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05.07.08 / Ist Belgrad europäischer als Brüssel? / Serbiens Regierungsbildung und die EU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

Ist Belgrad europäischer als Brüssel?
Serbiens Regierungsbildung und die EU
von Wolf Oschlies

Serbiens vorgezogene Parlamentswahlen vom 11. Mai schickten zwei Blöcke in die „Skuptschina“, die von Staatspräsident Boris Tadic repräsentierten „Europäer“ mit 116 (von insgesamt 250) Sitzen und die „Nationalisten“ um den Radikalenführer Tomislav Nikolic und Premier Vojislav Kostunica mit 107 Sitzen. Die „Europäer“ hatten zwar gesiegt, aber das Zünglein an der Waage der Regierungsbildung waren die 20 Sitze der Sozialisten unter Ivica Dacic. Diese hatten früh signalisiert, mit Tadic gehen zu wollen, da der radikale Kurs von Nikolic-Kostunica – Abbruch der Beziehungen zu jedem Staat, der das Kosovo diplomatisch anerkennt – nur internationale Isolierung und ökonomische Rückschläge für Serbien verhieß.

Am 23. Juni wurde diese Kooperation besiegelt, Ende Juni war auch die Regierungsbildung „in trockenen Tüchern“: Die Regierung wird 25 Ministerien haben, von denen Tadics Demokraten 14 bekommen, dazu Mirko Cvetkovic als Premier.

Der 1950 geborene Cvetkovic ist ein kundiger Wirtschaftspolitiker, der aus langjähriger Tätigkeit für Weltbank und Vereinte Nationen über große Auslandserfahrung verfügt. Er dürfte ein Garant für die Implementierung der wichtigsten Ziele der Regierungspolitik sein: EU-Integration, Senkung der Arbeitslosigkeit (derzeit 18,8 Prozent mit fallender Tendenz), Investitionen (vor allem ausländische) und ähnliches.

Die EU hat den Sieg der serbischen „Europäer“ begrüßt, aber das war kaum ehrlich gemeint. Im Schulterschluß mit den USA hat die EU die kosovarische Unabhängigkeitserklärung vom 17. Fe-bruar ermöglicht, die kein serbischer Politiker je anerkennen wird. Serbische Politik wird unverändert auf die Einhaltung der UN-Resolution 1244 vom Juni 1999 pochen, in der Serbiens Hoheit über das autonome Kosovo verbrieft ist.

Stärkster Partner Serbiens ist Rußland, das in UN, OSZE und anderswo dafür sorgt, daß ein „unabhängiges“ Kosovo kein Bein auf den Boden bekommt und daß die EU-Mission „Eulex“ nicht die UN-Verwaltung im Kosovo ablöst. Laut der Moskauer Fachzeitschrift „Rußland in der Globalpolitik“ hat Rußland kein ökonomisches Interesse am Balkan („nur zwei bie drei Prozent Anteil am russischen Außenhandel“), aber „der Kreml sollte Washington und Brüssel herzlich danken für deren unschätzbaren Beitrag zur Festigung der Position Rußlands auf dem Balkan“.

Und: „Ein unabhängiges Kosovo bleibt ein dauernder Generator regionaler Instabilität“.

Noch direkter wurde Präsident Tadic am 20. Juni in seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat. Nur dieser ist legitimiert, im Kosovo zu wirken. Deswegen lehnte Serbien auch den Vorschlag von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ab, die UN-Verwaltung im Kosovo so zu ändern, daß die serbischen Gebiete ihren Widerstand gegen die Unabhängigkeit aufgeben und „Eulex“ einrücken könne.

Serbien möchte lieber heute als morgen in die Europäische Union, aber es denkt nicht daran, das Kosovo der EU auszuliefern, die ihre Absichten nun durch Ban Ki-moon verkündet. Boris Tadics Rede war eine Zurückweisung jeder Politik ohne Mandat der Vereinten Nationen. 

Sechs EU-Staaten haben das Kosovo nicht anerkannt. Spaniens Premier Zapatero nannte dessen Unabhängigkeit eine Verletzung des Völkerrechts, weswegen Spanien seine 621 Soldaten aus dem Kosovo zurückziehen wolle.

Die EU hat Probleme mit den eigenen Mitgliedern, was ihre Serbien-Politik noch mehr ins Zwielicht zieht. Da gab man Belgrad im Frühjahr ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, setzte dieses aber sofort außer Kraft – weil Serbien angeblich ungenügend mit dem Haager Tribunal kooperiere.

Dieses antwortete Mitte Juni mit der Verhaftung von Stojan Zupljanin, dem ehemaligen Sicherheitschef der bosnischen Serben, den Den Haag seit Jahren als Kriegsverbrecher sucht.

Bozidar Djelic, Vizepremier der neuen Regierung, kündigte eine „Offensive“ gegenüber Brüssel an, die Serbien bis zum 15. Dezember des Status eines Beitrittskandidaten verschaffen soll.

Serbien handelt im Einklang mit dem Völkerrecht und der UN-Charta, die EU setzt auf Hinhaltetaktik und Täuschungsmanöver. Wie sie ohne oder gegen Serbien Sicherheits- und Entwicklungspolitik auf dem Balkan betreiben will, bleibt ihr Geheimnis.   


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