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05.07.08 / Entern, rauben und brandschatzen! / Schwesternkrieg und ein Seewolf – Die Störtebeker Festspiele in Ralswiek auf Rügen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

Entern, rauben und brandschatzen!
Schwesternkrieg und ein Seewolf – Die Störtebeker Festspiele in Ralswiek auf Rügen
von Günther Falbe

Sie entern wieder, rauben und brandschatzen. Nicht am Horn von Afrika oder wo im Augenblick die Piraten unserer Zeit die Weltmeere unsicher machen – nein, direkt vor unserer Haustür an der deutschen Ostseeküste. Und das höchst legal und dazu noch honoriert, nicht nur was die Gage betrifft, sondern auch mit dem nicht enden wollenden Beifall der allabendlich bis zu 8000 Zuschauer in dem Freilichttheater am Großen Jasmunder Bodden, das zu den reizvollsten Naturbühnen Deutschlands gehört. Hier in Ralswiek auf der Insel Rügen stehen bis zum 6. September die diesjährigen Störtebeker Festspiele unter dem Titel „Der Seewolf“ auf dem Programm, und schon die ersten Vorstellungen versprechen, daß Deutschlands erfolgreichstes Freiluft-Theater wieder einen Rekord einfahren wird. Wenn das Wetter mitspielt, aber das war ja schon den Veranstaltern beim Vorverkauf gewogen, der mit über 150000 verkauften und reservierten Karten eine Steigerung von fast 18 Prozent erbrachte. Daß durch die neue Rügen-Brücke über den Strelasund der gefürchtete Engpaß für die motorisierten Besucher behoben wurde, dürfte auch eine Rolle spielen. Rügen kann auf einen erfolgreichen Festpielsommer hoffen, der die Insel wieder in ein „Störtebeker Land“ verwandeln wird.

Es ist erstaunlich, wie Störtebeker immer wieder für einen neuen abendfüllenden Stoff gut ist. Schließlich hat der Freibeuter etwa 20 Jahre lang auf Ost- und Nordsee gekapert, was ihm vor den Bug lief. Aber – so meinen die Veranstalter –, das seien immerhin 175200 Stunden, davon hätte man bisher gerade 28 auf die Ralswieker Bühne gebracht. Da gäbe es also noch jede Menge Stoff, auch wenn er historisch nicht immer genau aufbereitet wird, dafür aber umso effektvoller. Man läßt Festungsmauern in Bewegung geraten und Schiffe versinken. Es wird geballert, was das Zeug hält. Ginge der gesamte Sprengstoff–Lagerbestand der Festspiele auf einmal in die Luft, würde aus dem flachen Bodden ein tiefer Baggersee. Aber da sei Fred Bräeutigam vor, der für Spezialeffekte und Pyrotechnik verantwortlich ist.

So idyllisch die Insellandschaft heute erscheint, die Zeit, in der die Vitalienbrüder lebten, war es nicht. „Der Seewolf“ spielt im ausklingenden 14. Jahrhundert, als der Krieg zwischen Dänemark uns Mecklenburg seinen Höhepunkt erreichte. Kein Bruderkrieg, der in die Geschichte eingegangen ist, sondern ein nor­discher „Schwesternkrieg“: Königin Margarete von Dänemark stritt mit ihrer Schwester Ingeborg von Mecklenburg, beide Töchter des Königs Atterdag von Dänemark, erbittert um die schwedische Krone. Der amtierende schwedische König, Ingeborgs Sohn Albrecht, saß als Gefangener in Schottland. Nur die Festung Stockholm mit überwiegend deutscher Bevölkerung konnte sich halten. Da das Mecklenburger Herrscherhaus kein Heer zur Befreiung bezahlen konnte, rief Ingeborg zum Freibeuterzentrum auf: Wer ihr half, die Feste Stockholm mit Lebensmitteln – Vitalien – zu versorgen, erhielt einen Kaperbrief und durfte das mit Mord und Totschlag gekaperte Gut behalten. So kamen die „Vitalienbrüder“, deren Anführer Klaus Störtebeker wurde, zu ihren Namen. Dank ihnen konnte die Feste Stockholm über sechs Jahre lang allen Angriffen Margaretes trotzen. Es wurde ein erbitterter Krieg, an dessen Ende etwa 4500 Seeräuber die Ostsee beherrschten. Jedes Schiff gekapert: ob Dänen, Hansen oder Englandfahrer – alles wurde „zum Schaden Dänemarks“ niedergemacht. Der Handel auf der Ostsee brach faktisch zusammen, bis auf Drängen der Hanse und des Deutschen Ritterordens Verhandlungen begannen, die dazu führten, daß die Mecklenburger ihre Häfen vor den Piraten schließen mußten und der Papst über die Seeräuber einen Bannfluch verhängte.

Aber das ist eine andere Geschichte und wird für weitere Festspiele Stoff genug bieten. Für den „Seewolf“ konzipierte das Autorenteam ein Spiel um Klaus Störtebeker, der natürlich als Befreier gefeiert wird. Intendant Peter Hick bekennt: „Wir stellen Klaus Störtebeker sicherlich sympathischer dar, als er in Wirklichkeit war. In unsern Geschichten siegt immer die Gerechtigkeit.“ Natürlich ist es auch ein Spiel um Intrige und Lügen. So gelangt Störtebeker als Begleiter und „Liebhaber“ der Königin Ingeborg in das dänische Lager, wird aber vor Margaretes Augen enttarnt und nun selber zum Gefangenen. Solch dramatische Effekte müssen schon sein, und sie werden hervorragend ausgespielt. Von namhaften und bewährten Akteuren wie Sascha Gluth als Störtebeker, dessen markantes „Seewolf“-Gesicht auch die Festspielplakate dominiert, von Dietmar Lahaine, Robert Glatzeder und Burkhard Kurth, einem „Urgestein“ der Festspiele, denn er ist seit 16 Jahren dabei! Die Frauenrollen sind diesmal besonders stark besetzt durch Martina Guse als Margarete, Patricia Schäfer als Ingeborg und Ingrid van Bergen, auch schon ein fester Bestandteil des Ensembles wie Wolfgang Lippert, der Baladensänger. Und wie immer rüttelt der – echte – Adler über den Köpfen der Besucher, wie immer entfaltet sich ein grandioses Feuerwerk über dem Bodden – eine friedliche Ballerei und ganz ohne Mord und Stechen!

Störtebeker Festspiele, Am Bodden 100, 18528 Ralswiek, Telefon (0 38 38) 3 11 00, Fax (0 38 38) 31 31 92, Internet: www.stoerte­beker.de, E-Mail: Info@stoertebeker.de.

Foto: Ein Hauen und Stechen: Die Festspiele haben viele spannende Kampfszenen in der Aufführung.


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