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28.06.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,                   

liebe Familienfreunde,

heute gehen wir weit in die Vergangenheit zurück, hundert Jahre und noch länger. Es gibt eben Ereignisse, die beschäftigen uns, auch wenn wir keine persönlichen Beziehungen zu den damals handelnden Personen hatten oder haben. Sammler bekommen das oft zu spüren, wenn sich ein Brief, ein Dokument, ein Buch oder Bild nicht nur als Objekt erweist, sondern ein menschliches Schicksal offen legt, das zum Nachdenken anregt. Oder zum Nachforschen – wie der Brief, den unser Leser Norbert Haack aus Duderstadt schon länger in seiner postalischen Sammlung hat. Er ist kein Ostpreuße, aber sehr an der Geschichte und Kultur unserer Heimat interessiert und deshalb auch langjähriger Bezieher unserer Zeitung. Jetzt wendet er sich erstmals an uns, weil er hofft, daß er über den in dem Schreiben geschilderten Vorfall von einem in der ostpreußischen Militärgeschichte bewanderten Leser die fehlenden Informationen erhofft. Es geht um ein Problem, das auch heute in aller Welt immer wieder die Menschen beschäftigt: Mißhandlungen innerhalb der Truppen. Geschrieben hat ihn ein Unteroffizier des Grenadier-Regiments Friedrich-Wilhelm I (2. Ostpr.) Nr 3. in Königsberg am 5. November 1904. Uffz. Paul Heibutzki teilt seinen Verwandten in Berlin mit, daß seine Kompanie aufgelöst und er somit aus dem Militärdienst entlassen wird. Mit kurzen Worten teilt er seinen Verwandten mit, was geschehen war:

„Lieber Onkel und Tante! Was ich schon immer sagte, daß ich nicht 12 Jahre dienen werde, wird sich in der nächsten Zeit bewahrheiten. Am 1. April d. J. kam von unserer Kompanie ein Lehrer zur Entlassung. Dieser klagte nun im Herbst sämtliche Offiziere und Unteroffiziere von uns dem Oberst an wegen Mißhandlungen der Leute. Unsere Sache ist jetzt beim Kriegsgericht und die ganze Kompanie ist alle Tage zum Verhör. Wir werden jedenfalls alle bestraft werden. Ebenso müssen wir sofort nach Verbüßung der Strafe losgehen. Diesen Vorfall habe ich auch nach Hause geschrieben. Daß man nun nach Hause nicht gehen kann, ist doch selbstverständlich. Wenn beim Urteil keine Degration vorliegt, so kommt man schließlich noch als Schutzmann in Hamburg an. Im anderen Falle muß man wieder von Anfang an, etwas zu lernen. Natürlich in Berlin. Oder vielleicht erhalte ich einen Posten meinem Wissen entsprechend. Ja, so sieht es aus, wenn man kein Glück im Leben hat. Sobald die Hauptverhandlung gewesen und das Urteil verkündet ist, werde ich Dir auch Bescheid schreiben. Jedenfalls wird unsere ganze Kompanie aufgerieben werden. Behalte noch alles als ein Geheimnis für Dich und Deine Frau. Besten Gruß Dein Neffe Paul.“

Das Geheimnis wird bald keines mehr gewesen sein, denn dieser Vorfall dürfte doch weite Kreise in Königsberg gezogen haben. Das Gren.-Regt. Friedrich-Wilhelm I. war ja schließlich nicht irgendeines. Wie lautete das Urteil des Kriegsgerichtes, was geschah mit den angeklagten Offizieren und Unteroffizieren? Welchen Weg das Schicksal des Briefschreibers nahm, der sich selber als Pechvogel sah, wird wohl niemand mehr klären können. Sein Schreiben an den Onkel Fr. Napiwotzky in der Berliner Brandenburgstraße läßt zwischen Zeilen erkennen, daß er hofft, in Berlin – vielleicht mit Hilfe seiner Verwandten –, einen beruflichen Neuanfang zu finden. Aber das ist auch nicht so wichtig, Herrn Haack interessiert der Fall als solcher. Vielleicht – so hofft er – besitzt ein Leser die Regimentsgeschichte oder kann Hinweise geben, wo diese zu finden ist. (Norbert Haack, Hoher Berg 9, 37115 Duderstadt, Telefon: 0 55 27 / 66 68)

Da wir schon einmal bei der Militärgeschichte sind, möchte ich mich – wenn auch verspätet – bei Frau Inge Bielitz bedanken, die im Nachlaß ihres Bruders einige Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg fand, mit welchen die Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes in den Kampfgebieten dokumentiert wird. Sie sind sehr gut erhalten und zeigen Sanitäter mit Armbinden bei der Bergung der Verwundeten. Diese Post Cards sind deshalb interessant, weil sie von den Delegierten des Deutschen Roten Kreuzes mit Sitz am Broadway in New York herausgegeben wurden. Während die allgemeine Beschriftung englisch ist, sind die Erklärungen zu den Abbildungen in deutscher Sprache gehalten, wie „Der Ernst des Krieges tritt in den Feldlazaretten unmittelbar hinter der Gefechtslinie zu Tage. Stete Gefahr umgibt alle, die hier in Unterständen ihre Pflicht tun.“ Ich soll auf Wunsch von Frau Bielitz die Karten an dokumentarisch Interessierte weitergeben.

Manchmal denke ich, unsere Leserinnen und Leser spielen mir nach Absprache den Ball zu, daß ich manche Themen so vielseitig behandeln kann, wie man es sich als Kolumnistin nur wünschen kann, denn auch der dritte Komplex fügt sich heute nahtlos in das Thema „Militärgeschichte“ ein. Aber diesmal geht es um eine kulturelle Frage, denn wieder haben sich die Schwestern Berta und Katharina Kolde gemeldet, die das künstlerische Erbe ihres Vaters, des Malers Alexander Kolde, hüten und pflegen. Jedenfalls das, was von seinem vielseitigen Schaffen geblieben ist, denn der Künstler hat den Hauptteil seines Lebenswerkes durch Kriegsgeschehen und Vertreibung verloren. Um so erfreuter waren seine Töchter, als sie jetzt auf einer Auktion ein bisher unbekanntes Werk ihres Vaters erstehen konnten. Es ist mitten im Ersten Weltkrieg, wahrscheinlich 1916, entstanden und zeigt das Portrait eines Uniformierten. Kolde war im Ersten Weltkrieg  an der Ostfront, wurde zweimal verwundet, das letzte Mal schwer. So könnte man annehmen, daß das Bild während der Rekonvaleszens entstanden ist. In Hamburg lag der Verwundete längere Zeit in einem Lazarett. Es ist also wahrscheinlich, daß es sich bei dem Portraitierten nicht um einen Ostpreußen handelt, deshalb dürfte er ein Unbekannter bleiben. Aber vielleicht kennt jemand dieses Bild, hat es einmal irgendwo gesehen und kann den Schwestern Kolde helfen, die Legende zu diesem Bild zu erstellen, wobei auch Erklärungen über die Uniform des Abgebildeten erwünscht sind. (Berta A. Kolde, Windfeld 32, 22559 Hamburg, E-Mail: KOLDE@hamburg.de oder berta.KOLDE@hamburg.de

Um ein Hochzeitsgedicht handelt es sich bei unserem geliebten „Ännchen von Tharau“. Als Hochzeitscarmen von Simon Dach für die Pfarrerstochter Anna Neander geschrieben, als sie 1637 den jungen Pfarrer Johann Portatius in der Tharauer Kirche heiratete. In Auftrag gegeben von dem „Gevatter“ der mit 13 Jahren Waise gewordenen Pfarrerstochter, dem angesehenen Kaufmann und Mälzenbräuer Caspar Stolzenberg vom Löbenicht, der Bierbrauerstadt des damals noch dreigeteilten Königsberg. Und um diesen Caspar Stolzenberg dreht sich der Wunsch von unserm Leser Wolfgang Pauly, der sich im Rahmen seiner Familienforschung mit der Linie Stolzenberg beschäftigt, wobei ihm viele Angaben über die angesehene und bedeutsame Familie vor dem Jahr 1800 fehlen. Es gibt einige Ansatzpunkte, so hing in der Wehlauer Jacobi-Kirche eine 1794 gegossene Glocke mit dem Namenszug Friedrich Stolzenberg. In Tilsit lebte ein Johann Bernhard Stolzenberg, der 1807 Justizkommissar, Polizeipräsident und Bürgermeister war. Herr Pauly möchte nun herausfinden, ob es zwischen diesem und dem Kaufmann Caspar Stolzenberg vom Löbenicht eine Verbindung gab. Der Patenonkel der Anna Neander, der ihre Hochzeitsfeier im Junkerhof auf dem Kneiphof ausrichtete, wobei auch der von ihm bezahlte Hochzeitsreigen gesungen und getanzt wurde, war er ein sehr wohlhabender Mann, der bei Annas Taufe 1618 schon im besten Mannesalter gewesen sein muß. Wo und wann er geboren wurde, ist unbekannt, ebenfalls sein Familienstand und Sterbedatum. Daß es sich um eine alteingesessene Kaufmanns- und Brauerfamilie handelt, geht aus den „Königsberger Leichenpredigten 1579-1724“ hervor, in denen mehrmals der Name Stolt(z)enberg vorkommt, stets als Mädchenname der Ehefrauen von Mälzenbrauern. So ehelichte der Kaufmann Konrad Rump im Jahre 1682 Katharina Stoltzenberg, Tochter des Kaufmanns und Mälzenbräuers Joachim Stoltzenberg zu Königsberg. Dieser könnte ein Sohn oder Neffe von Caspar gewesen sein. Vielleicht erweist sich dies als eines der gesuchten Puzzleteilchen im Familienmosaik von Wolfgang Pauly, der wünscht und hofft, daß sich – auch aufgrund dieser Hinweise – Nachkommen der Königsberger Stolt(z)enbergs bei ihm melden. (Wolfgang Pauly, Hasentorwall 4, 49076 Osnabrück).

Das Ännchenlied wurde ja im samländischen Platt geschrieben: Annke von Tharau es, de mi gefällt, und um ein plattdeutsches Gedicht geht es auch bei der Frage von Herrn Rudolf Lange. Seine Eltern stammten aus Basien, Kreis Braunsberg. Die Flucht über See führte sie nach Mecklenburg. Dem kleinen Rudolf sagte die Mutter immer ein Gute-Nacht-Gedicht in ihrer heimatlichen Mundart, von dem er nur noch eine Zeile weiß, die etwa so lautete: „Schloap, min Kindke, schloap on drehm, de Buscher geht da mang de Beem ...“ Es stammt nicht aus einem der plattdeutschen Wiegenlieder, die ich kenne. Mit dem „Buscher“ könnte der Kinderschreck „Buschebaubau“ gemeint sein, der zwischen den Bäumen geht. Vielleicht erinnert sich jemand an dieses Gedicht, darüber würde auch ich mich freuen.

Eure Ruth Geede


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