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26.07.08 / Bauboom ohne Boden / Rumänien fehlen Arbeiter und zahlungskräftige Käufer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-08 vom 26. Juli 2008

Bauboom ohne Boden
Rumänien fehlen Arbeiter und zahlungskräftige Käufer
von Ernst Kulcsar

Bewohner der rumänischen Hauptstadt Bukarest meinen, die Stadt wäre nie so schön wie jetzt. Auch jene, welche nur die Maßstäbe vom Ende des 19. und vom ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gelten lassen, sind von der Schönheit der neuen Residenzen überwältigt. Damals entstanden Prunkbauten wie das Rumänische Athenäum (1888), heute Sitz der Staatsphilharmonie, der Triumphbogen am Ende der Kisseleff-Avenue (1936), der Königspalast (1939). Die Reihe könnte weiter geführt werden.

Dann ließ das kommunistische Regime in den Randvierteln triste Wohnblocks bauen, wie sie überall im damaligen Ostblock zu sehen waren. Diese Viertel waren die ersten, die nach 1989 der Bauwut einheimischer und ausländischer Investoren zum Opfer fielen, bei gleichzeitiger Erschließung neuen Baugeländes, auf dem derzeit regelrechte Luxus-Residenzen entstehen, die für rumänische Verhältnisse einfach unerschwinglich scheinen. So kosten die Appartements in der am Nordrand von Bukarest noch teilweise im Bau befindlichen Residenz Ibiza Sol in Pipera zwischen 800 und 6000 Euro, und das bei einer Bevölkerung, die zu rund 15 Prozent unter der Armutsgrenze lebt, und bei der eine Rente von 150 Euro schon so groß ist, wie ein Wagenrad, wie ein rumänische Sprichwort sagt.

Die möglichen riesigen Gewinne riefen zwielichtige Geschäftsleute auf den Plan. Die schillerndste Figur ist zweifelsohne der Rumäne Gheorghe „Gigi“ Becali. Der Eigentümer des mehrfachen rumänischen Fußballmeisters „Steaua Bukarest“ war 1989 noch Schafhirte. Heute ist er unter anderem Bauunternehmer, besitzt angeblich zwei Milliarden Euro, fährt einen Mercedes-Maybach im Werte von 500000 Euro und war mehrmals Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen. Politische Ambitionen hat er auch. „Dann gnade uns Gott“, so ein Bukarester.

Abgesehen vom noch unter Ceausescu begonnen „Haus des Volkes“, dem Sitz des Parlaments, das eher durch seine bizarre Architektur auffällt, bestechen in ihrer Schönheit die im Westen der Stadt gelegene Primavara-Residenz im Viertel Drumul Taberei und Ibiza Sol in Pipera im Norden der Hauptstadt, wobei zahlreiche Wohnungen kurz vor der Übergabe stehen

Und eben hier beginnen die Probleme, so die Marketing-Managerin von Tiriac-Immobilien (Tiriac ist das ehemalige Tennis-Ass). Bei der Panorama-Residenz beispielsweise habe sich die Übergabe um drei Monate verzögert, bei anderen Bauten, die zum 1. Juli hätten fertig sein sollen, um noch mehr. „Uns fehlen einfach die Arbeitskräfte“, klagt die Dame. Die Arbeiter fehlen, weil sie auf Baustellen in ganz Europa zu finden sind. Arbeitslosigkeit und Hungerlöhne haben sie nach den Ereignissen von Dezember 1989 in die Ferne getrieben, und dort sind sie geblieben.

Heute fehlen auf rumänischen Baustellen 300000 Bauarbeiter. Das bewirkt stark erhöhte Lohnkosten. Im Mai dieses Jahres lagen die Nettolöhne um 23 Prozent höher als 2007, der Durchschnittslohn erreichte 347 Euro, was zusammen mit sehr billigen Krediten die Inflationsrate im Mai auf 8,5 Prozent trieb. Der Immobilienkrach in den USA schickt erste Grüße.


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