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19.07.08 / »Ich fühle mich als Preuße« / Plauderei über Leben und Werk, über neue Bücher und Ausstellungen des vor 150 Jahren geborenen Malers Lovis Corinth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

»Ich fühle mich als Preuße«
Plauderei über Leben und Werk, über neue Bücher und Ausstellungen des vor 150 Jahren geborenen Malers Lovis Corinth
von Silke Osman

Vor 100 Jahren zeichnete er, der von sich sagte: „Ich fühle mich als Preuße und kaiserlicher Deutscher“, die Toten-maske des Preußenkönigs Fried-rich II. – ein Abguß hing später in seinem Atelier, auch schuf er 1915 ein Gemälde der Totenmaske. Eine Zeitlang hat sich Lovis Corinth sehr intensiv mit dem Leben des Preußenkönigs beschäftigt. In einem Gespräch im November 1920 mit dem Herstellungs- und Redaktionsleiter des Kunstverlages Fritz Gurlitt in Berlin, Paul Eipper, erinnerte sich Corinth an eine entscheidende Begegnung: „Ich bin ins Zeughaus gegangen, zum ersten Mal in meinem Leben. Hören Sie, das war großartig! Denken Sie, da komm ich in einen Saal, steht da eine blaue Uniform, ein Dreispitz, ein Krückstock, ich seh das so von weitem, undeutlich, denke gleich, das ist doch Friedrich der Große, wahrhaftig, als ich näherkam, stand’s da: das sind seine Kleider. Ich war ordentlich erschrocken vor Ehrfurcht ... Wie gut, daß das Museum keine Wachsköpfe hat machen lassen. So war’s ja viel echter! Das war mir ein großer Genuß, meinen Sie nicht, ich sollte dort mal einen Rundgang machen?“

Wie sehr der Ostpreuße beeindruckt von dieser „Begegnung“ war, zeigt nicht zuletzt auch die Tatsache, daß er des Königs Uniform in seinen lithographischen Zyklus „Fridricus Rex“ aufgenommen hat. Eipper war es, der dem Künstler vorgeschlagen hatte, einen solchen Zyklus zu schaffen, die Reihe fortzusetzen, die Corinth mit Götz von Berlichingen und Martin Luther begonnen hatte. Nach kurzem Zögern – er wolle sich nicht neben eine solche Autorität in Sachen Preußen wie Menzel stellen – ging Corinth auf den Vorschlag ein. Im Laufe eines halben Jahres entstanden mehr als 40 Lithographien. Corinth an Gurlitt: „... ohne Übertreibung kann ich es wohl ein Kollossal-Werk nennen.“

Im November 1921 war das Werk vollendet – Mappe 1 „Aus dem Leben Friedrichs des Großen“, es folgte Mappe 2 „König Friedrich und sein Kreis“ (1921 / 22). 1926, auf der großen Corinth-Gedächtnisausstellung (Gemälde in der Berliner Nationalgalerie, Graphik in der Akademie der Künste) wurde auch der Zyklus in farbigen Lithographien ausgestellt. 60 Jahre später dann wurde der Zyklus nur in seinem ersten Zustand (einfarbig schwarz) gezeigt, da viele Blätter verlorengegangen waren. Die dritte und endgültig zur Auflage genehmigte Fassung war dann im Preußenjahr 2001 in Berlin zu sehen. Zum 150. Geburtstag des Malers aus dem ostpreußischen Tapiau veröffentlicht die Deutsche Stiftung Denkmalschutz nun alle ursprünglich 47 Einzelblätter des Zyklus, die überwiegend aus dem Nachlaß ihres Förderers Knut Köhler stammen.

Es ist nicht die einzige Publikation, mit der in diesem Jahr des 150. Geburtstags von Lovis Corinth gedacht wird. Der am 21. Juli 1858 in Tapiau Geborene hat lange keine solche Aufmerksamkeit erhalten wie derzeit. Eine große Ausstellung in Paris, die erste in Frankreich überhaupt, die sich mit Corinth und seinem Werk befaßte, lockte Tausende von Besuchern an. Nun ist sie im Museum der bildenden Künste in Leipzig zu sehen. Die qualitativ hochkarätige Auswahl ermöglicht einen umfassenden Einblick in das Werk des Ostpreußen, der wie kaum ein anderer deutscher Maler nachfolgende Generationen beeinflußt hat. Auch davon kann man sich in Leipzig überzeugen. Corinth gilt heute als ein Begründer der Moderne in der Malerei. „Wie kaum ein zweiter Künstler verlieh Corinth dem Medium Malerei neue Ausdruckskraft jenseits der Stile. Er entwickelte ein spannungsvolles Themenspektrum zwischen dionysischer Antike und christlicher Leidensgeschichte, vom intimen Genrebild bis zur subjektiven Landschafts-impression“, so die Veranstalter. Ein wichtiger Akzent liegt in der Leipziger Austellung auf den Selbstbildnissen, die er meist zu seinem Geburtstag schuf, und den Bildern vom Walchensee. Es war im Sommer 1918 – Corinth wollte vor dem Trubel um seinen 60. Geburtstag fliehen –, als die Familie zum ersten Mal in Urfeld am Walchensee weilte. Ein Jahr später besaß man dort ein eigenes Haus, das Ehefrau Charlotte für den Meister hatte errichten lassen. „Meine Mutter schuf ihm hier  ein wirkliches Paradies“, erinnerte sich Tochter Wilhelmine. „Und er lebte darin. Sie allerdings mußte eine schmerzliche Erfahrung machen. Corinth hatte ihr gleich beim Einzug ins Haus strikt verboten, jemals dort die Landschaft zu malen. Anderes ja: Tiere, Blumen, Porträts, was immer sie wollte. Nicht aber die Landschaft! Das war seine Domäne. Und niemand sonst sollte in sie einbrechen dürfen! – Meine Mutter hat sehr unter dieser egoistischen Forderung gelitten, war sie es doch, die alles für Corinth aus dem Nichts geschaffen hatte. Später erst hat sie begriffen, daß es klug und vorausschauend gedacht war. Urfeld und der Walchensee sind für immer mit seinem Namen verbunden und in der ganzen Welt bekannt ...“

Ein Walchensee-Motiv, die 1921 geschaffene „Landschaft mit Kuh“, steht im Mittelpunkt einer Publikation der Museumslandschaft Hessen Kassel. Marianne Heinz, Kustodin der Sammlung „Malerei und Skulptur ab 1750“ und herausragende Kennerin des Corinthschen Werks, zeigt die Bedeutung der Walchensee-Landschaft in der Kasseler Sammlung auf und beleuchtet Corinths Wirkungskraft bis in die zeitgenössische Malerei.

Wie aus Franz Heinrich Louis Corinth, dem Lorbaß aus Tapiau, der gern Pferde und Figuren aus Papier schnitt und als Schüler einen Lehrer karikierte, der große Lovis Corinth wurde, der mit den Großen der Kunstwelt verkehrte, eine „Malschule für Weiber“ betrieb und viel bewunderte Bilder schuf, das ist kurzweilig nachzulesen in der Biografie von Peter Kropmanns. Draufgänger,  Familienmensch,  Zweifler und Berserker mit dem Pinsel – all das mag Lovis Corinth gewesen sein, letzt-endlich aber ist er ein Künstler von hohen Graden gewesen, einer, der nicht nachließ in seinem Ringen um die Kunst. „... die wahre Kunst ist, Unwirklichkeit zu üben. Das Höchste! ... Schlecht ist solche Kunst, wenn sie bis zum Tz sehen läßt, was es zu bedeuten hat“, schrieb er am 31. März 1925. Dreieinhalb Monate später war er tot ...

Lovis Corinth: „Fridericus Rex“, lithographischer Zyklus, eingeleitet und kommentiert von Norbert Eisold, Monumente Publikationen, Bonn 2008, 128 Seiten, 53 farbige Abb., geb. mit Schutzumschlag, 24,50 Euro

Marianne Heinz: „Die wahre Kunst ist, Unwirklichkeit zu üben – Lovis Corinth, Walchensee, Landschaft mit Kuh“, Museumslandschaft Hessen Kassel, Bd. 18, Deutscher Kunstverlag, München 2008, 78 Seiten, Klappbroschur, 12,80 Euro

Peter Kropmanns: „Lovis Corinth – Ein Künstlerleben“, Verlag Hatje Cantz, Ostfildern 2008, 144 Seiten, geb., 38 Abb., davon 11 farbig, 22,80 Euro

Die Ausstellung im Museum der bildenden Künste, Katharinenstraße 10, 04109 Leipzig, ist dienstags, donnerstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs von 12 bis 20 Uhr geöffnet, Eintritt 8 / 5,50 Euro, Katalog 29 Euro an der Museumskasse, bis 19. Oktober, anschließend vom 9. November 2008 bis 15. Februar 2009 im Regensburger Kunstforum Ostdeutsche Galerie.

Abbildung: Lovis Corinth: Großes Selbstporträt vor dem Walchensee (Öl, 1924) (Archiv)


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