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09.08.08 / Nato-Pläne bleiben unklar / Angefragter Awacs-Einsatz für Afghanistan bringt Bundesregierung in Bedrängnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Nato-Pläne bleiben unklar
Angefragter Awacs-Einsatz für Afghanistan bringt Bundesregierung in Bedrängnis
von Rebecca Bellano

Der Nato-Rat werde sich frühestens im Herbst mit einem möglichen Awacs-Einsatz in Afghanistan beschäftigen, hieß es aus dem deutschen Verteidigungsministerium. Verzweifelt versucht die Bundesregierung, ein Mäntelchen des Schweigens über einen möglichen Einsatz des fliegenden Radarsystems zu hängen. Man will nicht mitten im Sommerloch eine Diskussion über den deutschen Afghanistan-Einsatz lostreten. Doch die Opposition drängt auf Aufklärung und so kommen zumindest einige Informationen an die Öffentlichkeit. So soll die Nato den Einsatz von fünf Awacs-Maschinen zur Überwachung des afghanischen Luftraums erbeten haben. Der private wie militärische Flugverkehr, für den es kein umfassendes Boden-Radar-System gibt, hat massiv zugenommen, allein das Nato-Kontingent ist von 6000 Mann 2004 auf jetzt 53000 angestiegen. Aufgrund einer miserablen Infrastruktur werden sie überwiegend über die Luft transportiert und versorgt.

Doch was so harmlos klingt, hat durchaus seine Tücken. Das Airborne Warning and Control System (Awacs) wurde von den USA in Zusammenarbeit mit der Nato im Rahmen des Kalten Krieges 1978 ins Leben gerufen. Die in Geilenkirchen bei Aachen stationierten, der Nato gehörenden 17 Boeing-Maschinen sind mit einem auf die Flugzeuge montierten Radarsystem ausgestattet, das Flugobjekte in bis zu 400 Kilometern Entfernung orten kann. Das Awacs-System gilt als zentrale Komponente im Luftkrieg, da die in einer Höhe von bis zu neun Kilometern fliegenden Radarsysteme flexibel einsetzbar und nur schwer zu zerstören sind, zumal die Boeing häufig auch in Begleitung von Kampfjets fliegt. Das Personal der Awacs setzt sich aus Angehörigen aus 15 Nato-Mitgliedsstaaten zusammen, mit 40 Prozent stellt Deutschland den größten Teil der Besatzung. Daher geht ohne eine Zustimmung aus Deutschland nichts.

Der Hintergrund des Awacs-Systems ist also massiv militärisch. Und auch wenn nach außen hin betont wird, daß die weitsichtigen Boeing-Maschinen fast ausschließlich zur Sicherung des zivilen und militärischen Flugverkehrs eingesetzt werden sollen, so kommen doch Zweifel auf. Bereits 2003 hat das  Bundesverfassungsgericht festgelegt, daß ein Einsatz dieser speziellen Flugzeuge, denen nichts entgeht, nur mit Parlamentsbeschluß erlaubt ist. Doch das Parlament erlaubt nur Einsätze der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (Isaf), die sich auf den Norden Afghanistans beschränken. Die Awacs hingegen sollen über das ganze Land hinweg fliegen, womit sie auch der Operation Enduring Freedom (OEF) dienen könnten. Diese Operation im Rahmen des sogenannten Kampfes der USA gegen den Terror ist im Hinblick auf den Irakkrieg ohne umfassendes Mandat der Nato inzwischen in Deutschland sehr umstritten. Schon bei der Entscheidung über den Einsatz von „Tornados“ in Afghanistan wurde die Genehmigung nur erteilt, weil eindeutig betont wurde, nur im Auftrag der Isaf zu arbeiten. Zwar wird die Unterscheidung in Isaf und OEF von vielen Seiten als künstlich bezeichnet, da die Grenzen schon lange verschwimmen, doch die Bundesregierung käme in Erklärungsnöte, da der Isaf-Einsatz als friedenssichernd, der OEF-Einsatz aber als Kriegshandlung gilt.

Ein möglicher Awacs-Einsatz wirft viele Fragen auf. Würde es nur um die Sicherung des Flugverkehrs gehen, dann kann das fliegende Radar-System nur zusammen in einem Paket mit dem Bau eines umfassenden Boden-Radar-Systems gefordert werden. Die Kombination aus kurzfristiger Problemlösung durch Awacs und langfristiger Realisierung eines Boden-Radar-Systems könnte als Indiz genommen werden, daß es wirklich um die Sicherung des afghanischen Flugverkehrs geht und nicht um die Absicherung von US-Luftangriffen auf Taliban oder Al-Kaida, die selbstredend über keine eigene Luftwaffe verfügen. Auch wird spekuliert, daß in Wirklichkeit durch die fliegenden Radar-Systeme der Luftraum des von der USA zum Schurkenstaat deklarierten Iran überwacht werden soll. Der Bau eines Boden-Radars dauert drei bis vier Jahre, schafft Arbeitsplätze in Afghanistan und würde dem Land somit ein Stück Zukunft schenken. Doch über den Bau von Boden-Radar-Anlagen wurde noch kein Wort verloren.

Derartige Entwicklungen schüren nicht nur in der afghanischen Bevölkerung Mißtrauen. Welche Motive bewegen die Nato und Berlin? Kostengründe können es nicht sein. Deutschland trägt 27 Prozent der Kosten der Awacs-Flotte. Deren Jahresbudget 2008 liegt bei 292 Millionen Euro. Wie viel ein Afghanistan-Einsatz von fünf Awacs-Maschinen zusätzlich kosten würde, ist derzeit nicht einzuschätzen. Der Bau eines umfassenden Boden-Radar-Systems (mit militärischer Ausstattung) wird auf zehn Millionen Euro geschätzt. Kritiker betonen zwar, daß Boden-Radar-Systeme schneller außer Gefecht zu setzen seien, doch wer sie deswegen nicht in Betracht zieht, geht davon aus, daß in Afghanistan nie Frieden herrschen wird.

Die von Korruption geschwächte Regierung unter Präsident Karsai scheint offiziell noch keine Stellung zum Awacs-Einsatz bezogen zu haben. Das wiederum vermittelt in Afghanistan den Eindruck, daß die Alliierten sowieso alles machen können und daß es ihnen nicht um die Bedürfnisse der Afghanen geht. Laut einer Studie von afghanischen Nichtregierungsorganisation seien die Taliban kein Heer von Ideologen, sondern ein Heer von Unzufriedenen. Derartig undurchschaubare Nato-Beschlüsse verschlimmern die Lage in Afghanistan also eher noch, als daß sie den Frieden sicherten.

Foto: Bald auch im afghanischen Luftraum unterwegs? Die Nato verfügt über 17 Awacs-Maschinen.


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