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02.08.08 / Ost-Deutsch (77): Ausstaffierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Ost-Deutsch (77):
Ausstaffierung
von Wolf Oschlies

Seit etwa 20 Jahren betreibe ich mein Hobby, deutsche Lehnwörter in osteuropäischen Sprachen aufzuspüren und in Zettelkästen zu archivieren. Immer wieder bin ich verblüfft, welche deutschen Wörter unsere Nachbarn entlehnt haben und wie sie diese verwenden. Im Zagreber „Vecernji list“ (Abendblatt) fand ich kürzlich einen geistvollen Aufsatz von Ruzica Cigler über Germanismen in kroatischen Dialekten, daß etwa eine Frau „u Zagrebu dobiva se austafirung“, eine Ausstaffierung bekommt, was in Slawonien „miraz“, in Dalmatien „dota“ heißt und „Mitgift“ bedeutet.

Natürlich kennt jeder Deutsche das Wortfeld „Ausstaffierung, ausstaffieren, Staffage“, obwohl es recht archaisch klingt und eigentlich nur noch ironisch gebraucht wird. In frühneuhochdeutschen Texten des 16. Jahrhunderts tauchte es erstmalig auf, übernommen vom altfranzösischen „estoffer“, modern „étoffer“, das „ausstatten“ heißt und auf niederdeutschen Umwegen zu uns gekommen ist. Mitunter will mir scheinen, als mache das Wort erneut Karriere – wenn ich etwa in Werbetexten von einer Firma lese, die „Messestände dekorieren und ausstaffieren“ will, oder in Computerblättern die Frage finde, ob man einen „Uralt-Rechner mit Webcam ausstaffieren“ könne.

Unsere Balkan-Nachbarn kümmert das nicht, deren „austafirung“ steht seit über 100 Jahren – beispielsweise in dem witzigen Roman „Pop Cira i pop Spira“, den 1898 der serbische Humorist Stevan Sremac (1855–1906) schrieb und der 1955 unter dem Titel „Popen sind auch nur Menschen“ auch deutsch herauskam. In Serbien wurde er verfilmt und zur TV-Serie verarbeitet, so daß jedermann die Klage kennt: „u inventaru stvari datih u austafirung, i sam Bog zna gde je sve dosad bilo“ – die Sachen zur Ausstaffierung sind im Inventar, aber nur Gott weiß, wo sie wirklich sind.

Die „austafirung“ ist bei Serben und Kroaten allgemein bekannt, aber nur regional frequent. Daß sie in Zagreb lebt, ist klar, denn Zagreb war als „Agram“ ein Schmuckstück der Habsburger Monarchie. Zu der gehörte bis 1918 auch die nordserbische Batschka, in der Sremac geboren wurde, inmitten von Serben, Ungarn und Deutschen. Sprache ist eben eine zuverlässige Verräterin, auch von einstiger ethnischer Koexistenz.


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