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19.07.08 / Einer mit zwei Geburtstagen / Vor 50 Jahren, am 26. Juli 1958, starb der Geograph Siegfried Passarge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Einer mit zwei Geburtstagen
Vor 50 Jahren, am 26. Juli 1958, starb der Geograph Siegfried Passarge
von Manuel Ruoff

Laut dem Kirchenbuch ist Siegfried Passarges Geburtstag der 26. Februar 1867. Geboren ist der Ostpreuße allerdings schon einige Monate früher. Der Pfarrer hatte seine Notizen verlegt und ihn deshalb erst mit fahrlässigem Verzug eingetragen. Ende November 1866 kam Passarge in Ostpreußens Hauptstadt zur Welt.

Der Sohn des dichterisch begabten Oberlandesgerichtsrates Ludwig (Louis) Passarge besuchte standesgemäß Königsbergs Fried­richskollegium. Seine Schullaufbahn spiegelt Passarges Intellekt nicht annähernd wider. Vielmehr wurde der Junge unterfordert, langweilte sich und lieferte derart schlechte Leistungen ab, daß er dreimal sitzenblieb.

Passarge hatte andere Prioritäten als ein gutes Abitur. Er wußte, was er wollte, und bereitete sich schon frühzeitig darauf vor. Er stählte seinen schwachen Körper durch Exkursionen in Eis und Schnee des Samlandes, denn er wollte fit sein für ein Leben als forschender Geograph.

Folgerichtig studierte Passarge nach dem Abitur Geographie, erst in Berlin, dann in Jena. Als nach der Pensionierung des Vaters das Geld knapper wurde, sattelte er auf ein Brot- und Butterstudium der Medizin um, denn Ärzte werden immer gebraucht und verdienten auch schon damals gut. Zudem konnte ein Medizinstudium auch bei völkerkundlichen Untersuchungen nicht schaden. 1892 machte er in diesem Fach Examen. Seine Neigung hat er beim Studium jedoch nie aus dem Auge gelassen, und so promovierte er in Geologie. Es folgte der Wehrdienst, aus dem er als Unterarzt hervorging.

Die Doppelgleisigkeit in Passarges Ausbildung findet in seinem Berufsleben zumindest vorerst ihre Fortsetzung. 1894 arbeitet er als junger Arzt in Berlin. Er nimmt allerdings auch in deutschem Auftrag an einer Expedition teil, welche die Grenzen des neuerworbenen Schutzgebietes Kamerun festlegen soll, und untersucht in englischem Auftrage die Kalahari auf die Möglichkeit von Gold- und Diamantenfunden.

Im Jahre 1905 schließlich wurde er als Nachfolger von Joseph Partsch auf den Lehrstuhl für Geographie nach Breslau berufen. Angesichts seines Forschungsschwerpunktes Afrika verwundert es nicht, daß er 1908 an das neugegründete Kolonialinstitut in Hamburg wechselte, aus dem nach dem Ersten Weltkrieg die heutige Universität Hamburg hervorging. Die Hansestadt wurde seine neue Heimat. Hier lehrte er bis 1936, und hier schlug er auch privat Wurzeln.

Siegfried Passarge beschritt in der Geographie neue Wege. Der Geograph und Mediziner begann, die Landschaft wie ein Arzt zu diagnostizieren und wurde damit zum Vater der modernen Landeskunde. Seiner Zeit voraus, ent­deck­te er schon damals die Bedeutung von Interdisziplinarität und Interdependenzen. Er warf die vier Fragen auf: Wie ist das Land beschaffen und welche Lebensbedingungen finden sich in ihm? Wie hat der Mensch sie ausgenutzt? Welche Kultur hat sich dort entwickelt? Wie war in großen Zügen der Geschichtsverlauf?

Der Entdecker des Zusammenhangs von Raum, Mensch, Kultur und Geschichte starb am 26. Juli 1958 in Bremen.


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