26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.07.08 / Korsett der Konventionen gesprengt / Biographien bedeutender Frauen aus acht Jahrhunderten in einem Buch zusammengefaßt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-08 vom 26. Juli 2008

Korsett der Konventionen gesprengt
Biographien bedeutender Frauen aus acht Jahrhunderten in einem Buch zusammengefaßt
von Silke Osman

Anfang Juli wurde der Geburtstag eines Gesetzes gefeiert, das heute eine Selbstverständlichkeit regelt: das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau. 50 Jahre wurde es alt. Doch erst seit 1977 darf die Frau ohne Einverständnis ihres Mannes erwerbstätig sein. Seit dem selben Jahr gilt das Partnerschaftsprinzip, nach dem es keine gesetzliche Aufgabenteilung in der Ehe mehr gibt. So viele Errungenschaften der neueren Zeit sind für junge Frauen von heute selbstverständlich. Kaum eine denkt daran, daß über Generationen hinweg um diese Selbstverständlichkeit gerungen wurde. Immer wieder haben Frauen sich in der Geschichte für die Gleichberechtigung eingesetzt, haben für ihre Rechte, für die Freiheit gekämpft, indem sie anderen vorlebten, wie es sein könnte.

„Jeder arbeitet wie er kann. Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind. Viele fühlen jetzt die Verpflichtung, wirken und helfen zu wollen, aber mein Weg ist klar und einleuchtend; andere gehen unklare Wege ...“ Diese Worte der Königsbergerin Käthe Kollwitz (1867–1945) umreißen knapp und klar das Lebensmotto, nach dem die Künstlerin einst angetreten ist. „Wirken“ in ihrer Zeit, klare Wege gehen wollten auch viele andere Frauen im Laufe der Jahrhunderte. Einige sind in die Geschichte eingegangen, andere – und das ist der weitaus größere Teil – sind im Dunkel der Vergessenheit verschwunden.

Geschichte wird meist von Männern geschrieben, sagt man, und die sehen die Leistungen so mancher Frauen als nicht besonders erwähnenswert an. Verschwindend gering ist demnach der Frauenanteil in den Geschichtsbüchern. Diese Lücke erkannt – und geschlossen – zu haben ist das Verdienst der jungen Historikerin Eva Wodarz-Eichner. Sie hat in fast zweijähriger Arbeit am Mainzer Ludwig Petry-Institut für ostdeutsche Forschungen an der Universität Mainz eine Sammlung von mehr als 200 Kurzbiographien von Frauen zusammengetragen, deren Wiege in Ostdeutschland stand und die einen nicht unerheblichen Anteil an der deutschen Geschichte haben.

Eine Auswahl von 52 hat die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen im Jahr 2000 herausgebracht. Nun ist die zweite, erweiterte Auflage des Titels „Ich will wirken in dieser Zeit ...“ (360 Seiten, zahlr. Abb., geb., 16,80 Euro; zu beziehen über Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Kaiserstraße 113, 53113 Bonn) erschienen. Dieses Mal sind im Gegensatz zur ersten Auflage erfreulicherweise auch Porträts der meisten der vorgestellten Frauen zu finden, so daß der Leser sich im wahrsten Sinn des Wortes ein Bild machen kann von den mutigen und begabten Frauen.

800 Jahre deutscher Geschichte gleiten an dem Leser vorüber. Die bunte Palette der Biographien reicht vom hohen Mittelalter bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Patronin Schlesiens Herzogin Hedwig (1174/78–1243) ist ebenso vertreten wie die Fliegerin Hanna Reitsch (1912–1979). In sehr anschaulich und lebendig geschriebenen Texten stellt Eva Wodarz-Eichner die Leistungen der Frauen aus dem deutschen Osten vor. Fürstinnen oder Schauspielerinnen und Künstlerinnen haben ebenso Aufnahme gefunden wie Salondamen und Frauenrechtlerinnen.

Bei den in Ost- oder Westpreußen geborenen oder dort wirkenden Frauen findet man Namen wie Dorothea von Montau (1347–1394), die Mystikerin Altpreußens, die heilkundige Landesmutter Herzogin Dorothea von Preußen (1504–1547), die Pastorengattin Anna Neander (1615–1689), besser bekannt als Ännchen von Tharau, die Dichterin Gertrud Moller (1637–1705), die Astronomin Catharina Elisabeth Hevelius (1647–1693), die Schriftstellerin Luise Adelgunde Gottsched (1713–1762), Gräfin Caroline von Keyserlingk (1727–1791), einst geschätzter Mittelpunkt des geistigen Königsberg, die Theaterdirektorin Johanna Caroline Schuch (1739–1787), die Schriftstellerin und Mutter des Philosophen Johanna Schopenhauer (1766–1838), die „Femme Scandaleuse“ Johanna Motherby (1783–1842), die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Fanny Lewald (1811–1889), Ida v. Kortzfleisch (1850–1915), sie gründete die Landwirtschaftlichen Frauenschulen, Elisabet Boehm (1859–1943), die Gründerin der deutschen Landfrauenbewegung, die Dichterin Agnes Miegel (1879–1964) und natürlich Käthe Kollwitz, deren Lebensmotto dem Buch den Titel gab.

Sie alle sprengten das enge Korsett der Konventionen. Ausführliche Literaturangaben am Schluß jeder Biographie regen zum Weiterlesen an.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren