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16.08.08 / Sie prägte die Mode im 20. Jahrhundert / Vor 125 Jahren wurde die Modeschöpferin Coco Chanel geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Sie prägte die Mode im 20. Jahrhundert
Vor 125 Jahren wurde die Modeschöpferin Coco Chanel geboren
von Corinna Weinert

Unzählige Perlenketten über dem beigefarbenen Kostüm aus Tweedstoff, dazu zweifarbige Pumps, eine künstliche Kamelie am Revers, im Mundwinkel eine Zigarette – so ließ sich Coco Chanel gerne fotografieren. Die französische Modeschöpferin war sich selbst ihr liebstes Model. Mit der grazilen Figur und der kurzen, schwarzen Bubikopf-Frisur galt sie in den 1920er Jahren als Reinkarnation der „Garçonne“ („Knäbin“), die den weiblichen Idealtypus der damaligen Zeit verkörperte.

Wie keine andere Designerin prägte Coco Chanel die Mode im vergangenen Jahrhundert, hatte erheblichen Anteil daran, daß sich Paris zum Modezentrum der Welt entwickelte. Emanzipation durch Mode war dabei ihr Credo: Frauenkleidung sollte praktisch und bequem sein.

Coco Chanel, eigentlich Gabrielle Chasnel, wurde am 19. August 1883 als zweite Tochter von Albert Chasnel, einem Straßenhändler, und dessen Geliebter Jeanne Devolle in Saumur geboren. Die Mutter, die vortäuschte, mit Albert Chasnel verheiratet zu sein, ließ die Tochter auf dessen Familiennamen taufen. Durch einen Schreibfehler in den Unterlagen wurde das „s“ im Namen übersehen und auch später nicht wieder korrigiert.

Gabrielle lernte den Beruf der Näherin; als sie 20 Jahre alt war, arbeitete sie als Angestellte in einem Aussteuer- und Babyartikelgeschäft und nahm nebenbei privat Schneideraufträge an. Zu jener Zeit trat sie auch als Sängerin im „Rotonde“ in Moulins auf, wo sie vor allem zwei Chansons vortrug: „Qui qu’a vu Coco dans l’ Trocadéro?“ und „Co Co Ri Co“. Es wird vermutet, daß ihr Spitzname „Coco“ aus dieser Zeit stammt, da das Publikum, vor allem die Offiziere des Jägerregiments von Moulins, sie wegen der beiden Lieder „Coco“ rief.

1904 lernte Coco Chanel den Industriellensohn Etienne Balsan kennen, mit dem sie von 1906 bis 1910 in Royallieu zusammenlebte. 1910 eröffnete sie in Paris ihr lang erträumtes Hutatelier, für das Balsan die finanziellen Mittel zur Verfügung stellte. Mit Hilfe der finanziellen Unterstützung von Arthur („Boy“) Capel, einem britischen Bergwerksbesitzer, der ihr nächster Geliebter war, eröffnete Coco Chanel 1914 in Biarritz und Deauville erste Boutiquen. 1919 besaß sie Modesalons in Paris und Biarritz, entwarf schlichte, locker umspielende Kleider aus Baumwolljersey und kreierte damit eine neue und funktionale Mode mit klaren Linien statt der bisher üblichen Verzierungen. Im darauffolgenden Jahr liefen die Geschäfte bereits so gut, daß sie 300 Angestellte beschäftigte und die Schulden bei Capel begleichen konnte. Im selben Jahr erklärte die amerikanische „Vogue“ die Mode von Coco Chanel zum „Inbegriff der Eleganz“; von den Konkurrentinnen unterschieden sich die Modelle der jungen Designerin vor allem durch Zurückhaltung.

1921 (nach anderer Lesart 1923) kreierte Coco Chanel das erste Parfum aus synthetischen Komponenten, das unter dem Namen „Chanel Nº 5“ auf den Markt kam. Es war das erste verbreitete Parfum, das nicht nach Blumen roch, sondern durch eine sogenannte Aldehydnote geprägt war.

1926 entwarf Coco das erste „Kleine Schwarze“. Das schlichte, taillenlose Kleid wurde sofort zum Bestseller. Die „Vogue“ nannte es einmal den „Ford“ von Chanel: „Das Kleid für alle Anlässe und jede Frau.“ Coco Chanel kürzte die Röcke auf eine damals skandalöse Länge knapp unterhalb des Knies und entwarf neuartige gestrickte Badeanzüge mit Bewegungsfreiheit, die auf Oberschenkellänge endeten und unter denen Shorts hervorblickten. Weitere Beiträge zur Damenmode waren Hosen für Frauen, Strickensembles (Twinset), Schuhe mit Fersenriemen (Slingpumps oder auch Slingbacks genannt), gesteppte Handtaschen mit Schulterkette und die Etablierung auffälligen Modeschmucks. Ihre bevorzugten Farben waren schwarz, weiß und beige.

Als Stern am Pariser Modehimmel ihrer Zeit zählte sie viele berühmte Künstlerinnen und Künstler zu ihren Freunden, darunter

Jean Cocteau, Igor Strawinsky, Pablo Picasso und Romy Schneider. Sie soll zahlreiche Liebschaften gehabt haben, darunter Großfürst Dmitri Pawlowitsch Romanow, der Neffe des Zaren, der Dichter Pierre Reverdy, Hugh Richard Arthur Grosvenor, der Herzog von Westminster. Schlagzeilen machte Coco Chanel während der 1930er Jahre, als sie mit den Nationalsozialisten sympathisierte. Man warf ihr die Freundschaften zu hochrangigen Offizieren aus dieser Zeit vor. Mit Hans Günther von Dincklage, der Sonderbeauftragter des Reichspropagandaministeriums in Frankreich war, soll sie liiert gewesen sein und die Operation „Modellhut“ eingefädelt haben. Hierbei wollten die Akteure Churchill zu Gesprächen mit den Deutschen über ein Kriegsende überreden. Das Unternehmen scheiterte, weil Churchill kurz vor dem geplanten Treffen an Lungenentzündung erkrankte.

Coco Chanel fiel nach Kriegsende in Ungnade und wurde als Kollaborateurin verhaftet. Nach sieben Jahren im Schweizer Exil kehrte sie nach Paris zurück und arbeitete an ihrem Comeback. Im Februar 1954 eröffnete sie nach 15 Jahren Pause – inzwischen 71jährig – erneut ein Geschäft, von der Presse höhnisch kommentiert. Im darauffolgenden Jahr begann jedoch unaufhaltsam der Siegeszug der berühmten Tweedstoff-Zweiteiler. Das Chanel-Kostüm avancierte für Geschäftsfrauen weltweit zum Standard. Vorlage für den typischen Stil bildeten Uniformen aus dem Zweiten Weltkrieg. Bis zuletzt hatte Coco Chanel an immer neuen Kollektionen gearbeitet. Die Grand Dame der Mode starb am 10. Januar 1971 im Hotel Ritz, wo sie seit längerer Zeit ihren Wohnsitz hatte.

Das berühmte Modehaus, das seit dem Tod von Coco Chanel von der Familie Wertheimer geführt wird, konnte jedoch nicht an die Erfolge anknüpfen, die es bis dahin hatte. Es geriet in den Ruf, Mode für reiche, ältere Damen zu kreieren. Das änderte sich erst 1983, als Karl Lagerfeld für das Haus Mode zu entwerfen begann und es zu seinem früheren Ruhm zurückführte.

Foto: Coco Chanel: Chic auch im Alter


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