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28.06.08 / »Weg nach Nirgendwo« / Polen und Russen planen gemeinsam eine Wiederbelebung der alten Reichsstraße Nr. 1

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

»Weg nach Nirgendwo«
Polen und Russen planen gemeinsam eine Wiederbelebung der alten Reichsstraße Nr. 1
von Jurij Tschernyschew

Berlinka“ nennen heutige Königsberger die Fernstraße, die in den 30er Jahren als „Reichsstraße Nr. 1“ erbaut wurde und Königsberg über Elbing mit der deutschen Hauptstadt Berlin verband. Ihre Erbauer konnten mit Recht stolz auf ihr Werk sein. In der damaligen Zeit galt die Straße als eine Errungenschaft des Ingenieurwesens, weil sie ein hohes Verkehrsaufkommen bewältigen konnte und durch ihr Ausmaß insgesamt beeindruckte.

Hätte man damals ahnen können, daß die Autobahn nur wenige Zeit später überflüssig sein würde? Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie durch die Grenze zwischen der UdSSR und der Volksrepublik Polen unterbrochen. Während des „Kalten Krieges“ verlor die vorherige Hauptverbindungsstrecke ihre Bedeutung, da für den spärlichen Grenzverkehr, an dem im Grunde lediglich Personen teilnahmen, die offiziellen Delegationen angehörten, der Grenzübergang in Pr. Eylau (Bagrationowsk) genügte.

So wurde die Straße, die einst höchste staatliche Bedeutung hatte, vernachlässigt. An ihrem Verlauf gab es keine einzige größere Siedlung. Am Ende des Wegs befand sich eine geschlossene Grenze. Und das im wortwörtlichen Sinn – auf beiden Seiten eines geschlossenen Tores befanden sich Stacheldrahtzäune. In dieser Zeit entstand die zweite, inoffizielle Bezeichnung „Weg nach Nirgendwo“. Mit der Zeit verwilderte die Umgebung der Straße. Die „Berlinka“ selbst blieb ohne jeden Ausweg dem Verfall überlassen. Es schien, als habe sie keine Zukunft mehr.

Inzwischen verheißt die Nutzung dieser Fernstraße einen nicht unbedeutenden Gewinn im internationalen Handel, da sie die Kosten der Speditionen senken kann. Anfang der 90er Jahre, zu Zeiten der Perestrojka, gab es erste Bestrebungen zur Wiedergeburt der „Berlinka“: Man müsse sie instandsetzen und auf ihr einen Grenzübergang einrichten. Doch in den vergangenen Jahren ist in dieser Richtung nichts passiert. Dennoch haben in letzter Zeit erste Arbeiten begonnen. Entlang der „Berlinka“ wurden Straßenschilder aufgestellt und neue Markierungen angebracht. Auf den letzten 14 Kilometern vor der polnischen Grenze sind noch Betondecken aus der Vorkriegszeit gut erhalten geblieben. Die Straße ist in letzter Zeit belebter, man kann wieder Verkehr auf ihr beobachten. Unweit der Grenze wurde sogar eine Tankstelle gebaut.

Doch wann ist ein Ende der „Berlinka“ als „Weg nach Nirgendwo“ in Sicht? Vor kurzem trafen sich Repräsentanten aus Königsberg und Elbing, um einen Vertrag über die Zusammenarbeit beider Städte für zwei Jahre zu unterschreiben. Ein Schlüsselpunkt dieses Vertrags betrifft die Bauarbeiten einer Straße, die mit Unterstützung der Europäischen Union durchgeführt werden sollen. Planmäßig soll dies im ersten oder zweiten Quartal 2009 geschehen. Wenn dies tatsächlich eintreffen sollte, dann beginnt die alte Reichsstraße Nr. 1 ihr neues Leben in ihrem Jubiläumsjahr, denn die Bauarbeiten an der Straße wurden 1939 abgeschlossen,

Am Stadtrand von Königsberg, nicht weit von der „Berlinka“ entfernt, gibt es eine Brücke, die die Königsberger „Berliner Brücke“ nennen, obwohl sie überhaupt keine Verbindung mit der berühmten Berliner Fernstraße hat. Die Brücke wurde 1935 fertiggestellt. Sie hieß damals „Palmburger Brücke“, genannt nach dem in der Nähe befindlichen Ort Palmburg (heute Pribreschnoje). Schon während des Baus waren in den Brückenpfeilern Minenkammern vorgesehen, die eine bestimmte Menge Sprengstoff aufnehmen konnten. Auf diese Weise war die Brücke schon für eine Sprengung vorbereitet, die dann in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 1945 erfolgte, als die Rote Armee auf die Vorstädte Königsberg vorrückte. Anfang der 70er Jahre wurde ein Fahrstreifen erneuert, heute fließt der Verkehr in beiden Richtungen, eine Verbreiterung und ein Umbau der Brücke wird diskutiert. Es ist gut möglich, daß es im Königsberger Gebiet bald eine „Berliner Brücke“ und eine „Berliner Fernstraße“ geben wird.

Foto: Straßenidylle: Noch erinnert hier nichts an eine bedeutende Verkehrsader.


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