20.04.2024

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05.07.08 / Ost-Deutsch (73): putzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

Ost-Deutsch (73):
putzen
von Wolf Oschlies

Reporterglück! Ein von meinen Fragen überforderter Journalist reichte mich in Bratislava an Stefan Holcik weiter, Ex-Bürgermeister der slowakischen Hauptstadt, der mir, sogar auf deutsch, beste Auskunft gab. Beispielsweise zu deutsch-slowakischen Sprachkonventionen im 19. Jahrhundert: „Mutra pucovala fotrovi slafrok na ganu“ (Mutter putzte Vaters Schlafrock auf dem Gang). Mein Ehrenwort: Denselben Satz kannte ich von meinem Schwiegervater, einem international versierten Gießerei-Experten, der ihn mir als Beleg für deutsch-tschechische Sprachkoexistenz zitierte.

„Putzen“ (butzen) entstand im 15. Jahrhundert in der doppelten Bedeutung von „reinigen“ (eine Kerze vom verkohlten Docht) und „schmücken“ (sich herausputzen. Alles das lebt bei Slawen – bis hin zur mazedonischen „pucval“, der Putzwolle, die kiloweise verkauft wird. Richtig daheim ist das Wort bei Westslawen, etwa in Jaroslav Hascheks unsterblichem „Schwejk“, wo ein Soldat den größten Ärger bekommt, weil er „nechtel pucovat hajzly na hauptvase“ (nicht die Häus’le, die Toiletten auf der Hauptwache putzen wollte). Aus dem Schwejk stammt auch der „pucflek“, der Offiziersbursche, eine Zusammensetzung aus „putzen“ und „pflegen“. Der findet sich auch in südpolnischen Dialekten: „Ty bys nadowol na pucfleka, bo tak pieknie pucujesz buty“ (Du wärst ein guter pucflek, weil du so schön Schuhe putzt). Gesamtpolnisch ist der „pucybut“ (Schuhputzer), heute ein Synonym für Lakai, Pechvogel, Asozialer „Od milionera do pucybuta“ (vom Millionär zum pucybut).

Ausgangspunkt ist natürlich das Verb, das im Polnischen als „pucowac“ lebt und von dort ins Kaschubische und Litauische einging. Hier finden wir auch die zweite Bedeutung: Kein Pole mag sich „do niczego sie nie pucowac“ (sich für nichts herausputzen). Bei Tschechen dominiert der reinigende Wortsinn, zum Beispiel „v nedeli ma byt slusny covek doma a pucovat si boty“ (am Sonntag Nachmittag soll ein anständiger Mensch daheim sein und seine Schuhe putzen). Oder drastischer und auf die neuen Raketenpläne der USA in Tschechien bezogen: „Radsi budu pucovat boty Amikum, nez se zdravit cest praci“ (Lieber putz ich den Amis die Schuhe als mit Ehre der Arbeit zu grüßen). Das war nämlich der Parteigruß aus kommunistischen Zeiten. 


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