26.04.2024

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16.08.08 / War Leni Riefenstahl in Peking?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

»Moment mal!«
War Leni Riefenstahl in Peking?
von Klaus Rainer Röhl

Meine griechische Freundin fuhr einmal zusammen mit dem Kulturattaché der chinesischen Botschaft im Lift des Auswärtigen Amts. „Ah! Griechenland“, freute sich der Gesandte, „auch eine gloße Kultulnation!“

Das gleiche mochte der Regisseur der Superschau zur Eröffnung der olympischen Spiele in Peking, Zhang Yimou, gedacht haben, als er die Komposition des Griechen Dimitris Papaioannou zu Beginn der Spiele von 2004 in Athen gesehen hatte. Vielleicht hatte Zhang gehofft, nicht alle der 500 Millionen Zuschauer in der Welt hätten die Übertragung der Olympiade in Athen gesehen oder in Erinnerung behalten. Jedenfalls tat Zhang das, was die Chinesen seit langem am besten und erfolgreichsten von allen Völkern können: Das Gute perfekt nachbauen, von der Magnetschwebebahn bis zum Armani-Hemd. Schon der Beginn war „geklaut“.

Der griechische Regisseur hatte 2004 seine Eröffnungsschau in Musik und Bildersprache deutlich dem Film „Odyssee 2001“ nachempfunden: Fern in Olympia schlägt der erste Mensch, ein Primitivo, aber voller Intelligenz und Neugier auf die Zukunft, mit einem Knüppel auf eine Art Trommel, das sieht man auf einer Riesenleinwand. Im Stadion antwortet ihm einer der Trommler, sie sehen sich, über die Zeiten hinweg an, trommeln und lachen zusammen, der Rhythmus wird immer schneller, und dann fängt die Geschichte der alten Kulturnation an: Ein in der Luft an Drähten aufgehängter Zentaur schießt einen Leuchtpfeil in die Zukunft ab und landet beim Beginn der griechischen Kultur, bei den kykladischen Idolen, die lösen sich auf in Bruchstücke, setzen sich wieder zusammen, marschieren, tanzen, ziehen in bunter Reihe durch die Halle, alle Fundstücke der griechischen Kulturgeschichte, und sie tragen mit sich die Symbole ihrer Kulturen, minoische Röcke, Stierspringer aus Kreta, Gestalten aus den antiken Sagen, hellenistische Fransenkleider, byzantinische Prunkgewänder und schließlich – nach 400 Jahren Türkenherrschaft, die in einer Sekunde vergehen –, die Freiheitskämpfer von 1821, die Kapetanios mit ihren Fustanella-Röcken und Pistolen und Krummdolchen. Dann Flaggenhissung, Eid und eine neue, von dem griechischen Komponisten Palamas 1958 gedichtete Olympia-Hymne, eine unvergeßliche Licht- und Tonschau. Und keinen Augenblick Kitsch.

„Na schön“, sagte sich der chinesische Regisseur Zhang Yimou „große Kulturnation, das muß doch zu überbieten sein!“ und ließ gleich statt zwei Dutzend griechischen 2008 chinesische Artisten die Trommeln rühren, daß es fast schien, als wolle er die Trommler von 2004 zitieren, aber es war kein Zitat mehr, es war eine Kopie, denn nun kam auch hier das unschuldige Kind, das die Revue der 5000jährigen chinesischen Geschichte (mit Ausblendung von Mao!) einleitete, und Zhang Yimou, ein schon sehr erfolgreicher Filmregisseur, dessen Filme (wie „Die rote Laterne“) mehrfach preisgekrönt wurden und dem man auch Differenzen mit der Parteihierarchie nachsagt, mochte gedacht haben – viel hilft viel – und ließ auch hier die Puppen gleich zu Tausenden tanzen, von der ersten Kaiserzeit bis zur Mongolenherrschaft eine wogende endlose Revue mit jeweils 3000 Darstellern. Das Eindrucksvollste, aber auch ein bißchen Erschreckende waren die 2008 Trommler, die auf eine viereckige, große Trommelfläche schlugen, sich selber dabei überschlugen und – klapp – hinter den Vierecken verschwanden, wieder auftauchten – klapp. 2008 Menschen wie von einem Computer gesteuert: Klappe auf – Klappe zu, dergleichen kennt man nur aus Nordkorea. Oder eben aus dem „Krieg der Sterne“. Da brandete der Beifall auf in der mit 91000 Menschen gefüllten Monsterhalle, dem „Vogelnest“. (100000 trug die Konstruktion der Schweizer Architekten Herzog & Meuron nicht.)

Ein kleiner Dank an Griechenland, und rührend für die ganze Welt: Die Olympia-Hymne von Palamas wird mit piepsiger Stimme von chinesischen Kindern gesungen. Auf Griechisch.

Endlich kam auch hier der Fackelträger, ebenfalls an Drähten aufgehängt in schwindelnder Höhe an der Decke der Halle „marschierend“, der das trotz so vieler Demonstrationen gerettete beziehungsweise wieder entzündete olympische Feuer trug und endlich die nun erst sichtbar werdende Fackel mit einer Art Zündschnur in Brand setzte, zisch und klapp und Flamme an. Perfekt.

Aber besonders die Szenen mit den 2008 Trommlern waren es, die Zhang Yimou den Ruf einbrachten, sie seien inspiriert von den virtuellen, am Computer erstellten Menschenmassen im Film „Krieg der Sterne“. Dort ist alles ins Gigantische vergrößert, und alle Figuren bewegen sich (natürlich) voll synchron. Oder eben von Leni Riefenstahl, die schon in ihrem Film „Triumph des Willens“ von 1935 oder dann in der Olympia Zehntausende junger Turner und Turnerinnen bewegt hatte wie von unsichtbarer Hand geleitet, sich zu Musik und Trommeln so bewegend, als sei es ein einziger, riesiger Körper. Diktatur und Kunst.

Als das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Mai 1931 die Spiele an Deutschland vergab, ahnte noch niemand, daß dort 1936 eine Diktatur herrschen würde. Wegen des unter Hitler offen propagierten Antisemitismus gab es bald Boykottaufrufe jüdischer Organisationen, vor allem in Frankreich und den USA. Aber bereits im Sommer 1933 gab die Reichsregierung eine vom IOC geforderte Erklärung ab, die Spiele stünden allen Rassen und Konfessionen offen, und der angesehene deutsche Boxer Max Schmeling reiste in die USA, um die Öffentlichkeit für die Teilnahme in Berlin zu mobilisieren. Schließlich entschied sich der amerikanische Sportverband gegen einen Boykott, alle anderen Staaten sagten ebenfalls zu. Nur die Sowjetunion unter Stalin boykottierte die olympischen Spiele grundsätzlich.

Am 1. August 1936 eröffnete Hitler das neue Olympiastadion des Architekten Werner March, das, einmalig in Europa, 100000 Zuschauer faßte. Allgemein wurde beachtet, daß nicht nur die Mannschaften der mit Deutschland verbündeten oder befreundeten Länder, sondern auch die Mannschaft Frankreichs mit Hitlergruß ins Stadion einzog.

Zur Inszenierung gehörte der erstmals in der Geschichte der Olympia eingeführte Fackellauf, der Monate zuvor im griechischen Olympia begonnen hatte und seitdem zu Zeremonie der Spiele gehört.

Am Abend begeisterte der von Leni Riefenstahl erdachte und vom Albert Speer mit Hilfe von Flak-Scheinwerfern technisch perfekt organisierte „Lichtdom“ die 100000 Zuschauer. Dabei wurden Hunderte von Flugabwehr-Scheinwerfern, elektrisch gleichgeschaltet, von den Rändern des Stadions in den Himmel gerichtet und ihre Lichtkegel in der Mitte vereinigt und bildeten so den „Lichtdom“ über dem Stadion, eine eindrucksvolle künstlerische Idee und technische Meisterleistung. Fast alle Besucher waren begeistert von der Olympiade und den deutschen Gastgebern und verbreiteten ihre Meinung auch in ihren Heimatländern. Vieles, was über das NS-Regime in den Medien berichtet worden war, hielten die Besucher jetzt für antideutsche Propaganda. Es gab keine antisemitischen Parolen im Straßenbild, in den Zeitungen und Wochenschauen war jede antijüdische Agitation verschwunden. Außerdem waren zwei Halbjuden in der deutschen Mannschaft, der Eishockyspieler Rudi Ball und die Fechterin Helene Mayer, Olympia-Siegerin von 1928. Sie erhielt bei diesen Spielen die Silbermedaille und grüßte bei der Siegerehrung mit dem „deutschen Gruß“. Besonders groß war die Begeisterung der deutschen Zuschauer, Zeitungsleser und Radiohörer für den farbigen amerikanischen Läufer Jesse Owens, der allein vier Goldmedaillen gewann und auch vom „Führer“ besonders geehrt wurde. Einen Rassismus im deutschen Volk konnten auch die deutschfeindlichsten Zeitungen des Auslands nicht erkennen.

Fast erwartet wurde das gute Abschneiden der deutschen Athleten bei diesen Spielen: Mit 33 Gold-, 26 Silber- und 30 Bronzemedaillen lag Deutschland noch vor den USA (24-20-12). Ein großer Erfolg.

Überflüssig zu sagen, daß die Olympia auch bei der deutschen Bevölkerung außerordentlich beliebt war. Das ganze Volk hing in jeder freien Minute am Radio – der damals achtjährigen Autor eingeschlossen. Wir hörten nicht nur die Sportnachrichten, sondern auch die Reden der NS-Größen und die zahlreichen Meldungen über die gute Aufnahme der Olympia im Ausland. Die Beteuerungen Hitlers, nur den Frieden und die Verständigung unter den Völkern zu wünschen, erschienen glaubhafter, selbst den führenden Politikern der Alliierten, bis zum Münchener Abkommen von 1938.

Ändert Olympia die Diktatur, oder lassen begnadete Regisseure sie nur in einem besseren Licht erscheinen? Das ist eine Frage, die sich angesichts des Riesenspektakels in Peking erneut stellt.

www.Klausrainerroehl.de

Foto: Masse gleich Klasse? 2008 Trommler setzten die Chinesen bei der Eröffnungsfeier zu Olympia ein.


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