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02.08.08 / Oligarchen auf Einkaufstour / Immer häufiger interessieren sich russische Milliardäre für deutsche Unternehmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Oligarchen auf Einkaufstour
Immer häufiger interessieren sich russische Milliardäre für deutsche Unternehmen
von M. Rosenthal-Kappi

Längst geben russische Milliardäre ihr Geld nicht mehr allein für Luxusartikel auf Messen für Superreiche aus. Sie interessieren sich für weit wertvollere Güter: Objekte ihrer Begierde sind deutsche Unternehmen.

Für Aufregung sorgte die Nachricht,  Alexander Lebedew wolle den deutsch-türkischen Reiseveranstalter Öger-Tours für 125 Millionen Euro kaufen. Die Mitarbeiter waren verunsichert, sie fürchten um ihre Arbeitsplätze. Dabei ist der Handel noch gar nicht amtlich. Firmenchef Vural Öger bestätigte lediglich, daß Lebedew ihm ein Angebot unterbreitet habe, über das noch nicht entschieden sei.

Was bewegt einen russischen Oligarchen dazu, in ein florierendes Reiseunternehmen zu investieren? Öger-Tours erreichte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 722 Millionen Euro, was einem Plus von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.  Bislang übernahmen russische Investoren Firmen erst dann, wenn gar nichts mehr ging, wie im Falle des Modehauses Escada, bei dem Aktionär Rustam Aksenenko gleich  die Leitung auswechselte.

Alexander Lebedew verfolgt höhere Ziele. Er strebt an, als „Global Player“ an der Spitze der Weltwirtschaft mitzumischen. Der 49jährige Milliardär gilt als der reichste ehemalige KGB-Offizier, der in der Wirtschaft tätig ist. Nach einem Sprachenstudium befaßte er sich als KGB-Offizier im diplomatischen Dienst vier Jahre lang in London mit den Finanzströmen des Kapitalismus. In dieser Zeit entwickelte er sich zum internationalen Finanzexperten. Ziel seiner Mission damals war, die Kapitalflucht aus Rußland einzudämmen. Nach Moskau zurückgekehrt, gründete er 1992 die „Russian Investment Company“. Sein mächtigster Gönner der Jelzin-Ära war der langjährige Premierminister Viktor Tschernomyrdin, der ihn  bei der Gründung seiner „Nationalen Reserve Bank“ unterstützte, zu deren Hauptaktionären Gazprom zählt, dessen Geldströme in großem Umfang über diese Bank abwickelt werden.  Lebedew ist ein einflußreicher Oligarch. Ihm gehört ein Drittel der ehemaligen russischen Staatslinie Aeroflot, 49 Prozent  der deutschen Fluggesellschaft Blue Wings, die russische Red Wings gehört ihm zu 100 Prozent. Zukäufe werden über Lebedews in Österreich ansässige Holding NRC abgewickelt, die etwa 100 seiner Firmen vereinigt. Mit dem Kauf von Öger will Lebedew die zu NRC gehörenden Fluggesellschaften Blue Wings und Red Wings besser auslasten, die  bereits seit längerem zusammenarbeiten. Die Tourismusbranche in Rußland gilt als zukunftsträchtig. Rund ein Drittel der Russen bevorzugt die Türkei als Urlaubsland. Aufgrund des steigenden Wohlstands der Bevölkerung wird weiter mit guten Wachstumsmöglichkeiten gerechnet. Dies sieht auch der Stahlmagnat Alexej Mordaschow so, der seine Anteile bei Tui auf 20 Prozent erhöht haben soll. Der Milliardär will mit Hilfe von Tui ein eigenes Reisegeschäft in Rußland aufbauen.

Das Interesse russischer Investoren an deutschen Unternehmen nimmt zu und erstreckt sich auf viele Branchen. Sulejman Kerimow plant, in großem Stil Aktien der Deutschen Bank und anderer westlicher Geldhäuser zu erwerben, in Rußland hält er Anteile an der „Sberbank“ und an Gazprom. Weil er als Liberaldemokrat kein Freund des Kremls ist, erwägt er, alle russischen Aktien zu veräußern, um seine Zukäufe im Westen zu finanzieren. Der Grund: Stabile Rahmenbedingungen im Westen ermöglichen es russischen Milliardären, ihr Geld sicher anzulegen und dem Einfluß des Kreml zu entziehen. Erst jüngst erschreckte Putin, nun  als Premierminister, die Aktionäre durch Angriffe auf den Kohle-Konzern Mechel, dem er Steuerhinterziehung vorwarf. Die Aktienkurse des Unternehmens stürzten daraufhin in den Keller, der Wert hal-bierte sich. Erinnerungen an Yukos wurden wach.

Präsident Medwedew dagegen umwirbt die heimischen Firmen. Noch vor seinem Amtsantritt als Präsident forderte er russische Unternehmen ausdrücklich auf, im Westen zu investieren, mit der Absicht, technische Modernisierungen der eigenen Produktionsstätten mit Hilfe westlichen Know-hows zu erlangen, die Produktivität zu steigern und neue Märkte zu erschließen. Etwa 1000 deutsche Firmen befinden sich bereits in der Hand von Russen. 4000 deutsche Unternehmen sind in Rußland tätig. Da Russen deutsche Zuverlässigkeit und die Produktqualität schätzen, stehen die Investionsmöglichkeiten für Deutsche in Rußland aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung im Bereich der Konsum- und Investitionsgüter zur Zeit gut.

Foto: Deutsche Reiseveranstalter: Öger-Tours wurde zum Objekt russischer Begierde. Tui ist es schon längst.


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