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28.06.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

Angst vor Günter / Was die Beißmaschine im Studio sollte, warum Steinmeier nicht auf die kalte Platte will, und wie Frau Pauli erneut für Schrecken sorgt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die Österreicher lieben die deutschen Stämme zwischen Bodden und Bodensee nicht, ja, sie gönnten uns von allen beteilgten Völkern den EM-Titel am wenigsten (siehe Meldung). Das wäre jetzt eigentlich die Gelegenheit, schnaubend zurückzugiften. Stoff liefern uns die Ösis selber genug, schließlich gibt es nirgends auf der Welt so viele Österreich-Hasser wie in Wien.

Bei denen bräuchte man nur abzuschreiben, aber dazu haben wir leider gar keine Zeit. Die brauchen wir, um uns einer Gestalt von wirklich bedrohlichem Kaliber zu widmen.

Das Ritual war immer gleich: Lange vor Spielbeginn besingen Kommentatoren unterschiedlicher Begabung, wie toll unsere Jungs das machen, oder, daß sie sich gewiß bald berappeln würden, und lassen so die wunderbare Herzenswärme auflodern, die uns spätestens seit der WM 2006 mit unseren Nationalspielern verbindet. Alle fühlen wir uns gut, laufen schwarz-rot-gold an und sind voll des Überschwangs.

Doch dann kommt er. Mit dem stechenden Blick eines hysterischen Kettenhunds, der seit Wochen nur Joghurt zu essen bekam, schiebt er grimmig die Unterlippe vor. Seine Worte schlagen wie die Hauer des Säbelzahntigers ins Fleisch unseres schockerstarrten Wonnegefühls. Selbst den Mutigsten perlt da ein Schweißtropfen über die Heldenstirn. Ja, wir geben es zu: Wir haben Angst vor Günter Netzer.

Ärgerlich ist er zudem. Längst haben wir uns daran gewöhnt, daß Fußball viel mehr ist als die 90 Minuten plus Verlängerung und Elfmeterschießen, dem dann ein kantiger Expertenkommentar folgt und Schluß. Heute ist das Spektakel umrankt von einem gewaltigen Gebinde aus bunten Lari-fari-trallala-Shows, in denen sich die allseits begehrte B-Prominenz des Landes kanäleübergreifend und abendfüllend am Fußball abarbeitet.

Das schönste von allem sind die Straßenbefragungen jubelnder Fans nach einer gewonnenen Partie: „Und wie hat euch das Spiel gefallen?“ „Äi, voll geil, äi! Oléé! Olé-olé-olé!“ „Ja, soviel von der Fan-Meile in ... , und damit zurück ins Studio.“ Eine Beißmaschine wie Netzer ist in dem Trubel so willkommen wie ein schwarzes Loch im Sonnensystem. Schwarze Löcher schlucken und zermalmen alles, was ihnen in die kosmische Quere kommt, sogar das Licht. Wie Netzer.

Warum nahm den also keiner raus aus dem Programm? Es scheint, als habe er heimliche Freunde. Manche sagen ja, daß Frauen eine Schwäche hätten für diese Netzer-Typen, so herrische Machos eben. Das muß der Grund sein dafür, daß Günter Netzer weiterbeißen durfte, und ebenso dafür, daß Kurt Beck einfach nicht hochkommt. Der SPD-Chef macht auf liebes Bärli aus dem Pfälzer Wald, auf Verständniskurt für jedermann. Entsprechend grottenhaft fallen seine Sympathiewerte aus.

Wie üblich bei so armen Hascherln bettelt Beck nun zu allem Überfluß um Mitleid: „Wenn einer einen Fehler gemacht hat und er sagt, daß es ein Fehler war, dann muß es auch gut sein“, flennte er den Berliner Sozialdemokraten das Podium voll beim Landesparteitag letzten Sonnabend. Dann plärrte er noch lauter: „Wenn ohne Namensnennung Kritik geäußert wird, dann ist das unwahr oder feige.“

Och je, der Kleine! Man will ihn spontan in den Arm nehmen und ihm übers Köpfchen streicheln: „Nicht mehr weinen. Möchtest du ein Eis? Drei Kugeln!“ Beck ist eine tragische Figur: Er hat zwar der SPD den Weg in die rot-rote Koalition geebnet und damit für Deutschland die Eintrittskarte gelöst für die nächste sozialistische Geisterfahrt. Das ist und bleibt sein historisches Verdienst. Nur selber wird er davon nicht viel haben, Kanzlerkandidat wird wohl ein anderer.

Wer das ist, glauben eigentlich alle schon zu wissen. Nur er selbst streitet beharrlich alles ab. Der Ritus ist bekannt, normalerweise ist das Koketterie, der Kandidat will sich mehrfach bitten, ja anflehen lassen, um die Krone der Unentbehrlichkeit zu erhaschen. Diesmal läuft es ein wenig anders. Wenn er seinen verheulten Parteichef da oben so stehen sieht, wird dem SPD-Vize Frank-Walter Steinmeier ganz anders. „Das könnte ich sein“, fährt es dem Außenminister und Munkelkandidaten durch die Eingeweide.

Er weiß: Je früher er als Kanzleranwärter ausgerufen wird, desto mehr Zeit bleibt Nahles, Annen und Genossen vom linken Flügel, ihn fein säuberlich zu demontieren. Denen geht es nämlich nicht so sehr um den Sieg 2009, als um die dunkelroten Horizonte für die Jahre danach, in die ihnen ein Steinmeier wahrscheinlich nicht folgen will, weshalb er beizeiten weg muß. Die SPD-Linken wollen Steinmeier nicht auf den Schild heben, sie wollen ihn auf die kalte Platte legen, auf die er verständlicherweise nicht will. Also werden wir noch eine Weile warten müssen, bis die SPD uns einen offiziellen Kanzlerkandidaten zur medialen Weiterverarbeitung anliefert.

Das ist kein Grund zum Trübsalblasen, denn vorher ist erstmal der bayerische Landtagswahlkampf dran. Daß der dem Komödiantenstadl etliche Zuschauer abjagen wird, steht fest, seitdem Gabriele Pauli aus dem Hades der Vergessenen auf die Bühne zurück­gekehrt ist. Die frühere Fürther Landrätin will für die Freien Wähler antreten, woraufhin denen der Schreck durch die Glieder fuhr. Bis eben war sie von Zuversicht erfüllt, endlich in den Landtag einzuziehen. Auf kommunaler Ebene haben sich die Freien Wähler in jahrzehntelanger Arbeit den Ruf einer sachorientierten Truppe von bodenständigen Praktikern aufgebaut. Pauli harmoniert mit diesem Image wie Senf mit Apfelkuchen.

Der Landeschef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, sieht seinen Traum kurz vor dem Ziel in die Grütze gehen und sucht händeringend nach Auswegen. Zunächst zieht er seinen eigenen Kopf aus der Schlinge und besteht darauf, „es“ nicht gewesen zu sein: „Ich habe Frau Pauli nicht geworben.“ Außerdem sei er „nicht sonderlich begeistert“ und Paulis Kandidatur sei überdies alles andere als „wasserdicht“. Er hofft also noch, die Frau wieder loszuwerden. Wenn das scheitern sollte, hat Aiwanger einen Plan B im Ärmel, der lautet: Versteck die Pauli tief im Unterholz, wo sie möglichst schlecht zu sehen ist. Im routinierten Politikersprech hört sich das so an: „Wenn sie wirklich kandidiert, dann wird sie in erster Linie eine lokale und regionale Kandidatin bleiben.“

Gabriele Pauli hat für die Animositäten des Herrn Aiwanger bestimmt schon eine ganz eigene Erklärung: Er will sie nicht, weil sie eine Frau ist. Die werden nämlich überall benachteiligt, das hat schon Heide Simonis erleiden müssen. Sie wissen noch, das ist die Hutträgerin, der man alles viermal sagen muß. Simonis war zwölf Jahre lang Ministerpräsidentin in Kiel, bis sie 2005 in vier Wahlgängen hintereinander nicht wiedergewählt wurde.

Die führt jetzt einen Klagekrieg gegen die „Bild“-Zeitung. Angeblich, weil die bösen Jungs vom Boulevard in ihre Privatsphäre eingedrungen seien, indem sie Fotos veröffentlichten, die Simonis beim Einkaufen zeigen. In Wahrheit ist Simonis wütend, weil die „Bild“-Leute sie mit ganz anderen Sachen übel durch den Kakao gezogen haben.

Im April 2006 stakste sie als nunmehr frischgebackene Chefin von Unicef Deutschland durch die RTL-Tanzshow „Let’s dance“, was nicht nur den „Bild“-Machern ein diabolisches Vergnügen bereitete. „Platschfüßig“ sei die Ex-Landesmutter und „steif wie ein Brett“, feixte das Blatt und empfahl der empörten SPD-Politikerin, doch auch mal im „Dschungel-Camp“ oder bei „Big Brother“ vorbeizuschauen, um sogleich die passenden Foto-Montagen mit Simonis an der Heimstatt der Madenfresser oder dauersabbelnden Containerproleten hinzuzufügen.

„Platschfüßig“, gut, zugegeben, nett geht anders. Aber gleich klagen? Simonis sollte sich mal vorstellen, nicht die harmlosen „Bild“-Leute hätten ihre Tanzkünste unters Skalpell genommen, sondern – Günter Netzer!


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