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19.07.08 / Auswendig lernen statt Verständnis / Neuer Einbürgerungstest spaltet die Gemüter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Auswendig lernen statt Verständnis
Neuer Einbürgerungstest spaltet die Gemüter
von Silke Osman

Die einen sprechen von „Schikane“, die anderen von einer „Lotterie“, wieder andere schmunzeln eher über dieses deutschlandweite „Quiz“. Innenminister Wolfgang Schäuble meinte, der Test sei „nicht so anstrengend wie eine Führerscheinprüfung“. Gemeint ist immer dasselbe – der Einbürgerungstest, den Ausländer, welche die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben wollen, ab dem 1. September ablegen müssen. 310 Fragen wurden vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Berliner Humboldt-Universität erarbeitet, von denen 33 nach dem Zufalls-prinzip ausgewählte Fragen dem Antragsteller vorgelegt werden. Von diesen muß er lediglich 17 richtig beantworten. Der Test kann so lange wiederholt werden, bis er erfolgreich absolviert wurde. Die 33 Fragen aus dem Gesamtkatalog werden allerdings jedes Mal neu zusammengestellt.

Inzwischen sind die Fragen im Internet veröffentlicht worden, und so mancher Deutscher wird auch schon einmal getestet haben, was er alles über sein Heimatland weiß. Und wenn der eine oder andere ehrlich ist, dann wird er zugeben müssen, nicht auf alle Fragen eine schlüssige Antwort zu wissen. Spezialgebiete wie etwa die Frage nach dem Mindestalter von Schöffen lassen manchen schon ins Grübeln kommen. Manche Antworten seien auch schlichtweg falsch, so die Kritiker. In Niedersachsen gebe es zum Beispiel keine Landeszentrale für politische Bildung mehr. Auch sei es nicht generell richtig, daß ein Mieter den Vermieter auf jeden Fall in die Wohnung lassen müsse. Der Termin müsse abgestimmt sein und es müsse ein berechtigtes Interesse des Vermieters vorliegen.

Wie aber sieht es ein Deutscher ausländischer Herkunft, oder neudeutsch gesagt mit Migrantenhintergrund, der schon lange in der Bundesrepublik lebt? Die Preußische Allgemeine Zeitung sprach mit Bashir Nassimi, der bereits auf dem Gymnasium in Kabul Deutsch gelernt hat und seit mehr als drei Jahrzehnten in Hamburg lebt und arbeitet. Nassimi sieht die größte Schwierigkeit darin, daß die meisten hier lebenden Ausländer die deutsche Sprache nicht beherrschen: „Wer die Sprache nicht kann, kann sich nicht informieren. Und wer nicht informiert ist, kann diese Fragen nicht beantworten. Selbst dieser Crash-Kurs, der den Antragstellern angeboten wird, ist eher ein Scheingefecht. Die Leute werden solange auf Erfolg getrimmt, bis sie richtig antworten. Wenn sie vorher den Sinn dieses Tests nicht verstanden haben, dann tun sie es auch nicht nach dem Kurs und dem Test.“

Nassimi weist darauf hin, daß sicher auch mancher Deutscher die Fragen nicht beantworten könne. Etwa die nach dem verantwortlichen Politiker für die Ostverträge oder die Frage, was am 17. Juni 1953 in der DDR geschah. Man verlange aber von denen, die sich noch nie zuvor mit der Geschichte Deutschlands, den sozialen und gesellschaftlichen Umständen in der Bundesrepublik Deutschland befaßt haben, eine besondere Kenntnis. „Diejenigen, die nach acht Jahren jetzt einen Antrag stellen, also im Jahr 2000 nach Deutschland gekommen sind, die wissen doch nicht, wer als Kanzler der deutschen Einheit bezeichnet wird, die haben den Mauerfall doch gar nicht mitbekommen. Oder fragen Sie mal die Menschen auf der Straße nach den Römischen Verträgen und ihren Inhalten. Die Antragsteller lernen alles auswendig, und wenn es 310 Antworten sind, so lange bis es klappt.“

Einige Fragen seien auch mißverständlich, so Nassimi. „Da fragt man nach der Bedeutung des Rechts auf Freizügigkeit. Auch hier sind vier Antwortmöglichkeiten vorgegeben: Man darf sich seinen Wohnort selbst aussuchen. Man kann seinen Beruf wechseln. Man darf sich für eine andere Religion entscheiden. Man darf sich in der Öffentlichkeit nur leicht bekleidet bewegen. Ich muß gestehen, ich habe zunächst auf die leichte Bekleidung getippt“, schmunzelt er.

„Nur ein geringer Anteil der Ausländer in Deutschland beschäftigt sich aus eigenem Interesse mit den gesellschaftlichen und sozialen Fragen durch Zeitunglesen oder politische Magazine im Fernsehen. Von der Geschichte Deutschlands wissen die wenigsten. Sie haben kein Interesse, sie leben einfach, gehen zur Arbeit und kümmern sich um ihre Familie und Freunde. Dieser ganze Test ist eher ein Quiz, Hauptgewinn die deutsche Staatsbürgerschaft.“


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