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12.07.08 / Ost-Deutsch (74): Schund

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-08 vom 12. Juli 2008

Ost-Deutsch (74):
Schund
von Wolf Oschlies

Inzwischen haben viele mazedonische Städte eigene Songfestivals, aber das älteste ist immer noch das beste. 1985 als „Song-Fest“ im ostmazedonischen Valandovo gestartet, bringt es Jahr für Jahr neue Lieder im alten Stil heraus, von denen nicht wenige sehr populär wurden. Jedoch nicht bei den Puristen der Volksmusik, für die das „makedonski schund“ ist. Dieses deutsche Wort kennen auch andere Südslawen, die es für alles Minderwertige in Literatur, Kunst, Medien, Waren und vieles mehr anwenden.

Der „Schund“ entstand im 16. Jahrhundert als Substantivierung des Verbs „schinden“ und bezeichnete zunächst alle Arten von Unrat und Abfall. Ab dem 18. Jahrhundert wurde er ein Begriff für schlechte Ware und vor allem für schlechte Literatur. Von 1926 bis 1935 galt in Deutschland ein „Schmutz- und Schundgesetz“, dessen Umsetzung durch „Prüfstellen für Schund- und Schmutzschriften“ beaufsichtigt wurde.

Solche Stellen bestehen bei unseren südöstlichen Nachbarn nicht, weil ihre Aufgabe Medien und Publikum übernommen haben: „Piramida je i dalje TV-sund“, giftete unlängst der Zagreber „Nacional“: Die Pyramide, ein Gewinnspiel, ist nach wie vor TV-Schund. Was typisch ist, befand die in Split erscheinende „Feral Tribune“, denn „Hrvati se odvajkada klanjaju sundu“ – Kroaten verneigen sich seit jeher vor Schund. Bei Serben bezeichnet das Wort mehr materielle Minderwertigkeit, etwa „krijumcarska sund-roba“ (geschmuggelte Schundware). Aber sie verdammen auch „sund-literatura“, also „knjige bez ikakve umetnicke vrednosti“ (Bücher ohne allen künstlerischen Wert). Ähnlich klagen die Mazedonier: „Mladite se pod silno vlijanie na muzickiot sund“ (Jugendliche stehen unter starkem Einfluß von musikalischem Schund).

Alle diese Verdammungen tragen eine Unsicherheit in sich: Wer bestimmt, was Schund ist? Serben zerbrechen sich den Kopf über die Abgrenzungen zwischen „uskost-neuskost, umetnost-kic, narodna muzika – sund muzika“ (Geschmack – Geschmacklosigkeit, Kunst – Kitsch, Volksmusik – Schundmusik). Und mazedonische Kritiker fragen, ob wirklich jeder Bestseller literarischer „sund“ sei. Es ist schon eine Schinderei, wahren Schund auszumachen, ohne jemanden zu beleidigen.


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