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16.08.08 / Zu Fuß in eine fremde Welt / Reisebericht eines Engländers durch Afghanistan im Frühjahr 2002

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Zu Fuß in eine fremde Welt
Reisebericht eines Engländers durch Afghanistan im Frühjahr 2002

Im Januar 2002, nur wenige Wochen nach dem Sturz der Talibanherrschaft, brach der Schotte Rory Stewart (Jahrgang 1973) in der Stadt Herat im Osten Afghanistans zu einer fast 1000 Kilometer langen Wanderung quer durch das Hochgebirge bis nach Kabul auf. Als der diplomatische Mitarbeiter der britischen Regierung seine beschwerliche und ris-kante Reise antrat, leisteten die Taliban im Süden des Landes den internationalen Truppen noch Widerstand. 2004 veröffentlichte Stewart ein Buch über seinen Fußmarsch durch das von jahrzehntelangen Kriegen geplagte Land, betitelt „The Places in Between“. Die kürzlich erschienene deutsche Ausgabe erhielt den etwas verunglückten Titel „So weit die Knie tragen“. Selten nur korrespondiert die persönliche Zurückhaltung eines Autors mit dessen schnörkelloser Sprache so vorteilhaft wie im vorliegenden Fall. Dies ist nicht nur ein Buch über eine außergewöhnliche Reise. Es ruft darüber hinaus Respekt für den Verfasser hervor, dessen Darstellung vom Geist der Mitmenschlichkeit geprägt ist und zudem durch einen feinen Humor glänzt.

Bereits im Jahr 2000 war Stewart in der Türkei aufgebrochen und zu Fuß durch den Iran, Pakistan, Indien und Nepal nach Bangladesh gelangt. Zuletzt, nach dem Fall der Taliban, legte er die Strecke durch Afghanistan zurück, insgesamt in 21 Monaten mehr als 10000 Kilometer. Unverzichtbar waren für ihn in Afghanistan seine persischen Sprachkenntnisse. Als einsamer Wanderer mußte er jederzeit mit Angriffen bewaffneter Stammeskrieger oder marodierender Banden rechnen, was er seltsam gleichmütig in Kauf nahm. Er mied die Straßen und kam durch Bergdörfer, deren Bewohner seit Jahren von der Außenwelt abgeschnitten waren. Beharrlich blieb er bei seiner Absicht, die gesamte Strecke zu Fuß zu bewältigen. Angebote hilfsbereiter Menschen, auf einem Pferd oder Esel zu reiten oder eine Strecke weit im Lastwagen mitzufahren, schlug er aus, bat unterwegs um nichts als um Wasser, Nahrung und einen Schlafplatz auf dem Boden. Einen Kampfhund, den er auflas, nannte er „Babur“. Für das in der islamischen Welt als unrein geltende Tier Nahrung zu erhalten, bereitete ihm erhebliche Schwierigkeiten, doch Babur rettete seinem Herrn einmal in einer Schneeverwehung das Leben.

Seine Route hatte der Historiker Stewart an diejenige des legendären Herrschers Babur (1483–1530) angelehnt, der die indische Dynastie der Mogule begründete. Babur, ein Nachfahre des Dschingis Khan, war ein gnadenloser Schlächter, aber auch ein sensibler Naturfreund und Dichter. Von ihm stammt eine Beschreibung der Gegend und ihrer Bewohner, aus welcher der Autor häufig zitiert. Und daher hat es immer wieder den Anschein, als sei die Zeit in der rauhen Bergwelt seitdem stehengeblieben. Wie sehr in den männlich dominierten Stammesgesellschaften noch das archaische Streben nach Rang und Ehre dominiert, wird in vielen Passagen deutlich.

„Ich war müde, konnte aber nicht schlafen“, schreibt Stewart. „Abdul Haq ließ sein Transistorradio die ganze Nacht an. Es brachte zwar nichts als atmosphärische Störgeräusche hervor, doch jeder konnte sehen, daß er ein Radiogerät besaß.“

Rory Stewarts Buch steht in einer Reihe von großartiger britischer Reiseliteratur über Afghanistan. Um so bedauerlicher sind die zahlreichen Schnitzer in der deutschen Übersetzung.         D. Jestrzemski

Rory Stewart: „So weit die Knie tragen – Mein Fußmarsch durch Afghanistan“, Piper Verlag, München 2007, geb., 399 Seiten, 22,90 Euro


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