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09.08.08 / Versuch einer Parteisäuberung / Geplanter SPD-Rauswurf von Wolfgang Clement: Mehr als nur Rache für Hartz IV

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Versuch einer Parteisäuberung
Geplanter SPD-Rauswurf von Wolfgang Clement: Mehr als nur Rache für Hartz IV
von Hans Heckel

Sie hielt nur zweieinhalb Wochen, die dünne Harmoniefassade der SPD. Im Gerangel um den Parteiausschluß des einstigen „Superministers“ in Schröders Kabinett, Wolfgang Clement, offenbaren sich alte Wunden in der sozialdemokratischen Parteiseele, die noch immer tief schmerzen.

In den Medien war die Analyse der Clement-Kontroverse schnell gebacken: Hier kämpfe SPD links gegen SPD rechts, die stramm roten Traditionalisten gegen die Reformer mit Kurs auf die Neue Mitte. Dahinter stehe Pro oder Kontra zur Kooperation mit der Linkspartei Gysis und Lafontaines. Ja, es gehe um die Freiheit der Meinung bei den Sozialdemokraten, wenn jemand wie Clement nicht mehr vor den Linken warnen und für die Weiternutzung der Kernenergie eintreten dürfe.

Solche Schnellschuß-Analysen verkennen, welche tiefen Friktionen und Verletzungen in der SPD mit dem Namen Clement verbunden sind. Der Aufstieg der Linkspartei begann mit jenen Hartz-Reformen, die seine Unterschrift tragen. Hartz IV hat bei den Betroffenen eine Grenze verwischt, die einst die Grenze zwischen dem sozialdemokratischen und dem kommunistischen Milieu markierte: Ging es den Kommunisten um Gleichheit um jeden Preis, um „Umverteilung“ an jeden, unabhängig von dessen Leistung, so pochten die Sozialdemokraten stets auf Leistungsgerechtigkeit: Gerechter Lohn für gute Arbeit.

Ausgerechnet die von Wolfgang Clement ins Werk gesetzte Hartz-IV-Gesetzgebung indes ist in den Augen vieler Sozialdemokraten somit weit mehr als ein Abschied von „sozialen Wohltaten“. Wer 35 oder mehr Jahre gearbeitet hat und mit Mitte 50 als schwer vermittelbar plötzlich auf der Straße steht, muß durch Hartz IV damit rechnen, in wenigen Jahren auf die gleiche soziale Stufe gedrückt zu werden wie jemand, der sein ganzes Leben von den Transferleistungen anderer gelebt hat.

Mit der schnoddrigen Härte seines „Basta-Kanzlers“ peitschte Wolfgang Clement jenes Gesetz seinerzeit durch. Es waren die Sozialdemokraten an der Basis wie die in Bochum, die dafür die Prügel bezogen haben – für eine Reform, die ihrem sozialdemokratischen Gerechtigkeitsverständnis Hohn sprach. Sie mußten mit ansehen, wie linksaußen stehende Demagogen à la Gysi oder Lafontaine die Steilvorlage nutzten.

Clements Auslassungen zum Hessen-Wahlkampf waren somit nur der billige Anlaß für das jetzige Aufbegehren seiner gebeutelten Genossen. Daß sie mit ihrer Rausschmiß-Attacke en passant die freiheitliche Tradition der SPD aufs Spiel setzen, das scheint in der Erregung kaum noch eine Rolle zu spielen.

Einige Etagen höher in der Parteihierarchie spielen die Verletzungen an der Basis allerdings eine untergeordnete Rolle, hier geht es um Macht. Nur zu gern greift die hessische Immer-noch-Kandidatin Andrea Ypsilanti die neuerlich aufgebrochene Empörung über Clement und Hartz IV auf, um sie für ihre rot-rote Karriereoption einzuspannen. Ihre einzige Möglichkeit, Ministerpräsidentin zu werden, besteht in einer rot-grünen Koalition mit dunkelroter „Duldung“. Mit Wolfgang Clement will Ypsilanti einen der schärfsten Kritiker eines solchen Linksblocks aus dem Weg räumen. Das dieser Tage vielfach bemühte Bild einer linken Säuberung beschreibt somit passend, was sich die Hessin von Clements Rauswurf verspricht. Wenn jetzt der bayerische Juso-Chef die Forderung nachschiebt, auch gleich den Ex-Innenminister Otto Schily und Berlins Innensenator Thilo Sarrazin auszuschließen, erhärtet das den Verdacht, Zeuge einer linken Parteisäuberung zu sein.

Diese unerwartete Eskalation kommt für SPD-Chef Kurt Beck zur Unzeit. Den dadurch gestörten Burgfrieden wollte er dazu nutzen, um die spätestens mit der gemeinsamen Wahl einer Bundespräsidentin Gesine Schwan durch SPD, Grüne und Linkspartei offenkundig werdende neue Bündnisoption der SPD möglichst geräuschlos voranzutreiben. Ein sommertheatralischer Schlagabtausch zwischen den SPD-Flügeln stört Becks Kalkulation empfindlich.

Es könnte also ungemütlich werden, zumal nicht nur Clement keine Anstalten macht, sich in seiner politischen Bewegungsfreiheit einschränken zu lassen. Ypsilanti weiß, daß sie ohne die Linkspartei niemals Ministerpräsidentin wird. Die Lunte für einen heißen Herbst bei den Sozialdemokraten brennt.


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