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19.07.08 / Flaschenpfand in die Verfassung!

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

»Moment mal!«
Flaschenpfand in die Verfassung!
von Klaus Rainer Röhl

Langsam dämmert es auch den Dümmsten. Mit der Sonnenenergie und den Windmühlen kommen wir nicht weiter in der Energieversorgung. Nachwachsende Energie ist eine Sack-gasse. Denn Rapsöl und Sprit aus Mais erzeugen schon beim Anbau und erst recht beim Verbrennen das gleiche, weltweit verteufelte Kohlendioxyd, genau wie Gas aus den Vorräten Sibiriens oder Kohle aus der Republik Polen (Oberschlesien) oder Billig-Kohle aus Korea. Öl ist zwar auch für die nächsten 100 Jahre vorhanden, kann aber nicht überall rentabel (also billig) gefördert werden, und die wenigen Länder, die auf Öl gebaut sind, können den Ölhahn beliebig auf- und zudrehen und die Preise ins Unendliche erhöhen, auch die Lebensmittelpreise. Dagegen kommen wir nicht an, nicht einmal mit Lidl und Aldi. Wasser- und Windmühlen, im Grunde eine Erfindung des Mittelalters, mit der die Niederdeutschen schließlich das ganze heutige Holland entwässert haben – und später die Danziger Weichselniederung und das Samland. Den Energiebedarf der heutigen Welt decken sie nicht einmal zu ein paar Prozent, ebensowenig wie die Sonnenkollektoren auf den Dächern. Damit kann man, aber auch nur im Süden, zuverlässig warmes Wasser für die Badewanne und die Küche produzieren, aber keine Fabriken und Zementwerke betreiben. Das wissen alle. Deshalb bauen alle Staaten dieser Welt neue, moderne Kraftwerke, die diese Energie produzieren sollen, Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke. Die Deutschen bauen keine Kernkraftwerke. Weil sie die Grünen fürchten – und sonst nichts auf der Welt. Eigentlich sollten wir auch keine Kohlekraftwerke bauen und auch keine Braunkohle „verstromen“ und eigentlich gar keine Rückstände aus der Urzeit mehr verfeuern. Fossile Energie. Unsere Volkserzieher in den Medien nennen sie täglich „schmutzige Energie“. Da, wo Kohlekraftwerke in der Nähe sind, ist der Schmutz ja auch mit Händen zu greifen, alles ist voller Ruß, die Wäsche ist schon auf der Wäscheleine schmutzig. Aber Ruß, nicht vollständig verbrannte Kohle oder Öl, ist nur der sichtbare Teil. Den kann man, wenn man Geld hat wie die Industrieländer, wegfiltern: Man sieht nichts. Aber die Luft ist trotzdem voller Kohlendioxyd. Und das nimmt in der Erdatmosphäre bedrohlich zu. Zwar brauchen die Pflanzen, vom Grashalm bis zum Urwald, Kohlendioxyd so nötig wie wir und die Tiere den Sauerstoff.

Ein perfekter Kreislauf. Wir atmen Kohlendioxyd aus und die Pflanzen atmen es ein, dafür atmet der Wald – und die Wiese – Sauerstoff aus, darum ist ein Spaziergang durch Wald und Feld so erfrischend. Früher nahm man an, daß der liebe Gott diesen perfekten Kreislauf ausgedacht habe. Zum Nutzen des Menschen. Was wir dem Schöpfer nicht alles zugetraut und angelastet haben mit seinem Kreislauf: Die Katze frißt nur die kranken Vögel, die Bienen sammeln den Honig für die Menschen, der Habicht hält uns die Mäuse vom Hals, die Raubtiere halten den Wildbestand klein, und die Nützlinge unter den Käfern halten den Schädlingen die Waage, wenn man sie nur läßt, der strenge Winter rottet die schädlichen Kleintiere im Garten und Feld aus. Deshalb brauchen wir so dringend mal einen kalten Winter, und immer, immer wieder geht die Sonne auf, und auf einen strengen Winter folgt ein milder Winter, und ist der Mai kühl und naß, füllt‘s dem Bauern Scheun und Faß.

Aber wozu hat der liebe Gott, der nur selten mal, wenn es ganz schlimm wurde mit den Menschen, korrigierend mit einer Sintflut eingriff und der im allgemeinen alles weise vorher bedacht hat, die Grünen geschaffen? Denn nichts geschieht auf Erden, was ER nicht sieht, also sieht er auch Trittin und Renate Künast. Und noch ist nicht herausgefunden worden, wozu die gut sind. „Wer weiß, wozu es gut ist“, sagte meine Großmutter, aber wozu sind die Grünen gut und die Umweltschützer, und wegen welcher großen Sünden hat der Herr die grüne Landplage über uns gebracht, und wie sind sie auf einmal aus dem Nichts entstanden?

Vor Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat und alle Linksintellektuellen sich den Kommunismus wünschten, natürlich mit „menschlichem Antlitz“, da entstanden die Grünen. Weil es einen Kommunismus mit menschlichem Antlitz nicht geben konnte, aus der Natur der Sache heraus, sollte eine „vierte Partei“ links von der SPD gegründet werden, aber es gab noch andere Ansätze. Sie kamen gewissermaßen aus der Tiefe des Raumes, wenn man so will, direkt aus der Nazi-Bewegung, die auch einen heute wenig beachteten Müsli-Flügel hatte, der Nichtrauchen als Krebsvorbeugung, vegetarisches Essen und eine natürliche Lebensweise verkündete. Wanderprediger, die an den Oberschulen Vorträge hielten, behaupteten, daß man jeden Bissen 32mal kauen solle („fletschern“, nach dem englischen Professor Fletscher). Man warb für vegetarische Ernährung („Der Führer ist Vegetarier!“), und alle sollten topfit sein und voller Freude singen. Das alles stammte aus der Jugendbewegung, die hatte es schon lange vor der NS-Zeit gegeben, und dazu gehörte auch eine gewisse Industriefeindlichkeit, oder besser gesagt, Sorge um die Folgen der Industrialisierung und Luftverschmutzung (!). Deshalb wollte man heraus „aus grauer Städte Mauern“ und an die frische Luft, und die Morgenfrühe, das war unsere Zeit, wie es in unzähligen Liedern der Jugendbewegung hieß. In der Tradition solcher industriekritischer, naturfrommer Denkweisen bildeten sich um 1970 zwei Gruppen: ein Diskussionskreis in Wennigstedt auf Sylt, der das Wattenmeer und die Dünen der Insel schützen wollte, und eine Bewegung von Weinbauern in Whyl, die sich gegen den Bau eines französischen Kernkraftwerks auf der anderen Seite des Rheins richtete. Diese Gruppen wurden Keimzellen einer Partei, die anders sein wollte als die anderen, auch anders als die wilden und undisziplinierten 68er. 1976 formierten sich die neuen Organisationen.

Als die neue Bewegung sich als „grüne“ und „bunte Liste“ am 4. Juni 1978 in Hamburg und Niedersachsen erstmals zur Wahl stellte, strömten die Mitglieder der kommunistischen Splitterparteien, die sich nach 1969 etabliert hatten, die sogenannten K-Gruppen, gezielt in die neue Partei und eroberten nach kurzer Zeit alle Spitzenpositionen. Nach 1978 waren die Grünen ein nicht mehr wegzudenkender Machtfaktor geworden.

Zu allem Überfluß kam, wenige Jahre nach der Etablierung der Grünen, Tschernobyl. Der GAU. Das war zwar keineswegs der „größte anzunehmende Unfall“, aber es war schlimm genug. Aber nicht einmal in der Ukraine und den schwer von den Folgen des Reaktor-Unglücks betroffenen Nachbarländern gab es eine solche von den Massenmedien entfachte und monatelang geschürte Panik in der Bevölkerung wie in Deutschland, das kein einziges Opfer der Katastrophe zu beklagen hatte.

Jedenfalls gab Tschernobyl der grünen Anti-Kernkraft-Bewegung einen mächtigen Auftrieb, der ausreichte, sie 1998 zusammen mit der SPD an die Macht zu bringen. Bei der grün-roten Regierungsbildung konnten Joschka Fischer und Trittin die vorzeitige Abschaltung sämtlicher Kernkraftwerke bei ihrem Koalitionspartner durchsetzen. Angela Merkel übernahm diese, gezwungenermaßen, in den Koalitionsvertrag. Einmalig in der Welt. Wie unsere ewig ratternden Windmühlen und unser in der Welt einmalig dastehendes Flaschenpfand auf Mineralwasser. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Die „nachhaltigste“ Bremse jeder wirtschaftlichen Ent-

wicklung, die einmalige, nur in Deutschland beschlossene freiwillige Zerstörung der modernen, in der ganzen Welt geschätzten deutschen Kernkraftwerke wird uns verfolgen, bis es keine Grünen mehr geben wird.

Aber es gibt immer noch eine Steigerung. Nach jeder Tragödie folgt bekanntlich eine Satire: Nachdem nun auch bis in die SPD hinein klar wird, daß kein Weg mehr an der Atomenergie vorbeiführt, kam der schon immer etwas abgehoben und schlafwandelnd wirkende Erz-Gutmensch Eppler mit einer kuriosen Idee: Zwar sollten einige Kernkraftwerke etwas länger laufen dürfen, dafür aber solle ein Bauverbot für neue Kernkraftwerke ins Grundgesetz hineingeschrieben werden, eine Idee, die der amtierende Umweltminister Gabriel für „spannend“ hält („FAZ“, vom 12. Juli). Also das endlich selbst von der SPD als falsch Erkannte ins Grundgesetz aufnehmen – warum nicht auch die Trittinische Schenkung Flaschenpfand? Flaschenpfand ins Grundgesetz! Schildbürgerstreiche als Maxime unseres Handelns. Die Schildbürger trugen bekanntlich, weil sie vergessen hatten, in ihr Rathaus Fenster einzubauen, das Sonnenlicht in Eimern und Schüsseln ins Gebäude, unsere modernen Schildbürger nutzen Sonnensammler und Windmühlen zur Stromerzeugung – im Zeitalter der weiterentwickelten, kohlendioxydfreien Kernenergie, die die gesamte übrige Welt benutzt – und das an der Schwelle zur Kernfusion, auf die die ganze Welt ihre Hoffnungen setzt.

Mehr zum Thema auf www.klausrainerroehl.de

Foto: Bauverbot für Kernkraftwerke ins Grundgesetz? Deutschlands Energiepolitik macht Sorgen. (ddp)


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