26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
16.08.08 / Die Rote, die Getürmte, die Gelehrte / Bologna: Entdeckung der italienischen Stadt durch ihre Beinamen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Die Rote, die Getürmte, die Gelehrte
Bologna: Entdeckung der italienischen Stadt durch ihre Beinamen
von Sophia E. Gerber

Schon vor mehr als 200 Jahren wandelte Johann Wolfgang von Goethe auf den Straßen der mittelalterlichen Stadt im Herzen der Emilia-Romagna. In seiner „Italienischen Reise“ widmete er ihr folgenden Eintrag: „Bologna, den 18. Oktober 1786. Gegen Abend rettete ich mich endlich aus dieser alten, ehrwürdigen, gelehrten Stadt, aus der Volksmenge, die in den gewölbten Lauben, welche man fast durch alle Straßen verbreitet sieht, geschützt vor Sonne und Witterung, hin und her wandeln, gaffen, kaufen und ihre Geschäfte treiben kann.“ Die gewölbten Lauben stehen für die insgesamt 40 Kilometer langen Säulengänge. Sie wurden ursprünglich errichtet, um die oberen Etagen auszubauen und neuen Wohnraum zu schaffen, ohne den Handel und den Durchgangsverkehr zu stark zu beeinträchtigen. Unter ihnen läßt sich die Stadt erkunden, egal ob bei brennender Sonne oder strömendem Regen. Bologna trägt im Volksmund viele Beinamen: la rossa („die Rote“), la turrita („die Getürmte“), la dotta („die Gelehrte“) und la grassa („die Fette“) – Attribute, die einiges über die Stadtatmo-sphäre und das Lebensgefühl der Bewohner verraten.

„Die Rote“: Sicherlich ist die Bezeichnung auch politisch zu verstehen, insofern die italienische Linke hier ihre festen Wurzeln hat (Ex-Premier Romano Prodi ist etwa in der Stadt zuhause). Sie gilt jedoch vor allem dem leuchtenden Rot der backsteinernen Gebäude, das mit dem Blau des Himmels kontrastiert. Eindrucksvoll ist die purpurne Basilika „Santo Stefano“ auf der gleichnamigen Piazza, in der vier, ursprünglich sogar sieben Kirchen aus dem 5. bis 14. Jahrhundert ineinander verschachtelt stehen. Die Anlage verfügt über einen byzantinischen Rundbau sowie über typisch romanische Kreuzgänge und beherbergt ein heute noch genutztes Kloster. Auf der Piazza finden häufig kulturelle Veranstaltungen, Konzerte und Flohmärkte statt. Nicht weit von hier befindet sich im Zentrum die Piazza Maggiore mit der gotischen Kathedrale „San Pietro“. Ende des 14. Jahrhunderts begann der Bau dieser gewaltigen Kirche, den der Papst damals stoppen ließ, da diese nach den Entwürfen größer als der Petersdom in Rom werden sollte. Wie abgeschnitten wirkt die mit rotem und weißem Marmor verkleidete, unvollendete Fassade. Im Innenraum kann man unter anderem die weltlängste, 1655 nach den Plänen des Astronomen Giovanni Domenico Cassini angelegte Mittagslinie bewundern. Gegenüber der Kathedrale steht der barocke Neptunbrunnen, in dessen Mitte umgeben von Sirenen und Delphinen die Statue des Meeresgottes emporragt. Der Legende nach verweigerte die Kirche dem Erbauer Jean de Boulogne, das beste Stück Neptuns in geplanter Größe zu realisieren, und legte der Figur sogar Bronzehosen an. Daraufhin soll der Bildhauer die Skulptur so gestaltet haben, daß der ausge- streckte Zeigefinger der linken Hand aus einem bestimmten

Blickwinkel als Phallus erscheint. Überhaupt umgibt die Fontäne eine sehr erotische Atmosphäre. Die Nymphen am Brunnenrande spritzen beispielsweise Wasser aus ihrem Busen. Der Dreizack, den Neptun in den Händen hält, ziert übrigens auch das Logo der Automarke Maserati.

„Die Getürmte“: Zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert errichteten einflußreiche Patrizierfamilien zahlreiche Wohn- und Festungstürme, die sogenannten Geschlechtertürme, die später auch als Kerker und Geschäfte genutzt wurden. Sie galten als Statussymbol: Je höher der Turm, desto höher das Ansehen dieses Geschlechts.

Von ihnen sind nur noch 20 erhalten, unter ihnen die berühmten schiefen Türme Garisenda (48 Meter) und Asinelli (97 Meter). Letzterer ist eine beliebte Aussichtsplattform, die ein schönes Panorama über die Altstadt bietet.

„Die Gelehrte“: Die 1088 gegründete Universität Bologna ist die älteste Europas. Hier verbrachten schon die Renaissancedichter Dante Alighieri und Francesco Petrarca ihre Studienzeiten. Bis vor kurzem lehrte an der Alma Mater der italienische Schriftsteller Umberto Eco, der mit seinem Roman „Der Name der Rose“ Weltruhm erlangte. Der ehemalige Sitz der juristischen, medizinischen und der künstlerischen Fakultät, das Archiginnasio, ist heute eine Bibliothek. Noch immer kann man dort einen Anatomiesaal aus dem 16. Jahrhundert bewundern, in dem neben dem Pult des Professors zwei hölzerne Statuen von „Enthäuteten“ stehen. Eindrucksvoll ist zudem die umfangreiche Stadtbibliothek „Sala Borsa“, unter deren Glasboden archäologische Ausgrabungen aus der römischen Antike zu sehen sind.

„Die Fette“: Zu den lokalen Spezialitäten zählen der Parmaschinken, die Mortadella, der Balsamico-Essig und der originale Parmesankäse, die man günstig auf dem „Mercato delle Erbe“ erwerben kann. Unbedingt probierenswert ist auch die Piadina, ein mit Wurst oder Käse gefülltes dünnes Fladenbrot. Auch die mit Fleisch oder Gemüse gefüllten Tortellini stammen ursprünglich aus Bologna und werden hier für gewöhnlich in einer Suppe oder mit der berühmten Hack-fleischsauce alla bolognese serviert. Die Legende besagt, die Tortellini seien dem Bauchnabel der Venus, der Göttin der Liebe, nachempfunden. Die ebenfalls ortstypischen Tagliatelle sollen angeblich von der Haartracht der Fürstin Lucrezia Borgia inspiriert worden seien.

Am Abend trifft man sich häufig mit Freunden zum Aperitivo in einer der zahlreichen Bars oder Kneipen. Bei einem Glas Wein und ein paar Häppchen kann man hier gemütlich den Tag ausklingen lassen.

Foto: Roter Backstein und kalorienreiche Spezialitäten: Bologna hat zahlreiche Reize.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren