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19.07.08 / Auf der Walz vom Rhein bis zur Pfalz / Ein nicht nur kulinarischer Streifzug durch Deutschlands Toskana

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Auf der Walz vom Rhein bis zur Pfalz
Ein nicht nur kulinarischer Streifzug durch Deutschlands Toskana
von Uta Buhr

Brûlez le Palatinat!“ Mit dieser martialischen Order durch Ludwig XIV., die Pfalz niederzubrennen, begann im Jahre 1688 der Pfälzer Erbfolgekrieg zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Der „Sonnenkönig“ erhob seine Erbansprüche im Namen seiner Schwägerin, der berühmten Liselotte von der Pfalz. Sie war die Frau seines Bruders, des Herzogs von Orléans. „Während der neun Kriegsjahre leistete Ludwigs Soldateska unter General de Mélac ganze Arbeit“, erzählt der Führer auf Burg Berwartstein. Ein blühendes Land wurde völlig verwüstet. Die Franzosen hinterließen nichts als Ruinen und verdorrte Felder. „Auch von dieser stolzen Burg blieben lediglich rauchende Ruinen übrig.“

Einige Jahrhunderte später ließ ein von der Burgenromantik des Mittelalters faszinierter Preuße Berwartstein originalgetreu mit sämtlichen Zinnen und Türmen wieder aufbauen. Ein mit bunten Fresken ausgemaltes Erkerzimmer sowie der 104 Meter tiefe Brunnen, in den die Touristen mit leisem Schaudern hinabblicken, zählen heute zu den Hauptattraktionen.

Auf unserer „Walz vom Rhein bis zur Pfalz“ sind wir zur Burg Trifels in Annweiler hinaufgestiegen, hinter deren dicken Mauern einst Richard Löwenherz gefangengehalten wurde. Auch der Hardenburg in Bad Dürkheim, der größten Burgruine im ganzen Land, haben wir einen Besuch abgestattet, bevor wir in Richtung Deidesheim weiterzogen. Hier reiht sich eine behagliche Weinstube an die nächste, warten Gast-häuser mit deftigen Pfälzer Spezialitäten auf.

Nirgendwo mundet der Pfälzer Saumagen, Altkanzler Kohls Leib- und Magengericht, so wie hier. Ein mit Anekdoten und Schwänken gewürzter Rundgang über Plätze und durch verwinkelte Gassen, vorbei am eleganten barocken Rathaus und dem Gotteshaus St. Ulrich, rundete den Genuß ab.

Ein Abstecher in den romantischen Ort Schönau, und schon tauchen wir zu vorgerückter Stunde in die Tiefen des Pfälzer Waldes / Nordvogesen ein. Jetzt heißt es „Auf zum Wipfelgipfel!“ Der erste Baumwipfelpfad Deutschlands erstreckt sich über knapp 300 Meter. Auf festen Bohlenwegen und schwankenden Hängebrücken wandeln wir durch das dichte Blattwerk der Kronen von Eichen, Buchen und Linden, hangeln uns an eisernen Ketten über eine Tellerbrücke und lauschen dem Ruf eines Käuzchens, dem Gurren einer Waldtaube. Eine Eule hockt wie angewurzelt auf einem Ast und starrt uns aus weit geöffneten Augen an. Von der Plattform, die 35 luftige Meter über dem Waldbogen schwebt, genießen wir in dieser mondhellen Nacht einen grandiosen Blick auf den Pfälzer Wald. „Schon gewipfelt?“ lautet der launige Slogan, mit dem der Baumwipfelpfad für Gäste wirbt. Schon heute ist diese neue touristische Attraktion ein Renner.

Was tun mit unseren still gelegten Gleisen, fragten sich die Verantwortlichen im Landkreis Kusel. Die zündende Idee, auf der ehemaligen Bahnstrecke Draisinen einzusetzen, kam ihnen bei einem Glas Wein. Inzwischen rattern die von zwei Radlern betriebenen eisernen Ungetüme durch die üppig blühende Landschaft. Wir beginnen die amüsante Tour in Kusel und treten wacker über knapp fünf Kilometer in die Pedale bis nach Ulmet. Von hier aus sind es nur ein paar Schritte zum Waldhotel Felschbachhof, einem Restaurant vom Feinsten. Was Stefan Klinck, Inhaber und Chefkoch in Personalunion, auf den Tisch bringt, zergeht auf der Zunge: fangfrischer Fisch aus den nahegelegenen Gewässern, Waldpilze und phantasievolle Desserts mit Früchten aus dem Garten. Dazu ein edler Tropfen aus „Deutschlands Toskana“, wie die Pfalz auch genannt wird, und wir sind zu neuen Abenteuern bereit.

Ein Schlenker zur Burganlage Lichtenburg, die einem Märchen der Brüder Grimm entstiegen zu sein scheint, und wir machen uns auf zur Falknerei Potzberg in Föckelberg. Die Flugschau findet über einem schroffen Felsen statt, der aus dem für die Pfalz typischen Buntsandstein geformt ist. „Kommen Sie schnell“, mahnt der Falkner, „bevor das Wetter umschlägt.“

Ohrenbetäubendes Geschrei aus vielen Vogelkehlen empfängt uns. Die Seeadlerin Hera eröffnet den Reigen. Mit weit ausgebreiteten Schwingen steht sie in der Luft. Rotmilane und Falken segeln über uns, berühren fast unsere Köpfe. Als die ersten Regentropfen fallen und in der Ferne ein Donner grollt, ziehen sie sich kreischend in ihre Käfige zurück. „Wenn die gefiederten Freunde nicht mehr wollen, kann auch Vater nichts machen“, lacht der Falk-ner und entläßt uns ins Turmhotel gleich nebenan. Hier scheinen noch Ritter und Minnesänger gegenwärtig zu sein. Alte Rüstungen und Hellebarden lehnen an den Wänden. In einem von Kerzen erhellten Saal ist eine üppige Tafel gedeckt. Bei mittelalterlicher Musik schlürfen wir Gemüsesuppe aus Tonschüsseln, zerteilen Schweinelenden mit den Fingern und spülen die Köstlichkeiten mit einem bis an den Rand gefüllten Becher Met hinunter. Am nächsten Morgen wartet eine Massage in der hauseigenen „Leybknete-rey“ auf uns.

Der „Pfälzer Hüttenzauber“ lockt Menschen aller Altersklassen auf die Hauensteiner Schuhwanderwege. Mitten im Wald laden Holzhütten Wanderer zum Verweilen ein. Wer will, kann in einfachen Unterkünften übernachten. An blank gescheuerten Tischen werden rustikale Speisen aufgefahren. Während dampfende Schüsseln herumgereicht werden, stimmt ein Herrenquartett ein Wanderlied an. Die Anwesenden fallen fröhlich ein.

In bester Stimmung geht es auf Schusters Rappen weiter zum Deutschen Schuhmuseum in Hauenstein. „Der Pfälzer Wald war früher eine sehr arme Gegend“, erzählt der Kustos der Museumsfabrik. „Deshalb fingen unsere Altvorderen im 19. Jahrhundert an, Schuhe herzustellen.“ Der Rundgang gewährt interessante Einblicke in traditionelle Fabrikationsmethoden und zeigt Schuhwerk aus verschiedenen Epochen. Die eleganten Knöpfstiefel von 1910 mit den zierlichen Absätzen sind inzwischen wieder ganz modern. Aber die plumpen Treter aus dem Jahre 1945 gehören wirklich ins Museum „und nicht an den Fuß“, wie eine Besucherin bemerkt.

Ein kleiner Leckerbissen ist die Sonderabteilung am Ende der Ausstellung. Ein Dutzend handverlesener Politiker hat dem Museum ein Paar häufig getragener Schuhe zur Verfügung gestellt. Die „Elbkähne“ eines Helmut Kohl stehen in unmittelbarer Nachbarschaft von Angela Merkels schwarzen Stiefeletten.

Und auch unser ehemaliger Außenminister Josef „Joschka“ Fischer ließ sich nicht lumpen. Er bereicherte den Fundus des Hauses mit einem Paar schmuddeliger Turnschuhe.

Foto: Vergnügen auf stillgelegten Gleisen: Mit der Draisine fünf Kilometer von Kusel bis Ulmet (Buhr)


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