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23.08.08 / Von Eunuchen bis zu Terroristen / Chinas Islamisten blicken auf eine wechselvolle Geschichte zurück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

Von Eunuchen bis zu Terroristen
Chinas Islamisten blicken auf eine wechselvolle Geschichte zurück
von Joachim Feyerabend

Das Reich der Mitte, China, begeisterte die Welt mit einer großartigen Eröffnungsfeier zur Olympiade 2008. Doch für die Machthaber in Peking lagen zugleich dunkle Schatten auf der Veranstaltung: Kurz nach der Niederschlagung der Aufstände in Tibet rückte ein weiterer Feind ins Visier der Sicherheitskräfte: die muslimischen Separatisten im Westen des Landes, vornehmlich in den Provinzen und Städten Xinjiang, Linxia, Ningxia und Kasghar, beginnen mehr und mehr durch Bombenattentate auf ihre Autonomie-Bestrebungen aufmerksam zu machen und von den Chinesen einen hohen Blutzoll einzufordern.

Insgesamt leben im Reich der Mitte rund 40 Millionen Moslems (fast ebenso viele wie in Rußlands Süden), die selbst in Peking, Shanghai und Guangzhou zum Teil prächtige Moscheen im Pagodenstil erbauten. Durch radikalisierte Prediger aufgehetzt wollen sie für die fast 300 Millionen Muslime Südostasiens einen großen Gottesstaat unter der Fuchtel des strengen Scharia-Rechts. Finanzielle Unterstützung erhalten sie dabei aus dem Iran, aus Saudi-Arabien und der Türkei.

Die bei den jüngsten Attentaten ins Rampenlicht getretenen neun Millionen Uiguren, Angehörige der sogenannten Turkvölker nördlich des Himalaja und nahe der Grenze Pakistan und Afghanistan, nennen ihr gebirgiges und karges Gebiet rund um Kashgar Turkestan. In ihm stellen sie 70 Prozent der Bevölkerung. Diese 1759 von China als Provinzen annektierten Stammesgebiete, das sogenannte chinesische Turkestan, beanspruchen für sich altes, angestammtes Siedlungs- und Heimatrecht aus Jahrhunderten der Mongolenherrschaft zuvor und sind eng mit den russischen Turkvölkern verwandt. Von Europa aus vertritt der World Uighur Congress ihre Interessen in der ganzen Welt.

Die Nachrichten aus diesen Regionen fließen allerdings nur spärlich, die Bewohner jedenfalls behaupten, daß die roten Machthaber immer mehr Koranschulen schließen, Moscheen schleifen und Imane einsperren oder gar töten und sie gesellschaftlich diskriminieren. Die Regierung in Peking spricht da-gegen von Terroristen-Nestern. Dies alles ist der Situation in Tibet ähnlich, doch da die chinesischen Turkmenschen keinen öffentlichkeitswirksamen Dalai Lama haben, sind sie in Europa so gut wie unbekannt. Dabei war die Lage der „gelben Islamisten“ schon einmal ganz anders: Die Anhänger des Koran, meist zu Eunuchen am Kaiserhof verstümmelt, verfügten während des 12. bis 14. Jahrhunderts über eine große Macht in der verbotenen Stadt Peking, meist als Ratgeber und Vertraute am Kaiserhof. Mit dem Admiral Zheng He erreichte die islamische Religionsgruppe um 1300 n. Ch. den Höhepunkt ihres Einflusses. Zheng rüstete die sogenannte Schatzflotte aus und trieb den Handel Chinas bis nach Indien und Ostafrika voran. Dann gewannen die Gegner der Eunuchen, die rein chinesischen Hofbeamten, die Oberhand, und die maritimen Weltmachtpläne des mächtigsten Seefahrers seiner Zeit wurden jäh gestoppt, seine Riesendschunken (bis 120 Meter lang) waren den neuen Ratgebern zu teuer.

Die ersten Beziehungen zur muslimischen Welt indes sind weit älter und stammen aus einer Zeit, in der die europäischen Potentaten noch nicht einmal um die Existenz dieses fernen Riesenreiches wußten; erst um 1500 machte der Venezianer Marco Polo auf dieses gewaltige Potential aufmerksam. Da lief zwischen Arabien und der chinesischen Welt bereits über Jahrhunderte ein schwunghafter Handel. Denn schon kurz nach dem Tode Mohammeds im Jahr 632 n. Ch. nahm der Erste Kalif in Bagdad mit seinen Dhaus Geschäftsbeziehungen bis nach China, damals Katei genannt, auf. Unter seiner Regie wurde sogar an der Küste Südchinas eine erste islamische Niederlassung errichtet. Eine Giraffe als Geschenk für den „Sohn des Himmels“ und weitere Gaben, wie etwa afrikanisches Elfenbein, die Zheng überbrachte, sollten den Kaiser positiv einstimmen. Weitere Niederlassungen folgten.

Es entstanden zudem Sul-tanate in Malaysia, Johor zum Beispiel, den Philippinen (lange vor Maghelan, etwa in Sulu) und Indonesien. Auch das noch heute existierende, reiche Öl-Sultanat von Brunei gehört dazu. Die muslimischen Piraten-Fürsten in der berüchtigten Straße von Malakka schließlich machten den viel später kommenden Handelsschiffen der Europäer das Leben schwer. Und das ist bis heute so geblieben. Auf chinesischem Boden gab es die Sultanate Dali und Yunna, die durch die kurzlebige „Phan-thay Revolte“ auf sich aufmerksam machten. Unter diesem Gesichtspunkt muß die heutige Entwicklung – auch oder gerade in China – beurteilt werden. Die Revolten von heute, wie gerade wieder auf den südlichen Philippinen, wachsen aus historischen Wurzeln.

Die ostasiatischen Anhänger des Koran, in der Regel Sunniten, reklamieren für sich nichts anderes als uralte Rechte, die ihnen im Lauf der Jahrhunderte immer weiter beschnitten wurden. Von einstmals reichen Kaufleuten rutschten sie unterjocht ins Armenhaus der Geschichte ab. Zugewanderte Chinesen anderen Glaubens nahmen ihnen die Butter vom Brot.

Foto: Moslems in Peking: In Chinas Hauptstadt geben sie sich friedlich und angepaßt.


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