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09.08.08 / Clement: Berlins SPD-Spitze schweigt / Doch an der Basis der Spree-Genossen brodelt es: Wut auf den Hartz-Reformer prägt die Debatten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Clement: Berlins SPD-Spitze schweigt
Doch an der Basis der Spree-Genossen brodelt es: Wut auf den Hartz-Reformer prägt die Debatten
von Markus Schleusener

Für Sebastian Finsel ist das Maß voll. Das Berliner SPD-Mitglied findet, der frühere Wirtschaftsminister Wolfgang Clement habe sich schon lange von der Partei entfremdet. Finsel würde ihm keine Träne nachweinen. Auf seiner Internetseite triumphiert er: „Auf Wiedersehen, Herr Clement.“

Der Beschluß zum Rausschmiß von Clement spaltet die Gemüter auch in der Berliner SPD. Die Reaktionen an der Basis reichen von „längst überfällig“ bis „unerhört“. Offizielle Stellungnahmen der Landesspitze gibt es nicht, aber das Parteivolk debattiert heftig über die Frage, ob es richtig ist, einen wie Clement zu feuern.

Keine Partei gehe so unerbittlich mit ihren eigenen Mitgliedern um wie die SPD, monieren innerparteiliche Kritiker. Nirgendwo werde jemand schneller rausgeworfen. Indes müßten vor allem Linksabweichler damit rechnen, so der bisherige Eindruck.

Den Anfang machten Karl Liebknecht und seine Leute, die im Reichstag gegen Kriegskredite gestimmt hatten. Insgesamt wurden 1916 auf einen Schlag 20 SPD-Abgeordnete exkommuniziert. Das war die Geburt der USPD, aus der die KPD hervorging.

Spektakulär war auch der Kurzzeit-Ausschluß von Harry Ristock. Der aus Ostpreußen stammende SPD-Linke piesackte die Berliner SPD-Führung, als er 1968 öffentlich mit einem Plakat gegen den Vietnamkrieg demonstrierte. Darauf stand: „Ich protestiere gegen den Krieg der Amerikaner in Vietnam. Ich bin Sozialdemokrat.“ Die Strafe folgte auf dem Fuße: Rauswurf. Tage später hob ein Parteitag den Ausschluß jedoch wieder auf. Ristock machte Parteikarriere und wurde stellvertretender Landeschef der Berliner SPD.

So ähnlich lief es auch bei Klaus-Uwe Benneter. Der trug in den 70er Jahren den Beinamen „Benni Bürgerschreck“ und wurde auf Betreiben Egon Bahrs 1977 aus der Partei entfernt. Grund: Benneter, damals Juso-Chef, war zu kommunistisch orientiert.

Benneters Nachfolger als Juso-Chef Gerhard Schröder sorgte für die Rehabilitierung seines Freundes. 1983 wurde Benneter zum zweiten Mal Genosse, stieg sogar zum Bundestagsabgeordneten und unter Schröder zum SPD-Generalsekretär auf.

Der letzte große Fall war 2002 das Verfahren gegen vier Berliner SPDler, die dem eigenen Kandidaten in den Rücken gefallen waren, in Kreuzberg, dem Wahlkreis von Grünen-Promi Hans-Christian Ströbele. Der war bis zu seinem Ausschluß 1975 übrigens selbst SPD-Mitglied gewesen.

Die Situation war noch klarer als im Falle Clement. Die vier Sozialdemokraten hatten in einer Zeitungsanzeige zur Wahl Ströbeles ausgerufen, dessen letzte Chance auf den Einzug in den Bundestag ein Direktmandat war. Ein Aufruf mit Erfolg: Ströbeles SPD-Gegenkandidat Andreas Matthae unterlag in diesem Rennen, nahm sich später gar frustriert das Leben.

Das SPD-Parteigericht in Berlin schloß noch im selben Jahr zwei der vier Abweichler wegen parteischädigenden Verhaltens aus. Die anderen erhielten eine Ämtersperre. Sie alle zogen vor die Bundesschiedskommission. Das oberste Parteigericht ließ damals Milde walten und verringerte die Strafe für sämtliche vier auf eine zweijährige Ämtersperre.

Aber auch gegen Rechtsabweichler geht die SPD bisweilen rabiat vor. Vor einem Jahr stoppte erst ein Berliner Amtsgericht die Parteigremien, als sie einen SPD-Genossen ausschließen wollten, nur weil er einer Burschenschaft angehört.

Denkbar ist, daß der Zorn der Basis, der Wolfgang Clement in Nordrhein-Westfalen getroffen hat, auch in Berlin Opfer fordert. Nach fünf Jahren Agenda 2010 wollen viele Hauptstadt-Genossen an der SPD-Basis Blut sehen, die Partei wieder nach links rücken.

Ein spektakulärer Ausschluß beispielsweise von Thilo Sarrazin wäre ein adäquates Mittel dazu. Der Finanzsenator hatte kürzlich wieder wütende Proteste von SPDlern entzündet, als er Leuten mit wenig Geld vorschlug, bei zu hohen Heizkosten doch einfach einen Pullover anzuziehen.

Viele Berliner Genossen machen sich indes eher Sorgen um die Wahlchancen ihrer Partei angesichts der anhaltenden Querelen. So beschwert sich der SPD-Genosse Reiner Füchtenschneider: „Schade, was aus der SPD geworden ist. Ein Sammelbecken von Einzelkämpfern. So geht es nicht.“


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