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12.07.08 / Skurriler Streit um Staatsoper / Stiftungschef Stefan Rosinski: Saalgestaltung erinnert nicht genug an den Holocaust

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-08 vom 12. Juli 2008

Skurriler Streit um Staatsoper
Stiftungschef Stefan Rosinski: Saalgestaltung erinnert nicht genug an den Holocaust
von Patrick O’Brian

Selbst bei der Gestaltung, Planung oder Eröffnung von Gebäuden darf die Erinnerung an die NS-Verbrechen nicht fehlen: Als Angela Merkel ihre Rede zur Einweihung der neuen US-Botschaft am Brandenburger Tor hielt, da erwähnte sie – reichlich aus dem Zusammenhang gerissen – auch den Holocaust.

Ein Zug der Zeit: Kaum eine Debatte kommt, so scheint es, ohne Nazi-Bezug aus, auch keine architektonische. Dies erfuhren die Leser des Berliner „Tagesspiegels“, wo sich vor einem Monat Stefan Rosinski zu Wort meldete. Rosinski sagte, der jetzige Innenraum der Berliner Staatsoper erinnere nicht genug an den Holocaust. Und nicht nur das. Der Raum knüpfe, so wie er jetzt sei, an den „preußischen Aufbruch zum Weltreich“ an.

Was hat die Inneneinrichtung eines Opernraums mit dem Nationalsozialismus zu tun? Und wann hatte Preußen ein Weltreich? Jeder halbwegs historisch Bewanderte faßt sich beim Lesen solcher Zeilen an den Kopf und fragt sich, wie jemand auf solch krude Gedanken kommt. Der „Tagesspiegel“-Artikel ließe sich als skurrile Einzelmeinung ad acta legen, wenn Stefan Rosinski nicht der Berliner Opernchef selbst wäre. Er ist Generaldirektor der Opernstiftung, zu der auch die anderen beiden Häuser (Komische Oper, Deutsche Oper) gehören. Das heißt: Rosinski kommandiert tatsächlich Truppen herum. Um die Staatsoper jetzt nach seinen Wünschen umbauen zu können, hat er zu seiner stärksten Waffe gegriffen – dem Holocaust-Argument und der offenen Preußenfeindlichkeit.

Worum aber geht es wirklich bei der Renovierung des geschichtsträchtigen Hauses? Das Unter den Linden gelegene Gebäude muß dringend saniert werden. Es ist das älteste Opernhaus, geht zurück auf den königlichen Architekten Georg Wenzelslaus von Knobelsdorff, der überwiegend für Fried­rich den Großen tätig war. 1743 wurde der elegante Bau fertiggestellt.

1843 brannte er bis auf die Grundmauern nieder. Es folgte der Wiederaufbau. 1924 bis 1928 wurde das Haus stark modernisiert. Im Zweiten Weltkrieg war die Staatsoper eines der ersten Bombenopfer, wurde völlig zerstört. 1941/42 wurde sie zwar wieder aufgebaut. Doch nur, um gleich darauf abermals durch Bombeneinschlag zertrümmert zu werden.

Dann endlich Frieden. Die SED-Führung machte Mittel für den Wiederaufbau dieses friderizianischen Schmuck­stücks frei, während sie andere Häuser in der näheren Umgebung (so das Stadtschloß und Schinkels Bauakademie) gänzlich planieren ließ. Der Architekt Richard Paulick ließ das Gebäude weitgehend in seiner klassischen Form wiedererrichten. Bei der Einweihung 1955 wurde die preußische Inschrift „Fridericus Rex Apolloni et Musis“ (König Friedrich dem Apoll und den Musen) jedoch entfernt.

Während der Teilung Berlins entwickelte sich die Staatsoper zu einem Ost-Berliner Publikumsmagneten. Schon vor dem Mauerfall waren hochrangige Offiziere der Westalliierten gern zu Gast in dem repräsentativen Opernhaus im Herzen der Stadt. Wer seinem Mädchen in den 70er, 80er Jahren etwas Spektakuläres bieten wollte, der fuhr mit ihm in die Staats­oper nach Ost-Berlin. Von der Revolution 1989 profitierte das Haus mit nur 1400 Plätzen dann noch einmal. Seitdem zieht es nicht nur Berliner an, auch viele Touristen kommen wegen der Staatsoper eigens in die Stadt.

Nun also soll das Haus renoviert werden. Es gibt einen Entwurf, der Abschied nimmt von dem alten, noch immer preußisch anmutenden Innenraum. Ein neuer, moderner Raum solle Sicht- und Akustikprobleme beseitigen, behauptet Architekt Klaus Roth, der den Entwurf eingereicht hat. Als „Bonbonfarbene Tristesse aus Beton und Edelstahl“ verwerfen hingegen konservative Kritiker seinen Entwurf.

Eine Umfrage stärkt ihnen den Rücken. 86 Prozent der Berliner sprechen sich demnach für den Erhalt des bestehenden Opernsaals mit den historischen Anklängen aus. Auch der Verein der Opernfreunde ist vehement für die Beibehaltung der klassischen Gestaltung.

Auf der anderen Seite stehen der Generalmusikdirektor der Staatsoper Daniel Barenboim und eine Jury, die den Roth-Plan mit dem ersten Platz ausgezeichnet hat. Eine endgültige Entscheidung ist damit jedoch noch nicht getroffen. Auch die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher sagt, diese Jury-Entscheidung sei nicht das letzte Wort. Das kommt wohl vom Regierenden Bürgermeister persönlich, der Opern-Angelegenheiten gern zur Chefsache macht.

Freitag nächster Woche fährt Klaus Wowereit in den Urlaub. Vorher wird er sich festlegen – das hat er angekündigt. Berlin wartet auf sein Urteil.

Foto: Soll „bonbon­farbener Tristesse“ weichen: Der Saal der Berliner Staatsoper.


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