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02.08.08 / Es wird vor allem teurer / Am 1. Januar 2009 startet der Gesundheitsfonds, doch noch sind viele Details unklar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Es wird vor allem teurer
Am 1. Januar 2009 startet der Gesundheitsfonds, doch noch sind viele Details unklar
von Rebecca Bellano

Zum 1. Januar 2009 kommt der Gesundheitsfonds. Und obwohl noch unzählige Fragen offen sind, hält die Bundesregierung an diesem Datum fest.

Was der Gesundheitsfonds für den gesetzlich Versicherten bedeutet? In erster Linie steigende Kosten ... und das bei bestenfalls gleicher Leistung. Nach neuesten Prognosen geht die Bundesregierung von einem einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent für alle gesetzlich Versicherten aus. Und auch wenn der Beitrag erst im November offiziell festgelegt wird, so sind 15,5 Prozent durchaus realistisch. Das bedeutet vor allem für die knapp 14 Millionen Bundesbürger, die bei einer der 169 Betriebskrankenkassen sind, eine beachtliche Kostensteigerung, denn deren Beitragssätze liegen derzeit durchschnittlich bei vergleichsweise günstigen 14,7 Prozent. Manche Betriebskrankenkassen versichern ihre Kunden sogar zu unter 14 Prozent. Ein Arbeitnehmer, der monatlich 2500 Euro brutto verdient und bisher zu einem Beitragssatz von 13,8 Prozent versichert ist, muß damit rechnen 2009 500 Euro im Jahr mehr an seine Krankenkasse zu zahlen, da er nicht nur einen höheren Beitrag erbringen muß, sondern dieser auch nicht mehr je zur Hälfte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gezahlt wird. Beim Gesundheitsfonds wird nämlich der Arbeitnehmer mit 0,9 Prozent mehr belastet.

Aber auch für die Unternehmen, die eigentlich durch die Gesundheitsreform entlastet werden sollten, hat der Gesundheitsfonds negative Folgen. Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, klagt: „Viele Betriebskrankenkassen, die bisher günstige Sätze anbieten können, werden zu Verlierern des Gesundheitsfonds. Denn sie werden zu drastisch steigenden Beiträgen gezwungen. Den Überschuß, den sie dann erzielen, dürfen sie zwar teilweise wieder ausschütten, allerdings nur an die Arbeitnehmer. Für die Unternehmen wird es deshalb 2009 in jedem Fall zu einer Milliarden schweren Zusatzbelastung kommen.“ Brauns Urteil: „Der Gesundheitsfonds nützt niemandem. Weniger Wettbewerb, mehr Bürokratie und steigende Beitragssätze – der Fonds bringt für Unternehmen wie Versicherte keinerlei Vorteile, er kostet nur Geld.“

Dabei wird laut Gesundheitsministerium alles nicht so schlimm wie befürchtet. So gibt es keine neue Monsterbehörde, die den Fonds verwaltet. Das Bundesversicherungsamt (BVA) in Bonn, das derzeit den 1992 eingeführten Risikostrukturausgleich verwaltet, soll den Fonds verwalten. Trotz deutlich höherer Datenmengen benötigt die BVA 2009 angeblich nur 20 zusätzliche Mitarbeiter.

Während der alte Risikostrukturausgleich ein Solidartopf war, über den alle Kassen mit besonders jungen, gut verdienenden Kunden an Kassen mit alten und armen Mitgliedern zahlten, arbeitet der neue Risikostrukturausgleich beim Gesundheitsfonds anders. Im Jahr 2006 wurden über den Risikostrukturausgleich 17,2 Milliarden umverteilt, ab 2009 sollen jedoch alle Krankenkassen-Beiträge der gesetzlich Versicherten erst an die BVA überwiesen werden, die dann die Gelder den Kassen zuteilt. Und während beim alten Risikostrukturausgleich nur Alter, Geschlecht und Einkommen ausschlaggebend waren, spielt nun der Krankheitsgrad eine entscheidende Rolle.

Um diesen einzuschätzen, gibt es den Entwurf einer Liste, in der 80 Krankheiten, die für die Ermittlung des neuen Risikostrukturausgleiches mit Namen Morbi-RSA von Bedeutung sind, aufgeführt werden. Da es allerdings für jede Krankheit noch einzelne Unterpunkte gibt, merken Kritiker an, daß damit fast alle Krankheitskosten ausgeglichen werden, statt nur, wie zuvor vorgesehen, bei den wichtigsten chronischen Krankheiten zu entlasten. „Akute Krankheiten schnell und gut zu behandeln und dadurch Chronifizierungen zu vermeiden ist künftig mit einem Morbi-RSA (meist) unökonomisch für eine Kasse“, bedauert Wolfgang Schmeinck, Vorstandsvorsitzender des BKK-Bundesverbandes. Die ebenfalls günstigere Techniker-Krankenkasse vertritt dieselbe Überzeugung.

Am Anfang der Debatte um den Gesundheitsfonds befürchteten die gesetzlichen Krankenkassen, Personal entlassen zu müssen, derzeit wird jedoch von einem höheren Personalaufwand ausgegangen, denn der Morbi-RSA muß auf die Mitglieder übertragen werden.

Außerdem müssen für alle 50 Millionen gesetzlich Versicherten Konten eingerichtet werden, um mögliche Überschüsse zurückzuzahlen beziehungsweise bei einem Defizit den gesetzlich erlaubten einprozentigen Zusatzbeitrag einziehen zu können. Insgesamt gehen die Kassen von einem Mehraufwand von 1,3 Milliarden Euro allein für die Einführungszeit aus. Doch die Einführung läßt auf sich warten. So lange die Liste für den Morbi-RSA nur als Entwurf vorliegt, geht sie nicht an die Kassen und die können nicht anfangen, ihre Mitglieder einzustufen. Das wird sowieso schwierig, da die Kassen nicht im Detail wissen, wie gesund oder krank ihre Mitglieder sind, schließlich werden Arztbefunde nicht personalisiert.

Da weder der einheitliche Beitragssatz bekannt ist geschweige denn, wieviel die jeweiligen Kassen dank des noch unergründlichen Morbi-RSA aus dem Gesundheitsfonds ausgeschüttet bekommen, weiß keine Kasse, mit welchen Einnahmen sie 2009 rechnen kann.

Foto: Mehr Geld für die gleiche Leistung: Die Gesundheitsreform verbessert nicht die Versorgung.


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