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12.07.08 / Späte Rache für einstige Kritik / Dunkle Seiten balkanischer Medienprivatisierung: »Feral Tribune« eingestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-08 vom 12. Juli 2008

Späte Rache für einstige Kritik
Dunkle Seiten balkanischer Medienprivatisierung: »Feral Tribune« eingestellt
von Wolf Oschlies

Mitte Juni hielt das 1950 gegründete „International Press Institute“ (IPI) im serbischen Belgrad seinen Jahreskongreß ab. Gleichzeitig stellte im kroatischen Split die Wochenzeitung „Feral Tribune“ ihr Erscheinen ein. Beide Ereignisse haben mehr als das zeitliche Zusammenfallen gemeinsam: Was man in Belgrad debattierte, wurde in Split harsch demonstriert – Licht- und Schattenseiten der Medienprivatisierung in Südosteuropa.

Laut OSZE ist diese grundsätzlich positiv, weil Medien im Staatsbesitz charakteristisch für diktatorische Regime sind und Medienprivatisierung den Systemwandel kennzeichnet. Das bestätigt ein Blick gen Osten: In Ungarn startete die Privatisierung 1988, in Tschechien eingangs der 1990er Jahre, während sie in den Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens erst quälend langsam unterwegs ist. Es geht ja nicht nur um Besitzwechsel, sondern um die Neubestimmung des Verhältnisses von Medienfreiheit, Staatsmacht und Privatkapital.

Rund 30 Prozent der Menschen in Ex-Jugoslawien lesen laufend Zeitungen, was die Nachfolgestaaten für ausländische Pressekonzerne attraktiv macht. Einer der erfolgreichsten ist der Essener WAZ-Konzern, seit Ende 2001 geleitet von Bodo Hombach, dem früheren Chef des Stabilitätspakts Südosteuropa. WAZ-Repräsentant für Südosteuropa ist Srgjan Kerim, langjähriger Botschafter Mazedoniens in Deutschland, später Außenminister seines Landes. In Mazedonien ist der Konzern Besitzer oder Mehrheitseigner von drei Tageszeitungen, dem auflagenstarken „Dnevnik“ (Tagebuch), dem intellektuellen „Utrinski vesnik“ (Morgenblatt) und dem Boulevardblatt „Vest“ (Nachricht), zusammen 90 Prozent des Markts. 

Im benachbarten Serbien hält der WAZ-Konzern seit März 2002 50 Prozent der ältesten Tageszeitung des Landes, der 1904 gegründeten „Politika“, die im alten Jugos-lawien ein Synonym für Zeitung schlechthin war. Sie war zuletzt schwer verschuldet, woraus die Essener sie retteten: „Der serbische Partner ist für redaktionelle Politik aller Ausgaben zuständig, während der WAZ das entscheidende Wort über alle ökonomischen Belange zusteht.“ Dieses Erfolgsrezept hat der Konzern zuvor in Rumänien, Bulgarien und Montenegro  anwendet: Autonome Redaktionen machen gute Zeitungen, die auch noch profitabel sind.

Diese Politik gilt nicht für Kroatien, wo die WAZ die Hälfte der „Europa Press Holding“ (EPH) hält und über sie auflagenstarke Blätter wie „Jutarnji list“ (Morgenblatt), „Slobodna Dalmacija“ (Freies Dalmatien) und weitere ganz oder teilweise übernahm. Kroatischer Miteigentümer von EPH ist Ninoslav Pavic, unter Tito ein kommunistischer Einpeitscher, dann unter dem kroatischen Staatsführer Franjo Tudjman eifriger Ausführer von dessen Bemühungen, Kroatiens Medien zu Sprachrohren der Tudjman-Bewegung „Kroatische Demokratische Union“ (HDZ) zu machen. Tudjman ist seit 1999 tot, die HDZ seit 2003 wieder an der Macht, und Pavic ist der mächtigste Mann der Medienszene, was „Feral Tribune“ zu spüren bekam.

2004 begann Pavic Verhandlungen mit „Feral Tribune“, um diese seiner EPH anzugliedern, und war großzügig in Vorleistungen: Kredite, Begleichung von Druckereischulden. Er war allerdings nicht bereit, die einzige Forderung der „Feral“-Macher, die nach redaktioneller Unabhängigkeit, zu akzeptieren. Mitte Juni 2008 brach er alle Kontakte ab und ließ „Feral“ eingehen – das berühmteste kroatische Blatt, einst ambitionierter Tudjman-Kritiker, das über Jahre mehr internationale Anerkennungen und Preise einheimste als die restliche kroatische Presse zusammen.

International berühmt wurden „Ferals“ Fotomontagen, etwa die von Tudjman und Milosevic im Lotterbett, die um die Welt ging. Dem Chefredakteur Viktor Ivancic trug das Prozesse, Zwangsmobilisierung zur Armee und weiteres Übel ein, was ihm wenig ausmachte: Die Auflage stieg auf 150000 Exemplare, die „International Federation of Journalists“ (IFJ) verlieh ihr 1996 einen Preis. Dabei bekam das Ausland Ivancics schönste Schienbeintritte gar nicht mit – als er zum Beispiel den HDZ-Slogan „Mi smo svi njegov narod“ (Wir alle sind sein Volk) am 4. Januar 1994 auf der Titelseite in Großbuchstaben so setzte: „Mi smo svinje – govna rod!“ (Wir sind Schweine, ein Scheißvolk).

Jetzt lebt „Feral“ nicht mehr, erdrosselt von der unheiligen Dreieinigkeit aus undemokratischer Politik, ökonomischer Oligarchie und internationaler Marktwirtschaft. Für letztere steht der WAZ-Konzern, dessen in ganz Südosteuropa probate Strategie in Kroatien gründlich schiefging: Die Nichteinmischung in redaktionelle Belange hat hier den Parteigängern eines rechtsautoritären Regimes frei Hand gelassen – wo anderswo Blätter auf einen liberal-prowestlichen Kurs gebracht wurden, ist in Kroatien ein Blatt ge-opfert worden, das Prüfstein und Meßlatte für Meinungsfreiheit und Bürgerreife war. Ein Verlust, nicht nur für Kroatien!


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