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19.07.08 / Platz für das Schloß / In diesen Tagen werden die letzten Reste des Palastes der Republik abgetragen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Platz für das Schloß
In diesen Tagen werden die letzten Reste des Palastes der Republik abgetragen
von Patrick O’brian

Oh, schaut mal: eine Ruine“, ruft jemand. Plötzlich starren alle Gäste an Bord des Ausflugsdampfers wie gebannt nach rechts. Dort stehen die letzten Reste des Palastes der Republik. An den Ecken ragen noch Betonklötze in den Himmel, doch die Stahlträger sind von den Kränen längst behutsam herabgelassen worden und liegen am Spreeufer. Sie warten auf den Abtransport zu einem Schrotthändler in Roßlau (Sachsen-Anhalt).

Jeden Tag fahren Passagierschiffe auf dem Spreebogen an der Baustelle entlang. Jeden Tag gehen Tausende von Berlin-Touristen Unter den Linden am ehemaligen DDR-Prunkgebäude vorbei. Sie alle verfolgen den Abriß des Betonmonsters mitten in der deutschen Hauptstadt. Deutlicher könnte das jämmerliche Ende des SED-Regimes kaum symbolisiert werden als durch den nun zu Ende gehenden Abbau.

Ein bißchen sieht „Erichs Lampenladen“ (DDR-Begriff) so aus wie eine antike Tempelruine, nur daß niemand kommt, und den Torso als Steinbruch oder als Quelle für andere Baumaterialien mißbraucht. Alles ist abgesperrt. Aus gutem Grund: Sonst wären wahrscheinlich sogar die großen Stahlträger schon weg.

Altmetall ist wertvoll dieser Tage. Immer wieder verschwinden auf Berlins Straßen sogar schwere Gullydeckel. Metallhändler zahlen für die entwendeten Deckel an die 40 Euro. Die rostigen Stahlträger am Spreeufer dürften Zehntausende, ja Hunderttausende wert sein.

Es ist der PDS/Linkspartei nicht gelungen, den Abriß aufzuhalten. Und das, obwohl sie seit über sechs Jahren in der Berliner Landesregierung mitbestimmt. Die Altgenossen konnten lediglich durchsetzen, daß der Abriß nicht Abriß heißt. Politisch sensibel wird er als „selektiver Rückbau“ bezeichnet.

Das hört sich so an, als ob nur ein Teil des Palastes verschwindet und ein anderer zurückbleibt. Aber dem ist nicht so. Vom Palast der Republik bleibt nichts übrig. In einem Jahr werden die letzten Überreste entsorgt sein. Der Sitz der DDR-Volkskammer wird dann nur noch auf Postkarten zu sehen sein.

In der vergangenen Woche begann die Demontage der großen Querträger, auf denen das Dach lag. Sie wiegen je 100 Tonnen, sind 90 Meter lang. Ihr Schrottwert beträgt 35000 Euro – pro Stück. Es waren mehrere Baukräne nötig, um sie herunterzuwuchten. Am Ende der Woche war kaum noch etwas von ihnen zu sehen. In der kommenden Woche sollen die letzten verschwunden sein. Dann ist der Palast nur noch zu erahnen. Die Ecktürme werden danach konventionell mit Preßlufthämmern zertrümmert.

2006 war mit den Abrißarbeiten begonnen worden. Das war mitten in einem Wahljahr. Für die Linkspartei eine große Provokation, aber sie mußte sie schlucken – wie so vieles in der Koalition mit der SPD. „Die vernachlässigen ihre Ost-Berliner Wählerklientel arg“, urteilten damals Polit-Forscher. Und sie hatten recht. Im September 2006 verlor die ehemalige SED massiv an Stimmen, vor allem in ihren Hochburgen östlicher der alten Mauerlinie.

Noch heute schimpft das Ost-Berliner Boulevardblatt „Berliner Kurier“ anläßlich der Demontage der Querträger: „Hier brechen sie dem Palast endgültig das Rückgrat.“ Und: Ein „Trauerspiel“ sei der Rückbau, grüner Rasen werde dereinst das „Grab des Palastes“ bedecken.

Große Worte. Großes Pathos. Großer Unfug. Das Gebäude war asbestverseucht und hat seit Jahren vor sich hingegammelt. Es hätte nur gerettet werden können, wenn dies gleich nach der Wiedervereinigung der Stadt in Angriff genommen worden wäre. Doch nach Jahren des Leerstands war der grobe Koloß so heruntergekommen, daß niemand bereit gewesen wäre, für die Sanierung zu zahlen. Auch und gerade jene nostalgischen Ost-Berliner nicht, die jetzt den Verlust an „Ost-Identität“ beklagen, weil das Palastgerippe dem Erdboden gleichgemacht wird.

Dagegen erhoffen sich die Schloßbefürworter, daß sie nach dem Vorbild der Dresdner Frauenkirche das Geld für die Originalfassade durch Spenden zusammenbekommen. Sie soll das geplante Humboldtforum äußerlich zum alten, neuen Berliner Stadtschloß machen. Baubeginn: 2010.

Mit verstärkten Sammelaktivitäten will der Verein, den der Hamburger Kaufmann Wilhelm von Boddien einst ins Leben rief, die noch fehlenden 60 Millionen Euro zusammenbringen. Der Förderverein sieht sich allerdings in seiner Arbeit behindert, weil auf der vorübergehend entstehenden Freifläche nach dem Willen des rot-roten Senats kein Informationshaus zum Stadtschloß entstehen darf.

Vielmehr hat der Senat, der ohnehin eher Schloß-kritisch eingestellt ist, das Gelände einer privaten Künstlerinitiative überlassen, die dort ein provisorisches Kunstmuseum namens „white cube“ (weißer Würfel) errichten wird. Schon im Herbst soll der Würfel stehen. Dann ist der Palast endgültig Geschichte.


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