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16.08.08 / Den Mächtigen den Spiegel vorgehalten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Den Mächtigen den Spiegel vorgehalten

Einen Monat nach der Niederschlagung des Prager Frühlings gründete der Schriftsteller Ivan Martin Jirous die Untergrundband „The Plastic People of the Universe“. Bei der Namensgebung ließ sich die Band von Frank Zappas Stück „Plastic People“ inspirieren. Die Gruppe war eine der ersten im Ostblock, die Stücke westlicher Komponisten wie Jimi Hendrix oder Frank Zappa nachspielte. Sie verstand sich nicht unbedingt als politisch, aber mit ihrer psychedelischen Musik war sie ein Stück Subkultur, verweigerte sich der Staatskultur. Das genügte dem totalitären Staat, um gegen sie vorzugehen. Nachdem den Mitgliedern der Band bereits 1970 Berufsverbot erteilt worden war, wurden sie 1976 bei einem Konzert verhaftet, ihre Gruppe verboten.

Dieses nahmen Künstler und Intellektuelle wie Vaclav Havel, aber auch Arbeiter, Priester, Exkommunisten und ehemalige Mitarbeiter des Geheimdienstes sowie andere Tschechen und Slowaken zum Anlaß zu einem kritischen Wort. Am 1. Januar 1977 wurde die bis dahin von 242 Personen unterzeichnete Charta ’77 veröffentlicht. In diesem Schriftstück wird die Diskrepanz zwischen der Theorie, dem geschriebenen Recht in der CSSR und der von der CSSR-Staatsführung unterzeichneten Schlußakte von Helsinki, sowie der Praxis, der Menschenrechtslage in der Tschechoslowakei, angeprangert.

Hinsichtlich des Selbstverständnisses heißt es dort: „Charta ’77 ist keine Organisation, hat keine Statuten, keine ständigen Organe und keine organisatorisch bedingte Mitgliedschaft. Ihr gehört jeder an, der ihrer Idee zustimmt, an ihrer Arbeit teilnimmt und sie unterstützt. Charta ’77 ist keine Basis für oppositionelle politische Tätigkeit. Sie will dem Gemeininteresse dienen wie viele ähnliche Bürgerinitiativen in verschiedenen Ländern des Westens und des Ostens.“ Wenn die Bürgerrechtsbewegung sich also auch ausdrücklich nicht als Organisation verstand, so veröffentlichte sie bis 1989 doch 572 Dokumente zu Menschenrechtsverstößen und anderen Themen grundsätzlicher Bedeutung. 1992 beendete die Charta ’77 offiziell ihre Tätigkeit. Manuel Ruoff


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