29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.08.08 / Fesselnde Fortsetzung / Trotz einiger Schwächen weiß »Säulen der Erde II« zu begeistern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Fesselnde Fortsetzung
Trotz einiger Schwächen weiß »Säulen der Erde II« zu begeistern

„Während Merthin ging, wurde seine Erinnerung an jenen Kindheitstag immer lebhafter. Er erinnerte sich an den kleinen dreibeinigen Hund Hop, der sich ihnen angeschlossen hatte und dem wiederum Gwenda gefolgt war. Erneut empfand er die Freude, als Caris seinen Scherz verstand. Sein Gesicht rötete sich, wenn er daran dachte, wie ungeschickt er sich vor Caris mit dem Bogen anstellte, den er selbst gemacht hatte – und wie gewandt sein jüngerer Bruder die Waffe meisterte.“ Mit Wehmut und Abschiedsschmerz liest man diese schon fast letzten Zeilen aus Ken Follets „Die Tore der Welt“. Die langersehnte Fortsetzung von „Säulen der Erde“ spielt ebenfalls in dem Ort Kingsbridge, allerdings 200 Jahre später. Die Nachkommen des Kathedralenerbauers Jack Builder, dessen Schicksal Millionen Leser auf der ganzen Welt bewegte, stehen nun im Mittelpunkt des neuen Romans. Doch ist er genauso einmalig und genial wie sein Vorgänger?

In Internetforen scheiden sich die Geister. Einige Leser sind genauso begeistert wie vom vor 18 Jahren erschienen Vorgänger, andere sind enttäuscht, da die Cha-raktere und Handlungsstränge dem ersten Buch zu sehr nachempfunden sind. Und tatsächlich kommt „Die Tore der Welt“ nicht an seinen Vorgänger heran. Gleich auf den ersten Seiten erleben die Kinder Merthin, Caris, Gwenda und Ralph den eingangs erwähnten Kindheitstag, an dem sie Zeugen eines Überfalls werden, nach dem sie zum Schweigen verurteilt werden. Dieses Geheimnis wird erst nach 1250 Seiten offenbart, dazwischen erleben die vier Helden die unterschiedlichsten Schicksalsschläge. Einige sind fesselnd, einige unterhaltend, einige ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Andererseits ist es das gute Recht eines Autors, seine eigene Welt zu erfinden, und angesichts dieses Rechts entwirft Ken Follett seine historische Kulisse erneut sehr faktengetreu. Sogar an mittelalterlichen Rechtsstreitigkeiten läßt der Autor seine Leser wieder teilhaben und gibt dem Alltagsleben seiner Protagonisten ein wenig mehr Authentizität. Allerdings sind Streitigkeiten um Brückenneubau, Stadtrechte und Priorernennung nicht immer fesselnd, so daß die ersten 500 Seiten ihre Längen aufweisen. Doch ab dem Moment, wo der Autor zwei seiner Helden in die Welt hinausziehen und sie nach ihrer Heimkehr von der Pest heimsuchen läßt, legt man das Buch nur schwer aus der Hand. Die Dichte der aufeinanderfolgenden Intrigen und Morde nimmt zu und man bangt um die Helden. Wobei nicht alle vier in das tödliche Geheimnis verwickelten einstigen Kinder wirklich gute Helden sind. Ralph, der Bruder des Baumeisters Merthin, entwickelt sich zwar zu einem wagemutigen Ritter, der aber aus heutiger Sicht eine verquere Vorstellung von Recht und Unrecht hat. Merthin und vor allem Caris sind hingegen dermaßen modern eingestellt, daß man ihnen ihre humanistische Weltsicht nur schwer als ihrer Zeit entsprechend abnimmt. Und auch die Bäuerin Gwenda ist für eine arme Analphabetin erstaunlich wissend.

Trotz dieser Schwächen gelingt es Ken Follet mit seiner Mischung aus Krimi, Liebesroman und Intrigenspiel zu unterhalten. Vor allem seine Atmosphäre schaffenden Detailbeschreibungen machen es am Ende schwer, eine Lesepause einzulegen.            Rebecca Bellano

Ken Follett: „Die Tore der Welt“, Lübbe, Bergisch Gladbach 2008, geb., 1295 Seiten, 24,95 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren