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23.08.08 / Eine Stimme für alle Ärzte / 1932 wurde den Krankenkassen die Kassenärztliche Vereinigung im Namen aller Mediziner gegenübergestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

Eine Stimme für alle Ärzte
1932 wurde den Krankenkassen die Kassenärztliche Vereinigung im Namen aller Mediziner gegenübergestellt
von Rebecca Bellano

Es war eine Revolution von oben: Die 1883 durch Reichskanzler Otto von Bismarck eingeführte gesetzliche Krankenkasse ist der älteste Zweig der Sozialversicherung und somit Bestandteil des bis heute gültigen sozialen Netzes. Während heute beinahe 90 Prozent der Bundesbürger gesetzlich versichert sind – die übrigen sind bis auf wenige Zehntausende Unversicherte weitgehend privat krankenversichert –, war es damals zu Beginn nur eine kleine Minderheit, die von der neuen Gesetzgebung profitierte. Trotzdem war es ein unglaublicher Meilenstein in der sozialen Absicherung, die von da an immer weiter ausgebaut wurde.

Eine der Schwächen von damals war, daß die Kassen Einzelverträge mit den Ärzten abschließen konnten. Da es relativ viele Ärzte gab, konnten die Kassen die Konditionen vorgeben. Immer wieder kam es zu Unruhen unter den von den Kassen gegängelten Medizinern. 

Im Jahr 1900 ergriff der Leipziger Arzt Hermann Hartmann die Initiative und forderte die deutsche Ärzteschaft auf, sich für die Wahrung ihrer Standesinteressen zusammenzuschließen. Bis 1924 hieß der Verband in Kurzform „Leipziger Verband“, benannt nach seinem Gründungsort. Nach dem Tod von Hermann Hartmann am 20. Januar 1923 erfolgte die Umbenennung in „Hartmannbund – Verband der Ärzte Deutschlands“.

Im Oktober 1913 drohte trotzdem ein Generalstreik der Ärzte, den die Regierung nur mit Mühe abwenden konnte, ohne jedoch die Ausgangslage zu entschärfen. Erst 1928 setzte der Hartmannbund die Allgemeine Deutsche Gebührenordnung durch. Sie war ein entscheidender Schritt zur wirtschaftlichen Absicherung des ärztlichen Berufsstandes.

Mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Weimarer Republik Anfang der 30er Jahre verschlechterte sich die Lage der Ärzteschaft jedoch wieder enorm, da die Kassen, die wegen der hohen Arbeitslosigkeit immer weniger zahlende Mitglieder hatten, ihre Finanznot auch an den Medizinern ausließen. Arbeitskämpfe der Geknebelten waren die Folge. Reichskanzler Heinrich Brünning (1885–1970) sah sich 1931 gezwungen, eine Notverordnung zu erlassen. Mit der Gründung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) 1932 wurde den Krankenkassen ein öffentlich-rechtlicher Vertragspartner gegenübergestellt, der im Namen aller Ärzte feststehende Bedingungen aushandeln und die Abwicklung vornehmen mußte.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten änderte sich jedoch einiges. Die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen wurden abgeschafft, die Bundesvereinigung wurde gleichgeschaltet. Mit der Verabschiedung der Reichsärzteordnung im Jahre 1935 wurde auch das vorübergehende Ende des Hartmannbundes besiegelt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten beide eine Wiedergeburt. 1949 wurde der Berufsverband Hartmannbund und 1955 die Kassenärztliche Vereinigung mit regionalen Vertretungen wieder ins Leben gerufen. Schon Ende der 70er Jahre mußte die KV die ersten Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen verwalten. Zahlreiche halbherzige Reformversuche folgten. Damit wuchsen auch die Aufgaben der KV. So muß die KV seit 1993 neben der Abrechnung zwischen Ärzten und Kassen auch die Begrenzung der zugelassenen Kassenärzte organisieren.


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