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02.08.08 / Um die Wahrheit betrogen / Junge Menschen erfahren in der Schule kaum etwas über die DDR

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Um die Wahrheit betrogen
Junge Menschen erfahren in der Schule kaum etwas über die DDR
von Klaus D. Voss

Da muß einem die Luft wegbleiben: Noch keine 20 Jahre nach dem Fall der Mauer haben die meisten 16- bis 17jährigen Schüler keine Vorstellung von dem mehr, was die DDR war. Die Mehrheit der befragten Schüler wußte nicht, wer die Mauer gebaut hatte; man tippte eher auf den Westen oder die Alliierten. Für die meisten war die Stasi ein ganz normaler Geheimdienst, und beinahe jeder zweite ostdeutsche Jugendliche, sogar 66 Prozent der westdeutschen meinten, „die DDR sei keine Diktatur gewesen“.

Dieser Generation von Schülern wird ein wichtiges Stück Bildung vorenthalten. Verantwortlich für dieses Desaster sind natürlich Pädagogen, in erster Linie aber die Kultusministerien der Länder. Streng ins Gericht mit dem deutschen Bildungswesen gehen die Autoren der Studie „Soziales Paradies oder Stasi-Staat“, Klaus Schroeder und Monika Deutz-Schroeder. Die Politologen, die an der Freien Universität Berlin wirken, hatten 5200 Jugendliche in Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen sowie West- und Ost-Berlin befragt. Die Horror-Ergebnisse sind seit dem Zwischenbericht 2007 im wesentlichen bekannt, die Schlußfassung vertieft aber das Entsetzen. Viele Schulen im Osten Berlins und in Brandenburg hatten wohl aus Angst vor negativen Ergebnissen die Zusammenarbeit verweigert; tendenziell dürften die Unkenntnisse über die DDR also noch größer sein.

Die Autoren werfen den Pädagogen in den neuen Bundesländern vor, die SED-Diktatur bewußt auszuklammern. Das stimmt wohl, denn „wenn überhaupt, dann wird die DDR in zwei oder vier Stunden kurz vor Ende des Schuljahrs unterrichtet“, bekannte ein Lehrer in einer anonymen Zuschrift an eine brandenburgische Zeitung. Auffallend ist jedenfalls, daß die Schüler im Westen, vor allem in Bayern, der historischen Wahrheit näher kommen als die Schüler in den neuen Bundesländern.

Am Wissensdurst der Jugendlichen liegt es aber nicht. „Nahezu jeder zweite Schüler beklagte, daß die DDR im Unterricht zu kurz gekommen sei“, schreiben die beiden Autoren der Studie. Das jedoch liegt allein in der Verantwortung der Kultusminister. Zum Vergleich: Über die schrecklichen Jahre der NS-Diktatur wird in den Schulen der 16 Bundesländer ausführlich, wenn auch oft einseitig unterrichtet – allein in der Sekundarstufe I sind 20 Wochenstunden vorgesehen, dazu gibt es umfangreiches Informationsmaterial. Zum Thema Diktatur in der DDR gibt es noch nicht einmal eine gemeinsame Linie der Bundesländer. Der Leitgedanke der Kultusministerkonferenz, daß die Beschäftigung mit Holocaust und Drittem Reich und die Auseinandersetzung mit der Gewaltherrschaft „für die Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland als demokratischem Rechtsstaat von wesentlicher Bedeutung“ seien, gilt offenbar nicht für die zweite deutsche Diktatur.

Damit werden die Schüler doppelt betrogen: Sie erhalten keine Aufklärung über die SED-Diktatur oder die Stasi-Herrschaft und werden damit den verklärenden Darstellungen über die alten Zeiten ausgeliefert. Man betrügt die jungen Menschen auch um die großen Momente ihrer deutschen Geschichte: Kein Wort von der Bürgerrechtsbewegung, dem Mut auf Montagsdemonstrationen, der staatsbürgerlichen Klugheit an den Runden Tischen. Immerhin ist die Deutsche Revolution von 1989 Vorbild für eine Serie von friedlichen Machtwechseln in Europa geworden. Ein Regelsatz aus der deutschen Geschichte ist: Kein Regime kann sich auf Dauer halten, wenn die Bürger für ihre Rechte eintreten – man muß ihn nur unterrichten.


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