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05.07.08 / Ausgebremst / Warum ARD und ZDF ihre Aktivitäten im Internet zurückfahren müssen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

Ausgebremst
Warum ARD und ZDF ihre Aktivitäten im Internet zurückfahren müssen
von Mariano Albrecht

Gibt es bald weniger Inhalte für unsere Rundfunkgebühren? Mit dem Entwurf für den zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag haben die Ministerpräsidenten der Länder auf die Forderungen von EU-Kommission, privaten Rundfunkveranstaltern und deutschen Verlegern reagiert und neu geregelt, was die Öffentlich-Rechtlichen mit den Gebühren machen dürfen und was nicht. Worum geht es?

Mit Gebühreneinahmen von rund 7,2 Milliarden Euro im Jahr 2007 steht ARD und ZDF ein enormer Etat für die Versorgung der Bevölkerung mit Sport-, Nachrich-ten-, Unterhaltungs- und Bildungsprogrammen zur Verfügung. Auch das Internetangebot wird aus dem Gebührentopf finanziert. Und genau darum geht es:

ARD und ZDF verwerten ihr gesamtes Programm-Material wie  Hörfunkbeiträge, TV-Sendungen und begleitende Texte im Internet, kostenfrei und für jedermann zugänglich. Dabei kreuzen sich viele Bereiche mit denen der privaten Medien, die ihre Angebote über Werbeeinnahmen oder einen Abrufpreis im Netz finanzieren müssen. Durch das kostenlose Angebot der Öffentlich-Rechtlichen fühlen sich zum Beispiel Zeitungsverlage im Wettbewerb benachteiligt. Auch böten die Sender zu viele Inhalte an, die über eine Programmbegleitung hinaus gingen, wird argumentiert. Wettbewerbsverzerrung? Müssen Internetbenutzer und Gebührenzahler nun auf die Internetangebote von ARD und ZDF verzichten?

Vom Ratgeber über politische und wissenschaftliche Magazine bis zu Unterhaltungssendungen sowie natürlich Sport und Nachrichten bieten ARD und ZDF neben Programmmitschnitten und Live-Übertragungen auch all das an, was Printmedien ihren Lesern im Netz anbieten, finanziert von allen Gebührenzahlern, auch von denen, die kein Internet nutzen.

Den Sendern solle im neuen Rundfunkstaatsvertrag eindeutiger untersagt werden, „presseähnliche“ Leseangebote im Internet zu veröffentlichen, hieß es im Anschluß an die Ministerpräsidenten-Konferenz in Berlin.

Auf der Internetseite des Senders Phoenix ist das Resultat bereits sichtbar: „Phoenix produziert als Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF keine eigene Nachrichtensendung, sondern nutzt im Fernseh-Bereich mit der ,tagesschau‘ und dem ,heute-journal‘ die Nachrichten-Formate seiner Muttersender“, heißt es.

Mit der Regulierung hat die Politik nicht nur die Sender ausgebremst, sondern auch in die Entwicklung des Internets eingegriffen. Den Privaten sind die riesigen Onlinearchive, Mediatheken und Wissensbibliotheken aus dem Senderschatz ein Dorn im Auge. Den Sendern ist das Vorantreiben zukunftsweisender Informationstechnologien erschwert. Ob den Zeitungsverlegern die Beschränkungen der Öffentlich-Rechtlichen helfen, ihre defizitären Internetangebote in die Wirtschaftlichkeit zu führen, ist fraglich. Hatte man doch jahrelang die Möglichkeiten des Internets unterschätzt und die eigenen Webseiten stiefmütterlich behandelt. Statt nach Möglichkeiten zu suchen, mit dem Internetauftritt einen Mehrwert für das gedruckte Produkt zu generieren, zum Beispiel mit Hintergründen und multimedialen Inhalten wie animierten Grafiken, Tabellen oder Videos, hatte man die Seiten mit Eins-zu-eins-Inhalten der Printausgaben zugemüllt oder Agenturmeldungen, die ohnehin für die Printausgabe bezahlt waren, zweitverwertet. Späte Reue für den verschlafenen Anschluß: Der Chefre-dakteur der „Frankfurter Rundschau“, Uwe Vorkötter, stellte kürzlich fest: „Wir können uns drehen und wenden wie wir wollen, aber auf dem klassischen Printmarkt werden wir keine wesentlichen Reichweitenzuwächse mehr erzielen. Wenn ich sehe, mit welchen Mitteln die Öffentlich-Rechtlichen ihr Internetengagement ausbauen, dann ist das schon klare Wettbewerbsverzerrung.“ Doch die Argumentation der Zeitungsmacher ist nur die halbe Wahrheit.

Warum hat es die Branche bis heute nicht geschafft, wirtschaftlich gewinnbringend das Internet zu nutzen? Sind ARD und ZDF wirklich schuld am Versagen der Printmedien im Netz?

Eine Scheindiskussion. Es geht um Innovation und um das Verständnis des Mediums Internet.

Die Produktion einer Zeitung ist zeitaufwendig und komplex. Über den Zeitraum eines Tages werden bis spät in den Abend Informationen, Meldungen und Berichte der Autoren zusammengetragen. Dann wird die Ausgabe gestaltet, und letzte Änderungen werden bis zum Redaktionsschluß ins Blatt gebracht. In den Nachtstunden wird die Zeitung gedruckt und am frühen Morgen ausgeliefert.

Der Zeittakt einer Tageszeitung harmoniert nicht mit dem des Internets. Das Internet kommt in der Berichterstattung der Echtzeit noch näher als Radio und Fernsehen. Alles, was ein Redakteur in die Tasten seines Computers tippt, ist auf Tastendruck online und meist kostenfrei abrufbar. Die Berichterstattung im Netz ist eine andere als in der Zeitung. Im Internet kann aktueller über Ereignisse berichtet werden, die später auch in Radio und Fernsehen laufen, doch die Zusammenfassung eines kompletten Tagesgeschehens wird am nächsten Morgen auch weiterhin eine Prämisse der Tageszeitung bleiben. Das Internetangebot einer Zeitung kann auch in Zukunft nur eine Ergänzung für den Leser bieten. Ob die Einschränkung der Internetangebote von ARD und ZDF den Zeitungsmachern hilft, aus ihrer Sinnkrise bei der Nutzung des Internets zu finden, ist fragwürdig. Denn wie will man in Zukunft mit anderen Konkurrenten aus der Privatwirtschaft umgehen?

Foto: Neue Möglichkeiten: Ein ARD-Mitarbeiter zeigt Messebesuchern den Internetauftritt.


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