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05.07.08 / »Auf ein Wort« / 60 Jahre Luftbrücke – 60 Jahre deutsch-amerikanische Freundschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

»Auf ein Wort«
60 Jahre Luftbrücke – 60 Jahre deutsch-amerikanische Freundschaft
von Jörg Schönbohm

Eine harmlos klingende Nachricht verkündete am Abend des 23. Juni 1948 den Beginn des Kalten Krieges. Die sowjetische Nachrichtenagentur ADN hatte bekanntgegeben, daß die „Transportabteilung der sowjetischen Militärverwaltung“ gezwungen gewesen sei, „aufgrund technischer Schwierigkeiten den Verkehr aller Güter- und Personenzüge von und nach Berlin morgen früh, sechs Uhr, einzustellen“.

Noch in derselben Nacht unterbrachen die sowjetischen Besatzer die Versorgung West-Berlins mit Fernstrom durch das Großkraftwerk im sachsen-anhaltinischen Golpa-Zschornewitz. Am nächsten Morgen wurden schließlich die Sektorengrenzen dichtgemacht. Der Straßen- und Schienenverkehr wurde ebenso wie die Binnenschiffahrt komplett blockiert. 2,2 Millionen Berliner waren auf einen Schlag von der Außenwelt abgeschnitten.

Die Berlin-Blockade war die direkte Reaktion Stalins auf die drei Tage zuvor in den Westzonen durchgeführte Währungsreform. Durch die Einführung der D-Mark fürchtete die Sowjetunion schlichtweg um ihren Einfluß im besetzen Deutschland. Stalin beschloß, die Muskeln spielen zu lassen, und nahm eine ganze Stadt als Geisel, um sie als politisches Druckmittel zu mißbrauchen.

Berlin, das gerade erst dabei war, sich von den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zu erholen, war nun vollständig von einer Belieferung von außen abhängig. Es war schließlich der amerikanische Militärgouverneur General Lucius D. Clay, der vorschlug, die abgeriegelte Stadt durch eine Luftbrücke zu versorgen. Bereits am 26. Juni flog die erste Maschine der US-amerikanischen Luftwaffe nach Tempelhof und gab damit das Signal zum offiziellen Beginn der Operation Vittles (Operation Verpflegung).

Wenn neben Tempelhof auch die Flughäfen Gatow im britischen Sektor und Tegel im französischen Sektor angeflogen wurden, so war es doch der Flughafen Tempelhof, der zum Symbol des Widerstandes und des Freiheitswillens der Berliner Bevölkerung werden sollte. Nicht zuletzt diese große historische Bedeutung von Tempelhof wäre eigentlich Grund genug gewesen, den Flughafen weiterzubetreiben.

Die Bürger West-Berlins wurden über die Luftbrücke mit allem Lebenswichtigen versorgt. Alles, was notwendig war, wurde eingeflogen: Kartoffeln, Mehl, Milchpulver, Kohle, Benzin, Medikamente. Anfänglich rechnete man damit, daß man auf diese Weise täglich bis zu 750 Tonnen Fracht in die Stadt bringen könnte. Nur wenige Wochen später flog man bereits 2000 Tonnen pro Tag ein. Im Drei-Minuten-Takt landeten die als Rosinenbomber bekanntgewordenen Flugzeuge im Westsektor Berlins. An Rekordtagen gelang es, annähernd 1400 Flugzeuge innerhalb von 24 Stunden abzufertigen. Das war eine logistische Meisterleistung, die bis heute ihresgleichen sucht.

Am 9. November 1948 beschwor Berlins Regierender Bürgermeister Ernst Reuter in einer bewegenden Ansprache die Solidarität der Weltgemeinschaft mit der abgeriegelten Stadt: „Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, daß ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft, nicht preisgeben könnt! … Völker der Welt! Tut auch ihr eure Pflicht und helft uns in der Zeit, die vor uns steht, nicht nur mit dem Dröhnen eurer Flugzeuge, nicht nur mit den Transportmöglichkeiten, die ihr hierherschafft, sondern mit dem standhaften und unzerstörbaren Einstehen für die gemeinsamen Ideale, die allein unsere Zukunft und die auch allein eure Zukunft sichern können. Völker der Welt, schaut auf Berlin! Und Volk von Berlin, sei dessen gewiß: Diesen Kampf, den wollen, diesen Kampf, den werden wir gewinnen!“

Und tatsächlich: Durch die aufopferungsvolle Unterstützung der Westmächte sowie den Optimismus und den zähen Durchhaltewillen der Berliner scheiterte die Berlin-Blockade und wurde nach fast einem Jahr am 12. Mai 1949 aufgehoben. In den 322 Tagen der Blockade landeten insgesamt 278228 Flugzeuge mit über 2,3 Millionen Tonnen Fracht in Berlin.

Die Blockade führte letztlich nicht nur zu einem antikommunistischen Konsens in Westdeutschland und Westeuropa. Sie wurde auch zur Geburtsstunde der transatlantischen Freundschaft. Spätestens durch die Luftbrücke wurden die USA nicht mehr als Besatzungsmacht, sondern vielmehr als Verbündeter und Beschützer betrachtet. Die Vereinigten Staaten wurden zu einem großen Bruder, dem Deutschland für den Einsatz, den Mut und den Hilfswillen bis zum heutigen Tag zu großem Dank verpflichtet ist.

Die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Freundschaft für die bundesrepublikanische Geschichte kann gar nicht überschätzt werden. Ohne sie hätte es weder eine Westbindung der Bundesrepublik gegeben noch eine deutsch-französische Aussöhnung oder ein Wirtschaftswunder. Auch die deutsche Einheit wäre ohne den Beistand der USA nicht denkbar gewesen.

Die deutsche Bevölkerung hat die Hilfsbereitschaft und die Solidarität der Westmächte nie als Selbstverständlichkeit angesehen. Unser Dank gilt bis heute allen Beteiligten der Luftbrücke, allen voran unseren amerikanischen Freunden. Ihrer Standhaftigkeit sowie dem Durchhaltewillen der Berliner ist es zu verdanken, daß wir das 60jährige Jubiläum der Luftbrücke in einem wiedervereinten Deutschland feiern können. 

Foto: 60 Jahre Luftbrücke: Der U.S. Air Force-Pilot und Berliner „Candy Bomber“ Gail S. Halvorsen wirft während der Berlin-Blockade Fallschirme, an denen Süßigkeiten befestigt sind, aus dem Cockpit seines Flugzeugs kurz nach der Landung auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin, während Kinder bereit stehen, diese aufzufangen. Am 26. Juni 1948 begannen die USA und Großbritannien die Versorgung der West-Berliner Sektoren mit lebenswichtigen Gütern über eine Luftbrücke.


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