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09.08.08 / Zum Tode von Alexander Solschenizyn

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Zum Tode von Alexander Solschenizyn

Der russische Literatur-Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn starb am 3. August wenige Monate vor Vollendung seines 90. Lebensjahres in Moskau. Er war weltbekannt und geschätzt als Schriftsteller und Historiker.

1970 bereits wurde Solschenizyn der Literatur-Nobelpreis zuerkannt, jedoch erlaubten die kommunistischen Machthaber der damaligen Sowjetunion ihm nicht die Reise nach Stockholm zur Entgegennahme des Preises. Drei Jahre später, 1973, erschien im Westen – nicht in der Sowjetunion – das Werk, mit dem Solschenizyn weltberühmt wurde: der dreibändige „Archipel GULag“.

1945, noch in den letzten Kriegstagen, wird Solschenizyn durch den militärischen Geheimdienst der Sowjetunion auf Grund kritischer Äußerungen über Stalin festgenommen. Er war schon vorher auffällig geworden, weil seine humanitäre Gesinnung gegenüber den ostpreußischen Opfern seiner aufgehetzten Waffenbrüder deutlich wurde. Am Ende des Krieges war er Hauptmann und Artillerieoffizier der sowjetischen Armee.

Solschenizyn verschwand für acht Jahre in einem der zahlreichen sowjetischen Zwangsarbeitslager, dem GULag. Im „Archipel GULag“ beschreibt er das Leben und Sterben in den Zwangsarbeitslagern. Er macht deutlich, daß unter dem Archipel GULag ein unüberschaubares System von Inseln (Lagern) zu verstehen sei, die gleich den Archipelen in den Ozeanen in den Weiten der Sowjetunion existierten.

Der Nobelpreisträger wurde 1974 aus der Sowjetunion abgeschoben, nachdem ihm zuvor die russische Staatsbürgerschaft aberkannt worden war. Nach Übergangsstationen in Deutschland und der Schweiz lebte Solschenizyn mit seiner Familie 20 Jahre im Exil in den USA. 1994 forderten ihn die russischen Behörden zur Rückkehr in die Heimat auf. Dieser Bitte folgte er, als seine Bedingung erfüllt wurde, daß der „Archipel GULag“ auch in Rußland erscheinen konnte.

Ostpreußen und die Ostpreußen haben Solschenizyn immer wieder beschäftigt. In seinem Werk „August 1914“ beschreibt er die Katastrophe der russischen Armee 1914 bis 1915 im Ersten Weltkrieg in Ostpreußen. Dabei äußert er sich anerkennend über die hohe zivilisatorische Blüte der deutschen Ostprovinz. „Die Deutschen pflegen ihre Wälder wie ihre Wohnzimmer.“

Die Herzen der Ostpreußen und aller Ostvertriebenen gewann der russische Nobelpreisträger durch sein vielversiges Epos „Ostpreußische Nächte“. Darin beschreibt er die Leiden der ostpreußischen Zivilbevölkerung beim Einmarsch der Roten Armee im Januar 1945.

2004 erschien seine letzte ostpreußische Erzählung „Schwenkitten“, die die Beschreibung des russischen Kriegsalltags im Frühjahr 1945 in Ostpreußen beinhaltet.

Solschenizyns Leben und Wirken gibt ein Beispiel dafür, daß die Macht des unabhängigen Geistes sehr wohl auch totalitäre Regime in den Grundfesten erschüttern kann. Nach seiner Rückkehr nach Rußland wurde er im ganzen Land hochverehrt. Die gesamte politische Klasse Rußlands hatte mit ihm ihren Frieden gemacht. Der vormalige russische Präsident Putin ehrte ihn mit der höchsten Auszeichnung des Landes.

Der Bundesvorstand der Landsmannschaft Ostpreußen beschloß 2005, Alexander Solschenizyn mit dem Kulturpreis für Literatur der Landsmannschaft Ostpreußen zu ehren. In einem Briefwechsel mit dem Verfasser dieser Zeilen zeigte sich Solschenizyn hoch erfreut und hoch geehrt über die beabsichtigte Auszeichnung. Er bat allerdings um Verständnis, daß diese Auszeichnung für ihn im Jahr 2005 nicht angebracht sei. Wörtlich: „Im Jahr, in dem in der Heimat das Ende eines langen schweren Krieges vor 60 Jahren gefeiert wird, wäre eine solche Auszeichnung nicht angebracht –, vergeben Sie mir.“

Alexander Solschenizyn war eine einmalige Persönlichkeit. Er wird in der Weltgeschichte seinen Platz finden.

Wir verneigen uns mit Respekt und Dankbarkeit vor diesem Ausnahmeschriftsteller, der ein großer russischer Patriot und ein Freund Deutschlands und der Deutschen war. Sein Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Er wollte in seiner Heimat im Kreise seiner Familie und im Sommer sterben.

Wilhelm v. Gottberg,

Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen

 

Neidenburg: verglühend bricht hier

altes, gutes Mauerwerk.

Überstürzt ward’s aufgegeben,

rasch besetzt im Plünderwahn,

dann, den Deutschen auf den Fersen

gleich verlassen – neu besetzt.

Militärs wie Zivilisten –

alle Deutschen hier sind fort,

aber in den warmen Wänden

steht noch alles unberührt

und Europas Sieger, emsig,

uns’re Russen, schwirren rum,

Qualm und Ruß und Dunst verachtend,

stopfen rasch sich in die Wagen

Kerzen, Weine, Teppichsauger,

Pfeifen, Röcke, Malerei,

Broschen, Schnallen, Tand und Blusen,

Käse, ganze Ringe Wurst,

Schreibmaschinen fremder Schriften,

alle Art von Hausgerät,

Gabeln, Gläser, Schuhe, Kämme,

Waagen, Teppiche, Geschirr.

Schwelend liegen jetzt wie Sperren

all der ranken Gotik Trümmer

in den engen Gassen nun.

Alles stockt und staut sich, eilig

hat’s der eine – andere nicht.

Doch die Fahrer Rußlands preschen

über Stufen, über Schwellen,

ihre Wagen schräg und schief.

Bei uns gilt: Wir schaffen’s immer!

Rütteln, schütteln, drängeln, drücken –

asiatisch rüde Sitten,

ihr seid uns so wohlvertraut!

...

Drum nicht locker! Drum nichts schonen!

Alles Leid wird aufgeholt

Reitet weiter, rollt schnell weiter,

auf uns wartet Allenstein.

(Quelle: „Ostpreußische Nächte“)


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