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19.07.08 / Serbien präsentiert die Rechnung / Belgrad fordert Entschädigung für verlorenes Eigentum auf dem Gebiet des Kosovo

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Serbien präsentiert die Rechnung
Belgrad fordert Entschädigung für verlorenes Eigentum auf dem Gebiet des Kosovo
von Wolf Oschlies

Seit dem 17. Februar 2008 ist das Kosovo „unabhängig“, was wie eine Folge jahrzehntelanger politischer und investitorischer Versäumnisse Serbiens in seiner Südprovinz anmutete. Allerdings lief die „Unabhängigkeit“ unter Umständen ab, die Belgrad in den Harnisch brachte. Wie 1938 die Tschechoslowakei im Münchner Abkommen wurde Serbien ohne Anhörung oder Einspruchsmöglichkeit gezwungen, auf 15 Prozent seines Territoriums zu verzichten, damit Kosovo-Albaner einen „Staat“ bilden konnten. Heraus kam ein „Bastard-Staat“, finden die Albaner, um den sich allein die internationale Gemeinschaft zu kümmern hat.

Diesem „Staat“ gehen in seiner „überwachten Unabhängigkeit“ nahezu alle staatlichen Attribute ab, und Rußland sorgt in UN, OSZE und weiteren Welt-Organisationen dafür, daß die albanischen Landräuber und ihre internationalen Protektoren kein Bein an den Boden bekommen. Serbien hätte durch einen Boykott diesem „Staat“ rasch das flackernde Lebenslicht ausblasen können, sich damit aber Ärger und Gegenboykotts von Nato und EU eingehandelt. Darum verfiel Belgrad auf eine bessere Idee: Seit einer Expertentagung vom März 2007 ist es damit beschäftigt, die eigenen Besitztümer im Kosovo bis auf den letzten Dinar zu berechnen und der internationalen Gemeinschaft wie einen Zahlungsbefehl zu präsentieren.      

Das Kosovo war immer das Armenhaus Jugoslawiens und gegenwärtig ist es ökonomisch im freien Fall: 80 Prozent Arbeitslosigkeit, Massenelend, da (laut Internationalem Währungsfonds) 1,3 Millionen Kosovaren von 92 Cent pro Tag leben müssen. Andererseits ist das Kosovo von der Natur überreich bedacht: zweigrößte Kohlevorkommen Europas, unerschöpfliche Lagerstätten an Zink, Chrom, Blei, Silber, Gold, riesige Öl- und Wasserseen unter der Erde und weitere Schätze, deren Wert sich laut dem Belgrader Experten Slobodan Kljakic in Tausenden Dollar-Milliarden bemißt.

In Belgrad vermutet man, das demonstrative US-Interesse am Kosovo sei von der Gier nach dessen Reichtümern provoziert. In Pristina, dem Sitz der UN-Übergangsverwaltung, denkt man praktischer. Seit August 2006 ist der Deutsche Joachim Rücker UNMIK-Chef, der davor die Kosovo Trust Agency (KTA) leitete, die seit Juni 2002 mit der Privatisierung von kosovarischen Betrieben befaßt ist. Der Anfang war mühsam, so Rücker im April 2005 in einem Interview für die Deutsche Welle, weil „Wirtschaft immer etwas mit Eigentumsrechten und Vertragsrechten zu tun hat“, weswegen „man eigentlich verzweifeln müßte im Kosovo“. Dort galten noch die jugoslawischen Kategorien von Staats- und gesellschaftlichem Besitz, die UNMIK widerrechtlich dadurch aushebelte, daß „die Eigentumsfrage parallel oder später geklärt werden kann“. Betriebe werden auf 99 Jahre vergeben und erst danach ihren Eigentümern zurückgegeben, sofern man die noch ermitteln kann. UNMIK und KTA setzen auf serbische Rechtsunsicherheit, bieten in immer neuen „Wellen“ Objekte zur Privatisierung an und haben bereits rund 600 Betriebe veräußert. Der Erlös geht zu 20 Prozent an die Beschäftigten, zu 80 Prozent auf ein Treuhandkonto, woraus am Sankt-Nimmerleinstag Eigentümer bezahlt werden.

Dabei spielte Serbien nicht mit, schreibt Nenad Popovic, Chef des amtlichen „Wirtschaftsteams für Kosovo und Süd-Serbien“, in seinem 500-Seiten-Wälzer „Offen über die Kosovo-Wirtschaft“, der Ende Juni herauskam. Vorbei die Zeit nostalgischer Klagen über das „Kosovo Wiege des Serbentums“ und ähnliches Lamento – begonnen hat die Phase knallharter Rechnungen, über die nicht mit höhnischem Lächeln hinwegzugehen ist.

Kosovo ist UCK-Land, Land des Terrors und der Rechtlosigkeit, wichtigstes Teilstück der internationalen Routen von Drogen-, Menschen- und Waffenhandel. Hier investiert und kauft nur der, der Rohstoffe ausbeuten oder Billigarbeitskräfte nutzen will. Entsprechend ist die Politik der KTA, die die Kosovo-Betriebe zu Schleuderpreisen verhökert. Auch Belgrad weiß, daß es auf den realen Wert seiner Besitztümer nicht hoffen darf, ist aber nicht bereit, kosovarischen und internationalen Ladendieben freie Hand zu lassen.

Serbien bestreitet der KTA das Verfügungsrecht über den Flughafen Pristina, die Fernheizwerke von Djakovica und Pristina, den Energieverbund des Kosovo (KEK), die regionale Post- und Telekommunikation, die Eisenbahn und die Wasserversorgung des Kosovo, serbische Staatsbetriebe mit zusammen 1358 Betriebsstätten und 14000 Beschäftigten, die insgesamt einen Wert von rund vier Milliarden Euro darstellen. Dazu noch 24500 Hektar Ackerland und Wald und Bauten von insgesamt knapp zwei Millionen Quadratmetern, die 2003 auf einen Gesamtwert von 230 Millionen Euro berechnet wurden. Der Armee Serbiens gehören Ländereien im Gesamtumfang von 4,5 Millionen Quadratmetern, auf denen 568 Bauwerke stehen. Die Serbische Orthodoxe Kirche beansprucht 70000 Hektar Land mit 1181 Bauten, serbischen Betrieben gehören 1218 „Objekte“ im Kosovo, 270000 von Albanern vertriebene Serben hinterließen Besitz im Wert von mindestens vier Milliarden Dollar. Völlig in den Schornstein wird man die 17 Milliarden Dollar schreiben müssen, die das Kosovo im alten Jugoslawien vom „Fonds für Entwick-lungsförderung des Kosovo“ erhielt. Statt dessen mußte Serbien auf internationalen Druck die kosovarischen Auslandsschulden von 1,1 Milliarden Dollar übernehmen.

Über alle diese Posten ließe Belgrad mit sich reden, wenn ihm politische oder finanzielle Kompensationen geboten würden. Davon kann keine Rede sein. Die KTA-Privatisierungen betreffen nur „Filetstücke“ der Betriebe, und die hat sich die Politkaste des Kosovo, durchweg der terroristischen UCK entstammend, zumeist unter den Nagel gerissen. Beispielsweise ist das gesamte Tankstellennetz des Kosovo unter UCK-„Veteranen“ aufgeteilt, oft genug unter Mitwirkung korrupter UNMIK-Bediensteter. Fremde Kaufinteressenten werden durch Dokumente verschreckt, die allein in albanischer Sprache gehalten sind. Albaner haben kein Interesse an fremden Käufern, am allerwenigsten serbischen, aber auch nicht an anderen: Unlängst erwarb eine mazedonische Gruppe das Grand-Hotel in Pristina, ließ aber umgehend die Finger davon, als sie von Albanern mit Druck und Drohungen eingedeckt wurde.   

Foto: Widerstand: Serbische Politiker bei einer Protestkundgebung gegen ein unabhängiges Kosovo. (action press)


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