kulturstiftung der Länder sowie der Erbengemeinschaft zu verdanken. Der Tisch ist aufgrund seiner großen Bedeutung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen. Seit 2003 untersucht die SPSG ihre Bestände systematisch auf die Existenz unrechtmäßig entzogenen Kunstgutes. Dabei wurde festgestellt, daß zirka 1000 Objekte vermutlicher Fremdbesitz sind, also die Eigentumsfrage zu überprüfen ist. Viele dieser Objekte zählen zu großen Konvoluten, darunter eine Bibliothek mit über 600 Büchern. Weiterhin sind es unter anderem Gemälde, Skulpturen, Möbel, Graphik, Porzellan und Metallgegenstände. In den meisten Fällen befinden sich die Kunstwerke aufgrund ihres geringen künstlerischen Wertes oder der fehlenden Beziehung zum Sammlungszusammenhang der SPSG bereits seit Jahrzehnten in den Depots. Der Fremdbesitz gelangte aus unterschiedlichsten Herkunftsbereichen in die Bestände der SPSG. Der Großteil stammt aus brandenburgischen Schloßbergungen, die im Rahmen der Bodenreform durchgeführt wurden, anderen Enteignungen der Sowjetischen Militäradministration, aber auch aus fehlgeleiteten Kriegsverlagerungen, sowohl aus privater Hand als auch von anderen deutschen Museen. Auch fehlgeleitete Rückgaben von Museumsgut, das anläßlich der sowjetischen Rückgabeaktion von Beutekunst 1958/59 nach Potsdam kam, konnten in den Beständen identifiziert und restituiert werden. In den vergangenen drei Jahren wurden 70 Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben. Schloß Sanssouci wurde 1745 bis 1747 nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erbaut. Für sein Schlafzimmer, das auch als Arbeitsraum diente, ließ der Monarch im Herbst 1746 in Paris durch Friedrich Graf von Rothenburg den Schreibtisch gemeinsam mit einem Aktenschrank erwerben. Als Schöpfer wird der berühmte Ebenist (Kunsttischler) Jean-Pierre Latz angenommen. Der Restitutionsfall war auch Anlaß für umfangreiche kunsthistorische und naturwissenschaftliche Analysen des Schreibtischs. Von Fachleuten war die Frage aufgeworfen worden, ob es sich um ein Stück des 19. Jahrhunderts handeln könnte. Holzbiologische und dendrochronologische Untersuchungen haben die Zweifel an der Echtheit des Schreibtisches jedoch nicht bestätigt. Der Diplomatentisch ist mit exotischem Satinholz furniert. Das Konstruktionsholz ist Eiche. Der Korpus ist mit feuervergoldeten Bronzebeschlägen in Form von Rocaillen, Akanthusranken und Palmwedeln dekoriert. Auffälligster Schmuck sind die zierlichen vollplastischen Bronzeköpfe in den Einziehungen der Beine – zwei Mädchen- (sogenannte „Espagnolettes“) und zwei Jünglingsköpfe. In dem überaus reichen, filigranen Bronzeschmuck, der sich über das gesamte Möbel zieht, ist die Vorliebe Friedrichs des Großen für kostbare Bronzeobjekte zu erkennen. Mit seinen lebendig geschwungenen Pflanzenranken fügt sich der Schreibtisch harmonisch in die Raumgestaltung von Sanssouci ein. In der Innenarchitektur des Baus lassen sich zahlreiche Naturbezüge finden, etwa Eichen- und Weinlaubblätter an den geschnitzten und vergoldeten Konsoltischen in der Kleinen Galerie. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Schreibtisch um eine Auftragsarbeit für den preußischen Monarchen. Welche Bedeutung er für Friedrich II. einnahm, läßt sich an dem Umstand ablesen, daß er sowohl den Schreibtisch als auch den Aktenschrank in anderer Materialkombination kopieren beziehungsweise vereinfacht nachbilden ließ; diese Möbel sind, von einer Ausnahme abgesehen, in den Potsdamer Schlössern beziehungsweise in Warschau erhalten. König Friedrich Wilhelm II. ließ das Schlafzimmer im Schloß Sanssouci im Stil des Klassizismus umgestalten. Einen Teil der Möbel seines Onkels und Vorgängers verschenkte er an den Kastellan, darunter den prächtigen französischen Schreibtisch. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts kehrte der Diplomatentisch in die preußischen Schlösser zurück. Auf einem Interieur-Aquarell ist er um 1860 im Berliner Stadtschloß zu sehen. Wohl 1873 brachte man ihn ins Neue Palais nach Potsdam. Aus ungeklärten Gründen wurde der Schreibtisch 1924 an Prinz Wilhelm, den letzten deutschen Kronprinzen, nach Schloß Oels in Schlesien abgegeben. Von dort gelangte er 1926 an die Altkunst Antiquitäten GmbH in Berlin. Deren Direktor, der jüdische Kunsthändler Jakob Oppenheimer, und seine Ehefrau Rosa erbten drei Jahre darauf die Firma und mit ihr den Schreibtisch. Als Jakob Oppenheimer im März 1933 aus Berlin fliehen mußte, um einer bevorstehenden Verhaftung zu entgehen, nahm er den Schreibtisch mit ins Exil nach Paris. Im Februar 1934 wurde ihm in Deutschland eine Reichsfluchtsteuer auferlegt. In der Hoffnung, seinem Sohn eine spätere Rückkehr zu ermöglichen und um seinen Schwiegersohn zu schützen, beglich Jakob Oppenheimer diese im Januar 1935 mit der Abgabe des Schreibtisches an das deutsche Finanzministerium, das den Schreibtisch unmittelbar danach an die Schlösserverwaltung übergab. In der Reihe „Patrimonia“ der Kulturstiftung der Länder erscheint aus Anlaß des Rückkaufs eine Publikation, die, illustriert durch zahlreiche Neuaufnahmen und historische Grafiken und Fotografien, die wechselvolle Geschichte des Schreibtisches nachzeichnet. Die Darstellung wird durch zwei Beiträge zu Furnier und Holzkonstruktion sowie zu Material und Technik der Bronzebeschläge ergänzt. SPSG Foto: Schreibtisch Friedrichs des Großen samt zugehörigem Aktenschrank: Wenigstens er bleibt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) nun erhalten. |
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