26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.06.08 / Urlaub vom Krieg / Am anderen Ende der Wüste Negev gibt es Erholung und Spaß pur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

Urlaub vom Krieg
Am anderen Ende der Wüste Negev gibt es Erholung und Spaß pur
von Robert B. Fishman

Tauchen kann jeder“, behaupten die jungen Leute am Strand von Eilat, für die die Hippiezeit nie zu Ende ging. In ihren aus Brettern und Netzen gezimmerten Ständen erklären sie Urlaubern das Leben unter Wasser. Der junge Mann formt aus Daumen und Zeigefinger einen Kreis. „Das heißt ‚alles ok’. Wenn es dir gut geht, erwidere es, wenn nicht, gib mir ein Zeichen. Finger nach oben zum Beispiel heißt auftauchen – aber nicht zu schnell, sonst bekommst du Probleme mit dem Druck. Wenn Wasser in die Brille kommt, halte die Luft an und atme durch die Nase aus. So.“

Nach zehn Minuten Taucheinführung steht wieder eine Gruppe Tauchnovizen in schwarzen Neoprenanzügen und Taucherflossen, die Unterwasserbrillen in der Hand, unsicher am Kieselstrand. Auf der anderen Seite der Bucht weht die schwarz-weiß-grün-rote Flagge des Königs. „Die größte Fahne der Welt“, erklärt der Reiseführer. Sie gehört dem haschemitischen König von Jordanien wie das Ostufer des Golfs von Eilat mit der Stadt Akaba. 17 Kilometer mißt das schmale Stück Israel am Roten Meer von der ägyptischen bis zur jordanischen Grenze. Dazwischen: die Tauchschulen, ein Hafen, in dem Tag und Nacht graue Frachtschiffe japanische Kleinwagen ausspucken und Hotels, Hotels, Hotels. Das Dan, das Princess, das Isrotel, der ganz neue Luxuspalast Harrods. Weniger als vier Sterne trägt keines der Betongebirge an der von schicken Läden und ramschigen Ständen gesäumten Strandpromenade.

Auf Kommando spucken alle in ihre Taucherbrille. „Jetzt verreiben“, ruft die Tauchlehrerin. Alle gehorchen und setzen ihre nun anlaufsicheren Gläser auf. Der dicke, weiche Neoprenanzug schützt vor dem frischen Nordwind, der über das tiefblaue Wasser bläst. Selbst im Winter fällt die Temperatur des nördlichsten tropischen Meeres kaum unter

22 Grad. Nach 20, 30 Metern erreicht es die Unterkante der Taucherbrillen. „Gleichmäßig durch den Mund atmen“, hat die Tauchlehrerin immer wieder gesagt. Fünf Meter lange Schläuche verbinden die Mundstücke der Taucherausrüstungen mit den Sauerstofflaschen, die auf einem Floß an der Oberfläche schwimmen. „Snuba-Diving“ heißt diese besonders sichere Variante des Tauchens ohne Flaschen auf dem Rücken.

Weiteratmen nicht vergessen. Leise steigen die Luftblasen aus dem Mundstück nach oben. Ab und zu tauchen gelbe, orangefarbene und graue Fische aus dem Blaugrau auf. Am nahen Meeresboden dösen einige von ihnen in den Armen der weißen Seeanemonen, die sich in den Wellen wiegen.

Manche Korallen gleichen bunten, runden Sofakissen, andere den Zweigen bizarrer, rosa-weißer Bäume. Die Unsicheren unter den Tauchnovizen hat die Lehrerin an die Hand genommen. Immer wieder fragt sie per Handzeichen „alles ok?“

Zurück an Land gibt es eine heiße Dusche mit Blick in die steil zum Meer hin abfallenden braunen Felswände der Negevwüste. Gut 400 Kilometer bizarre

Felsformationen, von winterlichen Sturzregen ausgewaschene Schluchten und weite, Mondlandschaften ähnliche steinerne Hochebenen trennen Eilat vom dicht besiedelten Zentrum des Landes. Am Roten Meer leben Israelis für ein oder zwei Wochen im Jahr ihren Traum von unbeschwerter Normalität: Sie genießen Sommer, Sonne, Strand, wandern durch die friedliche Wüste und sitzen in Cafés und Restaurants, in denen niemand versucht, sich und möglichst viele Gäste in die Luft zu sprengen. Bisher ein einziges Mal, Anfang 2007, hat es ein Selbstmordattentäter bis nach Eilat geschafft. Am anderen Ende der Wüste schlagen in Sderot und anderen Grenzorten jeden Tag die Kassam-Raketen aus dem Gaza-Streifen ein. Den Kindern von Sderot hat ein Millionär für ein paar Tage Hotelzimmer in Eilat gemietet. In Scharen ziehen sie ausgelassen über die Promenade und bestaunen durch die Fenster des Unterwasser-Observatoriums Coral World die bunte Welt auf dem Grund des Roten Meeres. Ein paar erholsame Nächte ohne Luftalarm und ganz normale Tage im Sonnenschein geben ihnen eine Ahnung, wie ein Leben im Frieden aussehen könnte.

Der einstige Beduinenflecken am Roten Meer zieht neben Scharen von Urlaubern Abenteurer und Wüstenfreaks wie Alfonso an. Der Schweizer hat in Nordafrika und vielen Ländern Asiens vor allem für das Rote Kreuz Hilfstrans-porte organisiert. Heute zeigt er Touristen die Geheimnisse der Wüste. In der scheinbar gottverlassenen Einsamkeit, die direkt am Rande des 55000-Einwohner-Städtchens beginnt, leben Wölfe, Schakale, Gazellen, Steinböcke und viele kleine Tiere, von denen die meisten Europäer noch nie etwas gehört haben. Alfonso zeigt den Touristen ihre Spuren. 

 „Die Wüste macht den Städtern Angst“, sagt Alfonso, während er seinen Land-Rover sicher über die holprigen Stein- und Geröllpisten vorbei an steinernen Fratzen und Fabeltieren steuert. Hier sieht ein Felsen aus wie eine riesige rosa-gelbe Kröte, dort eine Wand wie das Abbild eines Außerirdischen. Die Kamele, die Touristengruppen auf Pfaden durch die karge Landschaft tragen, fressen hin und wieder eines der letzten Blätter, die an den ausgetrockneten Büschen hängen.

Seit zehn Jahren hat es im südlichen Negev nicht mehr geregnet. Nur wenige der schütteren Büsche und der bizarr geformten Akazien überstehen die lange Dürre.

Neun von zehn Israelis leben in Städten. Die Stille zwischen den Felsen des Negev wirkt auf viele befremdlich, auf manche bedrohlich. In der klaren Luft leuchten abends die Sterne heller als anderswo. Kein Licht stört.

Nach einem Tag in der Wüste erscheint Eilat wie ein lautes Ufo, das sich auf dem Weg in die Welt an diesen steinigen Strand verirrt hat. Wenn die untergehende Sonne die steil aufragenden Felsen hinter den Hotels in weiches rosa Licht taucht, strömen die Touristen in den rotbraunen Klotz, den die Einheimischen spöttisch den „Dritten Tempel“ nennen: ein Einkaufszentrum mit Klamottenläden, Supermärkten und Restaurants, deren Besitzer mit Sonderpreisen werben.

Der Finanzminister hat die Eilater Läden von der Mehrwertsteuer befreit. Dennoch ist manches teurer oder jedenfalls nicht billiger als anderswo in Israel. Aber was soll’s. Man hat Urlaub und gönnt sich ja sonst nichts.

Foto: Tauchen im Roten Meer:  Begegnung mit einem Schwarm Fische


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren