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02.08.08 / Serbien spielt den Musterschüler / Mit der Auslieferung von Radovan Karadzic setzt Belgrad die EU unter Zugzwang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Serbien spielt den Musterschüler
Mit der Auslieferung von Radovan Karadzic setzt Belgrad die EU unter Zugzwang
von Wolf Oschlies

Wer schon immer argwöhnte, die EU habe keine Strategie für den West-Balkan, hat seit dem 21. Juli das Recht auf helle Schadenfreude. An diesem Tag haben die EU-Außenminister Serbien nochmals streng ersucht, „Beweise“ für seine „Europaorientierung“ zu geben und „Bedingungen“ für seine EU-Annäherung zu liefern, vor allem die intensivierte Kooperation mit dem Haager Tribunal. Am selben Tag wurde in Belgrad Radovan Karadzic gefaßt, seit Januar 1992 „Präsident“ der Republika Srpska im Norden und Osten Bosniens und in dieser Funktionen einer der schlimmsten „psi rata“ (Kriegshunde) des Bürgerkriegs in Ex-Jugoslawien, seit dem 25. Juli 1995 auf den Haager Fahndungslisten, im Juli 1996 letztmalig in der Öffentlichkeit gesehen. Laut westlicher Ansicht waren serbische Geheimdienste seine Beschützer, tatsächlich aber seine Jäger: Die „Agentur für Sicherheit und Information“ (BIA) hat ihn gestellt, das „Aktionsteam für die Verhaftung der Haag-Flüchtlinge“ ihn ergriffen. Die noch „junge“ Regierung, angeführt von der Koalition „Für ein europäisches Serbien“ (ZES), hatte ihre Europatreue und ihre ordnungspolitische Effizienz bewiesen.

Im Westen machte man „Luftsprünge vor Freude“, bekannte Bernard Kouchner, Außenminister des EU-Vorsitzenden Frankreich. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn bescheinigte Serbien eine „Schlüsselleistung für seine EU-Ambitionen“ EU-Chefaußenpolitiker Javier Solana sah Belgrads „uneingeschränkte Kooperation mit dem Haag“ bestätigt. Der italienische Außenminister Frattini erwartete gar, „daß Serbien bald seinen EU-Beitrittsantrag einreicht“, und ähnlich äußerten sich zahlreiche EU-Politiker.

Dann aber benahm sich Brüssel wie eine Polizeibehörde, die ihre Häscher abmahnt, weil die nicht, wie befohlen, kleine Dealer jagten, sondern gleich den Drogenboß fingen. Der Westen hatte sich auf Karadzics Kettenhund, General Ratko Mladic, kapriziert und reagierte fast betroffen, als Belgrad ihm einen viel „dickeren Fisch“ servierte. Wer den akribischen Bericht gelesen hat, den Präsident Clintons Balkan-Unterhändler Richard Holbrooke 1998 veröffentlich hatte – deutsch „Meine Mission“, München 1998 –, der mußte Angst bekommen, was der ehemalige „Staatsmann“ Karadzic alles ausplaudern und wie viele Prominente er in den Zeugenstand rufen könnte.

Und diese Eigenbau-Sorgen des Westens werden noch zunehmen, wenn Belgrad, wie angekündigt, das „mreza jataka“ (Helfernetz) Karadzics aufrebbelt und dabei Mladic, Hadzic und weitere Haag-Kandidaten fängt. Damit wird es die EU-Taktik desavouieren, Serbien mittels vorgeschobener Bedingungen und halbherziger Vertragsabschlüsse, die (wie das Assoziierungsabkommen vom April) im selben Moment signiert und außer Kraft gesetzt wurden, fernzuhalten. Die EU will keine neuen Mitglieder vom Balkan, aber Serbien zwingt sie, entweder zu ihren Vorgaben zu stehen oder ihre verlogene Heuchelei einzugestehen.

Serbien hat zwei politische Hauptziele: EU-Annäherung und Rückgängigmachung der von der EU geförderten „Unabhängigkeit“ der serbischen Provinz Kosovo. Im Herbst will und kann es Beitrittskandidat sein, wenn seine Karadzic-Lawine weiterrollt wie bisher. Noch besser läuft seine neue Kosovo-Offensive, die es mit einer Morgengabe einleitete: Serbiens Botschafter, die noch von der alten Regierung aus 13 EU-Ländern, welche das „unabhängige“ Kosovo anerkannten, abgezogen worden waren, werden umgehend auf ihre Posten zurückkehren.

Einen Privatkrieg der Extraklasse ficht Belgrad derzeit mit dem französischen Außenminister Kouchner aus. Der war bis 2001 der erste UN-Gouverneur im Kosovo und hinterließ dort, sagen US-Analytiker, eine „Legacy of Failure“, ein Erbe an Fehlschlägen. Er hat die UCK-Terroristen aufgerüstet, sie von Serbien gelöst, ihnen die D-Mark als „nationale Währung“ verschafft (ohne Wissen der Bundesregierung) und ähnliches mehr, bis er vor dem von ihm billigend in Kauf genommenen UCK-Terror gegen Serben und weitere elf ethnische Gruppen im Kosovo kapitulierte und vorzeitig aus dem Dienst schied. Jetzt will Kouchner die Serben zwingen, weitere Vorleistungen à la Karadzic zu erbringen, bevor sie in EU-Nähe kämen. Das ist nur Theaterdonner, denn in Wahrheit haben Kouchner und die ganze EU Angst vor der Klage, die Serbien beim Internationalen Gericht gegen die „Unabhängigkeit“ einbrachten. Sollte das Gericht die Illegalität dieses Schrittes feststellen – und Kouchners Betteln bei seinem serbischen Kollegen Jeremic, von der Klage abzusehen, läßt darauf hoffen –, dann stünde die EU unter französischem Vorsitz belämmert da.

Wie die PAZ in der letzten Ausgabe schrieb, wird die EU nicht umhinkommen, Serbien beträchtliche Finanzhilfen zu geben. Mit denen rechnet Belgrad fest, ohne sich seine Aktionen gegen die EU abhandeln zu lassen. Geradezu amüsiert hat Belgrad den Verlauf der Brüsseler „Geberkonferenz“ für das Kosovo, der zweiten seit 1999, am 11. Juli verfolgt. Arabische Donatoren waren gar nicht erst gekommen, um ihren muslimischen „Brüdern“ zu helfen, die Anwesenden brachten müde 1,2 Milliarden Euro auf, weit weniger, als die Kosovaren erhofft hatten. Die waren dann auch schwer enttäuscht, zumal sie das Spendenaufkommen mit Serbien teilen müssen.


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