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12.07.08 / Merkel kann nur verlieren / In der Union begehren die ersten gegen die Kanzlerin auf – Ihre Profillosigkeit bietet Angriffsfläche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-08 vom 12. Juli 2008

Merkel kann nur verlieren
In der Union begehren die ersten gegen die Kanzlerin auf – Ihre Profillosigkeit bietet Angriffsfläche
von Hans Heckel

Es ist nicht lange her, da spielte jeder führende Unionspolitiker mit seinem politischen Leben, wenn er öffentlich etwas gegen die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sagte. Zunächst belächelt, verschaffte sich die Parteivorsitzende Schritt um Schritt eine scheinbar unangreifbare Position, aus der heraus sie die Union in strenger Zucht zu beherrschen schien. Sogar die sonst so selbstbewußte und noch für jeden CDU-Kanzler unbequeme CSU war nach dem zähen Übergang von Edmund Stoiber zum Duo Beck-stein / Huber mit sich selbst beschäftigt.

In jüngster Zeit mehren sich indes die Zeichen für einen Gezeitenwechsel in der Union. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers tritt immer ungenierter als Rivale der Kanzlerin hervor. Erfolgreich legt sich der Chef des größten CDU-Landesverbandes etwas zu, was der Kanzlerin selbst in den Augen vieler Unionsanhänger schmerzlich abgeht: ein greifbares Profil. Der einstige Forschungsminister von Helmut Kohl empfiehlt sich als die sozialpolitische Antwort auf die links-populistischen Attacken aus dem Hause Gysi / Lafontaine und gleichzeitig als soziale Alternative zur SPD.

Die Kanzlerin dagegen hat sichtbare Schwierigkeiten, mit ihrer Doppelrolle als CDU-Vorsitzende und Chefin einer Großen Koalition zurechtzukommen: Wie zuletzt beim G8-Gipfel in Japan vertritt sie als Kanzlerin den Atomausstieg, fügt jedoch stets hinzu, daß sie „als Privatperson“ für die Kernkraft sei. Auch Merkels „Klimapolitik“ bleibt unscharf. Vollmundigen Erklärungen zum sogenannten Klimaschutz folgen kaum greifbare Initiativen. Sachpolitisch mag das die Klimaskeptiker, die im Klimaschutz kaum mehr als Angstmache und Abzocke sehen, sogar beruhigen. Doch für die Erkennbarkeit einer Kanzlerlinie ist die Diskrepanz zwischen Worten und Taten keineswegs hilfreich.

In der Türkeipolitik setzt sich das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel fort: Als Kanzlerin vertritt Angela Merkel die Fortführung der EU-Beitrittsverhandlungen, als CDU-Vorsitzende tritt sie dagegen für eine „privilegierte Partnerschaft“ der Türken mit der EU ein – als Alternative zum Beitritt.

In ihrer Mittlerrolle zwischen Partei und Koalition droht sich die Regierungschefin im Ungefähren zu verheddern, was innerparteiliche Gegenspieler wie Jürgen Rüttgers, der sich unübersehbar in Position bringt für eine Nach-Merkel-Ära, für sich zu nutzen wissen.

Dabei spielt ihnen die Zeit in die Hände: Die CSU suchte lange händeringend nach Themen, mit denen sie eine heraufziehende Katastrophe bei der Bayernwahl abwenden könnte, und fand die Pendlerpauschale. Mit dem verzweifelten Mut des Ertrinkenden weisen die Christsozialen nun nicht allein jeden Führungsanspruch der Kanzlerin brüsk zurück. Sie suchen geradezu die Konfrontation, um sich von der in Umfragen dahindümpelnden Partei Angela Merkels abzusetzen. Merkel vermag dagegen nichts aufzubringen als ein lustloses, monotones Beharren auf dem Status quo.

Die Bayernunion führt auf diese Weise aller Welt die mangelnde Durchsetzungskraft der CDU-Chefin vor – nicht nur den Wählern, sondern auch der CDU-Basis und dem gesamten Mittelbau der Partei. Was nicht ohne Folgen bleibt: CSU-Chef Erwin Huber jubelt in der „Frankfurter Allgemeinen“, daß er eine „wachsende Zustimmung aus fast allen CDU-Landesverbänden und der Bundestagsfraktion“ für die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale registriere.

Mit anderen Worten: Der CSU-Chef ist nicht nur der Meinung, er hofft sogar – und das öffentlich –, daß sich die CDU-Vorsitzende in einer für viele Deutsche wichtigen politischen Frage isoliert. Und, daß sie am Ende eine saftige Niederlage einfahren werde und nachgeben müsse.

Das Dilemma für Merkel besteht darin, daß sie in dieser zentral gewordenen Frage eigentlich nur verlieren kann. Gibt sie nach, werden das ihre Rivalen, allen voran Jürgen Rüttgers, als erste gewonnene Schlacht verbuchen und erst recht zum Sturm blasen. Verharrt sie indes bei ihrer Ablehnung, wäre die Schuldige für die praktisch unvermeidlichen Einbußen der CSU bei der Landtagswahl schnell gefunden: Angela Merkel.

Von der Bayernwahl bis zu den nächsten Bundestagswahlen sind es nur kurze zwölf Monate. Für viele Unionsabgeordnete im Bundestag Anlaß genug, sich langsam Sorgen zu machen um ihren Wiedereinzug ins Parlament. Aufgescheucht von einem Rückschlag in Bayern und ermutigt von der daraufhin weiter anschwellenden Merkel-Kritik prominenter Unionspolitiker dürfte da so mancher aus der Deckung kommen, der bislang aus Furcht vor dem langen Arm der Vorsitzenden lieber schwieg.

Der vom Druck der Linkspartei und verheerenden Umfragewerten gebeutelten SPD verspricht eine solche Führungskrise in der Union eine Verschnaufpause. Die Sozialdemokraten könnten den Spieß sogar teilweise umdrehen: Ebenso wie die Union sie jagte mit der unablässigen Forderung nach Klärung ihres Verhältnisses zur Linkspartei, bietet jedes innerparteiliche Gerangel in der Union der SPD die Chance, den Koalitionspartner mit der Frage zu peinigen, wer in der Union denn nun die Richtung vorgebe – die Kanzlerin, Herr Rüttgers, die CSU oder wer?

Vorerst jedoch brauchen Kurt Beck und die Seinen nur schweigend zu genießen. Das Aufbegehren in der Union gegen Angela Merkel lenkt die Aufmerksamkeit der Medien automatisch weg von den weiterbestehenden Ungereimtheiten und bedenklichen Entwicklungen bei den Sozialdemokraten hin zum Koalitionspartner.

Foto: Unzufrieden: Jürgen Rüttgers übt immer öfter Kritik an der Ausrichtung der von Merkel geführten CDU.


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